Regisseur Richard Linklater hat über zwölf Jahre hinweg eine Kindheitsgeschichte verfilmt. „Boyhood“, eine Ansammlung eigentlich ganz gewöhnlicher Alltagsbeobachtungen, die gerade wegen der der scheinbaren Banalität innewohnenden Detailliertheit so sehr berührt.
Für „Esthers Tagebücher“ gilt Ähnliches, Riad Sattouf („Meine Beschneidung“, „Der Araber von Morgen“) plant ein auf acht Jahre angelegtes Projekt, in dem er Esthers Aufwachsen in aller Ausführlichkeit festhält.
Ausgangspunkt sind dabei weniger Sattoufs eigene Erfahrungen, denn jene aus der gegenwärtigen Kinder- und Jugendwelt, die ihm die Tochter eines Freundes im regelmäßigen persönlichen Austausch näherbringt.
In diesem, dem ersten Teil der Reihe lebt Esther mit ihrer Familie (Vater, Mutter, Bruder) in Paris, fährt in den Ferien zu ihrer Oma, ist eifersüchtig auf ihrer ungeborenes zweites Geschwisterchen, begeistert sich für einen französischen Gitano, hasst die Schule (bis auf die Pausen), streitet sich mit ihrem Bruder, reibt sich an elterlichen Vorschriften, bekommt ihren ersten Kuss und wird von diversen Jungen belästigt.
Sattouf (respektive Übersetzer Pröfrock) lässt Esther erzählen und den für dieses Alter typischen naiven und doch selbstbewussten Ton lebendig werden. Warum sollte ein Erwachsener das lesen? Weil es gesellschaftliche Realitäten und Entwicklungen wertungsfrei wiedergibt.
Die Lehren daraus muss der Leser selbst ziehen. Eine Woche pro Seite, in sich abgeschlossen, mit klarem Strich gezeichnet und jeweils (unterschiedlich) zweifarbig koloriert und ergänzt von etlichen in französischer Schreibschrift verfassten kleinen Randkommentaren.
52 Seiten. Ein Jahr. Kunststück.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #138 Juni/Juli 2018 und Anke Kalau
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