MIKE WATT

The Secondman's Middle Stand CD

Sieben Jahre hat man auf ein neues musikalisches Lebenszeichen des legendären fIREHOSE- und MINUTEMEN-Bassisten warten müssen, und man kann sich froh schätzen, an dieser Stelle nicht einen Nachruf anstelle dieser Besprechung lesen zu müssen, denn Watt war im Jahr 2000 kurz davor, D.

Boon im Himmel die Hand zu schütteln. Insofern ist Watts Soloplatte Nr. 3 nach "Ball-Hog Or Tugboat?", und "Contemplating The Engine Room" das Werk eines Überlebenden, und diese Grenzerfahrung spürt man deutlich in den Texten und der Musik.

"The Secondman's Middle Stand" erschien in den Staaten allerdings schon Ende letzten Jahres und zwischenzeitlich war Watt als Bassist bei DINOSAUR JR und den STOOGES aktiv. Seine diesjährige Tour in Europa wurde gerade hierzulande so fantastisch promotet - dazu passt natürlich auch hervorragend, dass die Platte erst danach bei uns herauskam -, dass kaum ein jemand was davon mitbekam, und einige der Anwesenden dann sichtlich überfordert waren von der musikalischen Ausrichtung des aktuellen Werks.

Denn Watts neues Power-Trio verzichtet auf Gitarre, stattdessen gibt es fette Hammondorgel-Sounds - das erinnert streckenweise an die alten SST-Recken DC3, deren Paul Roessler ihn auch live begleitete, auf Platte war es ein gewisser Pete Mazich, Schlagzeug, und natürlich Watts Bass und seinen knödeligen Sprechgesang, dem von David Thomas nicht ganz unähnlich.

Man sprach da gern mal von Rockoper, was aber die Tatsache verzerrt, dass auch "The Secondman's Middle Stand" musikalisch nicht wirklich weit entfernt von fIREHOSE und den MINUTEMEN ist, was den Anteil von Jazz und seltsamen Breaks innerhalb der Songs angeht.

Wer da von komplex, unzugänglich oder schwierig sprach, bei dem fragte man sich, was derjenige wohl in den letzten Jahren für Zeug gehört hatte, bzw. schien das wohl auch ein Indiz für die butterweiche Durchschnittlichkeit der meisten Bands und Platten zu sein, die gerade innerhalb des Indie-Bereichs so populär sind.

"The Secondman's Middle Stand" ist jedenfalls das Mitreißendste, Ehrlichste und Beste, was Watt seit dem Ende von fIREHOSE aufgenommen hat, und schon der Opener "Boilin' blazes" besitzt eine unwiderstehliche Anziehungskraft und Songs wie "Pissbags and tubing" oder "The angels gate" erreichen auch ohne Gitarre problemlos die Dynamik von MINUTEMEN-Klassikern wie "Bob Dylan wrote propaganda songs", auch wenn Watts Songs jetzt etwas länger dauern und um größere Vielschichtigkeit bemüht sind.

Ein fantastisches Album, das man immer und immer wieder hören kann, und dabei neue Facetten entdeckt, was ich nur über wenige Platten der letzten Zeit sagen kann. Watt bleibt jedenfalls mit diesem persönlich gefärbten musikalischen Statement nach wie vor die perfekte Verkörperung eines tatsächlich gelebten Punkrockspirits und nimmt hoffentlich demnächst noch ein paar schöne Platten dieser Güte auf.

Als Bonus gibt es noch eine DVD mit zwei "Videos" zu "Beltsandedman" und "Tied a reed 'round my waist", wo man Watt u.a. beim Paddeln, im Studio und zusammen mit seinem alten Kumpel Raymond Pettibon sehen kann.

(10)