Die Romane von Kurt Vonnegut Jr. gelten als Klassiker der Science Fiction-Literatur, ließen sich aber eigentlich kaum in den engen Grenzen des Genres unterbringen, denn die Geschichten des studierten Anthropologen kreisten immer mehr um gesellschaftliche Gegenentwürfe und humanistische Gedankenmodelle.
So ein Fall ist auch sein wohl bekanntester Roman "Slaughterhouse Five" (dt.: "Schlachthof 5 oder Der Kinderkreuzzug"), in dem Vonnegut seine Erlebnisse als Kriegsgefangener in Deutschland verarbeitete, wo er die Luftangriffe auf Dresden und die Zerstörung der Stadt durch alliierte Bomber miterleben musste.
Das Motiv der Zeitreise ist das, was "Slaughterhouse Five" mit der Science-Fiction-Literatur verbindet, ansonsten geht es Vonnegut vor allem um eine Analyse der menschlichen Beschaffenheit, verbunden mit einer starken Antikriegs-Thematik, in deren Mittelpunkt Billy Pilgrim steht, der in der Zeit hin und her springt und verschiedene Ereignisse seines Lebens noch einmal erlebt.
Ob es sich dabei um eine tatsächliche Zeitreise durch Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft dieser Figur handelt oder nur um Halluzinationen und phantastische Rückerinnerungen durch eine posttraumatische Belastungsstörung (nachdem Pilgrim gerade noch einen Flugzeugabsturz überlebt, kommt dessen Frau bei einem Autounfall bei der Fahrt zum Krankenhaus ums Leben), das kann sich der Leser selbst zusammenreimen.
Eine seltsame, tragikkomische Odyssee, die Pilgrim in schnellem Wechsel vom 2. Weltkrieg über die Gegenwart nach dem Tod seiner Frau in die Zukunft führt, wohin ihn Außerirdische vom Planeten Tralfamadore entführt haben, die wollen, dass er sich mit einem ebenfalls entführten Hollywoodstarlet paart.
Drei Jahre nach Erscheinen des Buches entstand unter der Regie von George Roy Hill (BUTCH CASSIDY AND THE SUNDANCE KID) ein gleichnamiger Film, der deutlich dessen Handschrift trägt und sowohl extrem tragische und nachdenkliche als auch humorvolle Momente besitzt.
Vor allem für letzteres steht wohl die unglaubliche Amokfahrt von Pilgrims Frau mit ihrem hübschen weißen Cadillac, die auf ihrem Weg zum Krankenhaus, wo Pilgrim nach dem Flugzeugabsturz liegt, eine Spur der Verwüstung zurücklässt - man glaubt plötzlich im Blechschaden-Klamauk von AUF DEM HIGHWAY IST DIE HÖLLE LOS gelandet zu sein.
Wie so viele Literaturverfilmungen wird auch Hill Vonnegut nur bedingt gerecht, auch wenn der Film ohne das Wissen um das Buch, dessen tiefgründigen Inhalte stark trivialisiert werden, recht gut funktioniert, vor allem wenn man ihn als Schwarze Komödie im Fahrwasser von CATCH 22 (1970) ansieht.
Außerdem wird in SCHLACHTHOF 5 Pilgrims Springen durch die Zeit elegant umsetzt und dabei eine faszinierende Form filmischer Magie erzeugt, die eine gewisse inhaltliche Eindimensionalität zum Teil wieder verzeihlich macht, alleine schon durch Hills gekonntes Aufgreifen des absurden Fatalismus' von Vonneguts Vorlage.
Hinzu kommt die schöne Musik des Klassik-Komponisten Glenn Gould. Man sollte Vonneguts Buch aber zum direkten Vergleich auf jeden Fall gelesen haben. Ein sehenswerter, nicht dummer Film, vor allem wenn man ein Fan von George Roy Hill ist, wenn auch keine Sternstunde in Sachen Literaturverfilmungen - Hills THE WORLD ACCORDING TO GARP war in dieser Hinsicht erfolgreicher.
Die DVD wartet mit gutem Ton und Bild auf, die deutsche Tonspur ist allerdings recht dumpf, deutsche Untertitel fehlen, und als Bonus gibt es den Original-Trailer, eine Bildergalerie und ein Booklet mit einem informativen Text von Olaf Möller.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #77 April/Mai 2008 und Thomas Kerpen
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #100 Februar/März 2012 und Gary Flanell
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #162 Juni/Juli 2022 und Anke Kalau