Wer hat hierzulande eigentlich das Bedürfnis nach partykompatibler, dosenbiertauglicher Rockmusik vor den TOTEN HOSEN befriedigt? Und wer hat euch erzählt, die TOTEN HOSEN hätten diese Mischung aus Stadionrock, Punk und Texten, die vom Punkrocker bis zum Stammtischproll funktionieren, erfunden? Lange vor den Hosen nämlich waren da die STRASSENJUNGS, mit Arbeitsamts- statt Anarchie-A, die 1977 via CBS ihren Klassiker "Dauerlutscher" veröffentlichten und damit eine der ersten deutschen Bands waren, die irgendwie in die Punk-Kerbe schlugen.
Dabei waren die STRASSENJUNGS eigentlich gar nie so "richtig" Punk, hatten eher lange Haare, Frontmann Nils sogar einen Schnauzbart, machten eher den Eindruck von Mofarockern aus der Provinz als den gefährlicher urbaner Rebellen und wurden doch zur Kultband.
Erstmal allerdings war mit dem Majordeal nach einer Platte Schluss, Sänger Nils formierte eine völlig neue Band und macht mit dem eigenen Label Tritt Records weiter, wo seit "Wir ham ne Party" von 1979 alle Platten der Frankfurter erschienen sind.
Auch wenn die STRASSENJUNGS bis heute den Ruch der kommerziellem Klamauktruppe haben, so haben aber wohl unzählige Punker ihren ersten Kontakt mit entsprechender Musik über die Platten und Konzerte der Hessen gehabt, waren ihre Scheiben in den Plattenkisten so vieler älterer Brüder, Cousins und Freunde zu finden, neben denen von TON STEINE SCHERBEN, die damals ebenfalls essenzieller Stoff für jeden anpolitisierten Gymnasiasten und Zivi waren, aber auch der Schlosserlehrling von nebenan hatte Spaß mit den immer direkten, auch mal prolligen und doch im Zweifelsfall politisch linken Texten (etwa gegen AKWs und die Immobilienspekulation in Frankfurt) der STRASSENJUNGS.
Diesen seltsamen Spagat hat die Band bis heute durchgezogen, wobei es in Neunzigern zwar durchaus immer wieder mal mediales Interesse an den STRASSENJUNGS gab, aber Fußballsongs und ein Besuch bei Steffi Graf waren dann doch eher Stoff fürs Boulevardprogramm der Privatsender.
Durch die Insolvenz des langjährigen Tritt Records-Vertriebes EFA wurde dann letztes Jahr erstmal unter erschwerten Bedingungen gearbeitet, doch mit Broken Silence ist ein neuer Vertrieb gefunden und die oben erwähnten Scheiben wie auch wohl alle anderen - "Los" (81), "Live" (83), "Nass" (Nils solo), "Bleiben oder gehen" (84), "Sex" (86), "Bombenstimmung" (87), "Das Beste" (89), "Gorby" (90), "Duell" (91), "Eintracht (92), "Tut gut" (97), "Blub-Blub" (00) - sind wieder erhältlich, wobei man die wirklich notwendigen Scheiben auf vier reduzieren kann: "Dauerlutscher", "Wir ham ne Party", "Los" und "Bleiben oder gehen" sind essenzielle deutsche Punk/Rock-Platten, wobei noch erwähnt werden sollte, dass die STRASSENJUNGS musikalisch immer ein eigenes Ding fuhren: einerseits vom Punk beeinflusst, andererseits auch vom Pubrock und sich ansonsten kreuz und quer in der Rockmusikgeschichte bedienend.
Auf der Website strassenjungs.de gibt's reichlich Hintergrundinfos, denn die CDs geizen etwas damit - und könnten eine grafische Überarbeitung vertragen ...
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