Der Konnex von gesellschaftlichem Umbruch mit Gegenkultur, insbesondere Musik und subkulturellen Strukturen, scheint seit dem Krawall der 1968er-Ära festzustehen. Bereits 1963 notierte Bob Dylan: „The times they are a-changin’“. Dass dem allen bereits ein mehr als 100-jähriger Vorlauf zugrunde lag, beleuchtet dieses Werk mit musikästhetischem Blick auf Rebellion und Auflehnung in Rock und Pop seit den Sechzigern. Als Soziologe und Professor für Politikwissenschaft hat Volker Eichener eine andere Perspektive auf Pop-Kultur als etwa ein Musikjournalist. Auch wenn er durch sein Engagement als Booker in einem Kulturlokal einen Einblick in die Realität des Showgeschäfts erhält, folgen seine Betrachtungen über Rock und Revolte stets auch einer wissenschaftlichen Sicht. Dennoch zeigt er sich in „They Rocked the City“ nicht nur als Chronist oder Analytiker, Eichener ist eben auch glühender Musikfan, und als solcher hält er sich mit seiner Meinung selten zurück. Methodisch geht Eichener oft mit Mitteln der Textanalyse zu Werke, wenn auch nicht mit dem Werkzeugkasten des Sprachwissenschaftlers. Er nimmt sich Textpassagen aus wichtigen Songs der Ära vor, die er auf Deutsch übersetzt und aus denen er dann ihre Relevanz der Aussagen für den gesellschaftlichen Wandel herausliest. Das gelingt mal besser, mal schlechter, vor allem die hölzerne Qualität seiner Übersetzungen schmeckt nicht immer (wenn er „baby“ mit „Schätzchen“ eindeutscht, nennen das junge Leute heute „cringe“). Leider geht in dem umfassenden Werk öfter der rote Faden verloren, sprunghaft und anekdotisch wird hier durch Themen „gezappt“, auch täte dem Buch ein Glossar gut.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #159 Dezember 2021 /Januar 2022 2021 und Gereon Helmer