A TRAITOR LIKE JUDAS

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Guerilleros der Herzen

Mit „Guerilla Heart“ haben A TRAITOR LIKE JUDAS gerade ein neues Album veröffentlicht, das kompromisslosem Hardcore gleich mehrere smarte Ideen überstülpt und so den Verdacht, man würde hier nicht nur musikalisch voll einen in die Fresse bekommen, auf interessante Weise entkräftet. Schlagzeuger Jochen Pohl antwortete auf meine Fragen.

Die Metalbox-Version eures neuen Albums ziert ein per Schablone gesprühtes Herz, darin ein „V“. V wie Vendetta, V wie vegan, V wie ... Verräter?

Du hältst es gerade falsch herum. Dieses Logo war eigentlich als „Herz auf dem Kopf“ gedacht. Daher ist das „V“ also ein „A“. Oder ein Pfeil. Oder eine Art Abzeichen. Fakt ist, dieses Zeichen lässt viel Raum für Spekulationen – und das soll es auch. Es gibt keine eindeutig richtige Zuordnung. Unsere Lettern „ATLJ“ oder „GH“ für Guerilla Heart passten nicht so wirklich, aber als es so aussah, wie es jetzt aussieht, wussten alle, so soll es aussehen. Aber alle von dir genannten Assoziationen lassen sich hervorragend in das Leitmotiv „Guerilla Heart“ einbinden.

Verräter ist ein gutes Stichwort. Ihr habt sowohl das Wort „Traitor“ wie den Namen des wohl bekanntesten Verräters der westlichen Kulturgeschichte in eurem Bandnamen, da habt ihr doch sicher eine Meinung zum Thema Verrat. Für mich sind Menschen wie Bradley Manning und Edward Snowden Helden, weil sie Dinge ans Licht der Öffentlichkeit gebracht haben, die nicht geheim bleiben durften. Für die US-Regierung sind die allerdings ... Verräter.

Es sind ja auch Verräter – an der US-Regierung. Sie verrieten geheime Dinge. Jedoch ist die Bewertung des Verrats entscheidend. Verräter sind nicht immer negativ zu betrachten. Es kommt ja immer darauf an, was verraten wird. Trägt ein Verrat zur Rettung der Welt bei, wird der Verräter sicherlich als Held gefeiert und der Großteil der Bevölkerung sieht ihn als solchen. Dennoch bleibt er ein Verräter – wenn auch nur für die Betrogenen. Sieht man solch ein Epos mal etwas überschaubarer, zum Beispiel in den Grenzen der eigenen Persönlichkeit, findet der eine oder andere sich hier wieder: Hält man an seinen Prinzipien fest und bleibt sich treu, wird man immer das selbe Ziel verfolgen und eine bestimmte Sichtweise haben. Ändert man diese, verrät man somit ja sich selbst. Veränderung ist hier das Stichwort. Und die hat vielen geschadet, aber auch vielen geholfen. Ich wette, es gibt genug Menschen, die sich selber für den Verrat ihrer – einstigen – Persönlichkeit dankbar sind.

„One man’s terrorist is another man’s freedom fighter“, schrieb Gerald Seymour 1975 in „Harry’s Game“, in dem es um den Nordirland-Konflikt geht. Eine Aussage, die man auch auf Verräter und Guerillakämpfer anwenden kann. Warum habt ihr ein „Guerilla Heart“?

Weil wir, und alle, die genauso fühlen, denken oder besser noch handeln, einfach noch zu wenige sind. Es kommt einem so vor, als ob man einer Minderheit angehört, die sich verdeckt über ihre eigene „Szene“ informiert und in dieser bewegt. Die Menschen, die zuhören und mitmachen, gewinnen. Aber das sind noch wenige, wenn man mal überlegt, dass ich regelmäßig beim Vorspielen meiner Band vor Bekannten Sätze höre wie: „Und das hört sich jemand an?“. Aber jemandem etwas vorschreiben kommt nicht in Frage. Wer sich als „Guerillakämpfer“ sieht, tut das aus freien Stücken. Guerilla bedeutet für uns vor allem aktiv zu werden!

In eurer Metallbox findet sich ein Tarnnetz, und man denkt zuerst: „Schon wieder so ein breitbeiniger Militarismus-Hardcore-Scheiß ...“, bis man feststellt, dass ihr nicht zum Töten auffordert, sondern zum Werfen von Blumenbomben – eine solche liegt dann auch bei. Was hat es damit auf sich?

Die Samenbomben verschönern unsere Umwelt. Es gibt so viel zubetoniertes Gelände und hässliche Orte, das sollte geändert werden, jeder kann einen Beitrag leisten, die Welt zu verändern. Bitte also vorrangig in urbanen Gegenden anwenden! Auf der klassischen „Before death“-Liste findet man oft die glorreiche Aufgabe eines Mannes, einen Baum zu pflanzen. Mit den Samenbomben kann man schon mal trainieren. Außerdem sind sie ein gutes Beispiel für unsere Einstellung. In unserem Video zu „What counts“ laufen ein paar echt miese Trottel rum, die, nach traditionellen Maßstäben, ordentlich eins auf die Fresse verdient haben – das bekommen sie aber nicht. Wir versuchen hier darzustellen, dass man durch die eigene Erkenntnis sein Leben oder sein Verhalten umstellen kann. Nicht erst, wenn dir jemand aufs Maul haut.

„Flagge zeigen für eine bessere Welt“ wollt ihr laut beiliegendem Anschreiben. Wie geht das, wie sieht die aus, und warum so positiv, freundlich und nett? Wo ist der fiese, zynische, misanthropische Hardcore hin, ihr ... Hippies?

Hippies waren auch eine Art Guerillakämpfer. Einzig die Bewaffnung unterscheidet von Ort, Politik und Mentalität. Ach, du meinst den antipathischen, höhnischen, polemischen Hardcore? Der ist ja nicht weg! Der läuft immer und überall – auch auf meiner Musikanlage. Die ATLJ-Flagge wird eben auf einem anderen Mast gehisst. Auf einem, der biologisch von fair bezahlten Arbeitern hergestellt wurde. Ist doch eigentlich okay, oder!? Die gesunde Priese Misanthropie findest du auch in unserer Musik, die von ein paar echt zynischen Fieslingen geschrieben wird.