Eine Indie-Band waren die RAMONES zu ihren Lebzeiten nie, aber jetzt, posthum, sind sie es doch noch geworden: Captain Oi! haben sich doch tatsächlich einen Teil des RAMONES-Kataloges gesichert und jetzt die ersten vier Titel wiederveröffentlicht, alle im Pappschuber, mit Bonustracks und einem, wie von diesem Label nicht anders gewohnt, informativen Booklet mit Fotos, Texten und Hintergrundinfos von Monte A.
Melnick und Frank Meyer. Wer die Alben noch nicht besitzt, sollte spätestens jetzt zuschlagen. "Brain Drain“, das elfte RAMONES-Album, erschien 1989 und war die letzte Scheibe mit Dee Dee, der sich danach als Rapper versuchte und gerechterweise auch voll auf die Schnauze fiel mit seinem (C)Rap.
Dafür kehrte Marky Ramone zur Band zurück. Mit "I believe in miracles“ und "Pet sematary“, dem Titelsong des gleichnamigen Films nach dem Buch des erklärte RAMONES-Fans Stephen King sind hier zumindest zwei Songs enthalten, die es in jede RAMONES-Hitsammlung geschafft haben, während die restlichen zehn Songs dann eher typische Spätwerk-Songs sind - nicht schlecht, aber auch nicht herausragend.
Zwei der Tracks hier ("All screwed up“, "Ignorance is bliss“) listen übrigens Andy Shernoff von den mächtigen DICTATORS als Co-Songwriter, aber das nur als "Trivia“ am Rande. Naja, und "Merry christmas (I don‘t want to fight tonight)“ hat dann auf jeden Fall einen hohen Trash-Faktor als Weihnachtslied mit Glöckchen und so.
Als Bonus gibt‘s noch eine alternative Version von "Pet sematary“, die "Bill Laswell version“, der das Album auch produziert hat. Von der Single "Pat sematary“ mal abgesehen blieb diese letzte Album für Sire in kommerzieller Hinsicht einmal mehr hinter den Erwartungen zurück.Als drei Jahre später, also 1992, "Mondo Bizarre“ erschien, war das große Punk-Revival, das mit GREEN DAY und OFFSPRING folgen sollte, zwar noch kein Thema, aber die ganzen Grunge-Bands nannten die in die Jahre gekommenen RAMONES auch gerne mal als Inspiration.
Mit "Mondo Bizarre“, ihrem zwölften Longplayer, hofften die RAMONES dann doch noch mal etwas Aufmerksamkeit über den Kreis ihrer überzeugten Fans hinaus auf sich zu ziehen. Dee Dee trug trotz seiner Ausstiegs als Songwriter zur Band bei, ebenso Marky, CJ war erstmals an einer Aufnahme beteiligt, und Ed Stasium produzierte.
Das Ergebnis war ein Album, das wie der Vorgänger zwar kein wirtschaftlicher Erfolg wurde, aber die Tourmaschinerie lief ja wie geschmiert und rückblickend sind mit "Poison heart“, "It‘s gonna be alright“ und "Touring“ zumindest drei okayne Songs enthalten, aber auch "Tomorrow she goes away“ ist der Beweis, dass die RAMONES selbst mit halber Kraft noch bessere Songs schreiben konnten als 99% der sonstigen Bands mit größter Anstrengung.Und dann kam "Acid Eaters“, das Album, auf dem die RAMONES ihre liebsten Songs aus den Sechzigern covern - nachdem sie für "Mondo Bizarre“ schon "Take it as it comes“ von den DOORS aufgenommen hatten.
Schon als die Scheibe 1994 erschien, gefiel sie mir besser als alles, was die Band seit "Too Tough Too Die“ gemacht hatte. Denn es gilt hier einmal mehr: An ihren Coverversionen sollt ihr sie erkennen! Und die RAMONES wissen einfach, wie man covert, einem Song seinen Stempel aufdrückt, ohne ihn zu zerstören - und wenn das mal all die Gurkentruppen da draußen kapieren würden ...
Und so wurden hierfür zwölf sorgsam ausgesuchte Sixties-Klassiker "ramonisiert“, mit begeisterndem Ergebnis: CCRs "Have you ever seen the rain“, THE WHOs "Substitute“ (mit Pete Townshend als Studiogast), "When I was young“ von den ANIMALS, "The shape of things to come“ von MAX FROST & The TROOPERS oder "Out of time“ von den ROLLLING STONES, ganz zu schweigen von den beiden BEACH BOYS-Klassikern "Surf city“ bzw.
"Surfin‘ safari“ (der Bonus-Track hier). Mit "Adios Amigos!“, dem dreizehnten regulären Album, das 1996 erschien, war dann das Kapitel RAMONES endgültig abgeschlossen, und auch diese Platte erschien, bevor sich plötzlich jeder und alle als große RAMONES-Fans outeten und sie in Hollywood auf dem "Walk Of Fame“ ihren Stern bekamen.
Joey war da schon sehr krank, und wenn der knappe Text von "Life‘s a gas“ lautet "Life‘s a gas, life‘s a gas, life‘s a gas oh yeah. So don‘t be sad ‚cos I‘ll be there, don‘t be sad at all“, dann hat man das Gefühl, da wusste einer, dass er nicht mehr lange zu leben hat.
Enttäuschend für die Band, aber ansonsten nicht unerwartet, wurde auch "Adios Amigos!“ kein plötzlicher, später Hit, sondern ist ein ehrenhaftes Abschiedsalbum, auf dem sie neben eigenen Songs verschiedenster Songwriter-Kombinationen auch zwei Fremdkompositionen spielen: Der Opener "I don‘t want to grow up“ mit seinem zur Band passenden Titel ist im Original von Tom Waits, und "I love you“ stammt von Johnny Thunders.
Als Bonus findet sich dann noch die RAMONES-Version von "R.A.M.O.N.E.S.“, mit dem sich ja kurz zuvor MOTÖRHEAD vor eben denen verbeugt hatten. Zu den schönsten Songs der RAMONES ever zählt dann sicher "She talks to rainbows“, geschrieben von Joey, und auch der Rest enttäuscht nicht.
"Adios Amigos!“ ist ein ehrenvolles Abschiedsalbum von einer der besten und größten Punkbands ever.
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