Es gibt ja so etwas wie Musik für Leute, die eigentlich gar keine Musik hören, beispielsweise Herbert Grönemeyer. Das kann sich fast jeder irgendwie reintun, das tut keinem weh und hat dabei gerade noch so viel Basisniveau, dass man sich in der Selbstwahrnehmung nicht dem kulturellen Prekariat zurechnen muss. Das Gegenteil davon sind Kritikerlieblinge, die im Feuilleton oder bei einer Special-Interest-Gilde von Kennern wie dem Ox Entzücken hervorrufen, allerdings von „normalen Leuten“, wie Sahra Wagenknecht sie bezeichnen würde, schlichtweg ignoriert bis verabscheut werden. DŸSE würden wahrscheinlich zu letzterer Gruppe zählen, wenn sie nicht eine Live-Präsenz hätten, die selbst dem letzten hinterwäldlerischen Kulturbanausen mit Hornhaut auf der Seele deutlich machen würde, dass wir es hier mit einer absoluten Ausnahmeband im positiven Sinne zu tun haben. DŸSE begeistern aber vor allem auch Leute, die selber Musik machen. Der gemeine Künstler kratzt sich beim Hören bzw. Sehen von DŸSE den Hinterkopf und fragt sich: „Wie machen die das nur, und das auch noch zu zweit, und warum bin ich nicht so geil?!“. So ist nicht verwunderlich, dass auf „Widergeburt“ Musiker einiger der renommiertesten und erfolgreichsten deutschsprachigen Bands dafür gewonnen werden konnten, den Bass einzuspielen. Die 2-Mann Band DŸSE hat nämlich regulär gar keinen. So wurde das vorliegende Album zum Corona-überbrückenden Mitmachprojekt für Leute von DIE ÄRZTE, RAMMSTEIN, BEATSTEAKS, DEICHKIND, KRAFTKLUB, und, und, und. Dabei sei erwähnt, dass DŸSE dabei glaubhaft nicht in erster Linie den „Fame“ dieser Bands abgreifen wollen. Einen Ähnlichen Ansatz gab es nämlich bereits vor einigen Jahren bei dem basisdemokratischen Music-Open-Source Projekt „Du musst DŸSE werden“ – und da konnten Hinz und Kunz mitmachen. Aber wer ein gut sortiertes Telefonverzeichnis hat, kann es ja auch mal verwenden. „Widergeburt“ ist ein Album, das bei aller musikalischen und textlichen Abwechslung total konsistent ist. Das Release wurde Corona-geschuldet mehrere Monate geschoben, was der (Post-)Produktion spürbar gut getan hat. Stressfrei wurde hier ein Werk geschaffen, das gerne in Gänze durchlaufen bzw. gehört werden will und kann. Es geht trotz Vertracktheit stets nach vorne bzw. in die Fresse und klingt in jedem Moment unverwechselbar nach DŸSE. Die objektive Beschreibung, dass es sich hier um Noise-Rock handelt, mit Momenten von Metal, Punk, HipHop und Funk, textlich mehrsprachig auch gerne in den Dadaismus der 1910er Jahre mündet, führt eigentlich in die Irre, weil das Ganze viel mehr ist, als die Summe seiner Teile. Hier ist nichts konstruiert aber viel gewachsen und gekonnt. Das hier ist aus einem Guss und rammt einen in den Boden oder aus der Umlaufbahn – je nach Schlagrichtung – aber nie ohne Haken.
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