Gefühlt ist es ja so, dass jede nordamerikanische Hardcore-Band in Europa auf Tour geht, sobald sie mal ein paar Monate existiert. Und dann gibt es da diese Ausnahmen, bei den man sich verwundert die Augen reibt und fragt, ob man nur selbst unaufmerksam war oder die Band echt kaum jemand (mehr) auf dem Schirm hatte.
Ein solcher Fall sind NO WARNING aus Toronto. 1998 noch als AS ONCE WE WERE von Sänger Ben Cook und unter anderem Gitarrist Matt DeLong gegründet, änderte die Band den Namen bald zu NO WARNING.
2001 kam eine erste 7“, die von Bridge 9 in erweiterter Form als CD veröffentlicht wurde. 2002 dann das erste Album „Ill Blood“ via Bridge 9 (das 2013 neu aufgelegt wurde). Ab da scheint die Band in etwas komisches Fahrwasser geraten zu sein, Touren mit SUM 41 (deren Manager nahm sie für sein Label unter Vertrag), PAPA ROACH, THE USED und anderen schlimmen Bands deuten das an, genau wie der Release des zweiten Albums „Suffer, Survive“ (2004) auf dem von LINKIN PARK gegründeten Machine Shop-Label.
Offensichtlich war das ein Irrweg, denn die Band löste sich 2005 und Frontmann Ben Cook wechselte zu FUCKED UP, Gitarrist Jordan Posner ging zu TERROR. Cook verkündete schließlich 2013 die Reunion, DeLong und Posner waren auch wieder dabei, eine erste 7“ erschien, und obwohl Cook zunächst Konzerte ausgeschlossen hatte, spielten NO WARNING 2014 beim Ieperfest ihre erste Europashow.
Und steht also mit „Torture Culture“ das neue Album an, in Kanada auf Cooks Bad Actors Inc.-Label, in Europa auf SPV, produziert von Cook, der offensichtlich der unumstrittene Boss der Operation ist.
„Torture Culture“ nimmt einen mit auf eine Reise ins New York der späten Achtziger, als Hardcore gerade den Metal entdeckt hatte, als die BAD BRAINS auf „Quickness“ neue Töne anschlugen, als die CRO-MAGS ihr epochales „Best Wishes“ veröffentlichten und Bands wie LEEWAY, CRUMBSUCKERS oder SICK OF IT ALL in Europa mit diesen neuen Klängen erst für Verunsicherung und dann für Begeisterung sorgten, in neue Hörerkreise vordrangen.
NO WARNING sind eindeutig auf diesem Terrain unterwegs, die meisten Songs fiese, harte Brecher, es gibt jedoch auch Ausnahmen: Eine Nummer wie „Sanctuary“ hätte sich die Band schenken können, ein lahmer Hardrock-Zock, der an die schwachen Momente der BAD BRAINS erinnert, und die verträumte Sequenz bei „No influence“, nun ja ...
Trotzdem, Cook und Friends liefern solide ab, wer die alten NO WARNING-Sachen und die Eighties-NYC-Helden schätzt, hat garantiert Spaß an diesem (weitestgehend) schnörkellosen Powertrip, zu dem auch die Texte passen: verzweifelt, düster, direkt.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #135 Dezember/Januar 2017 und Joachim Hiller
© by Fuze - Ausgabe #67 Dezember/Januar 2017 und Luisa Selle
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