JIMMY EAT WORLD

Clarity

Endlich! Endlich ist es soweit. EMI-Deutschland hat das Wunder tatsächlich vollbracht! Das dritte Album von JIMMY EAT WORLD aus Mesa, Arizona erblickt nun auch in unseren Breiten das Licht der CD-Abteilungen - und dies mit fast zweijähriger Verspätung.

Zwar wird der größte Teil der Fans sich dieses Meisterwerk schon anderweitig besorgt haben, aber nun ist es auch dem Ottonormalhörer erlaubt, sich "Clarity" im Laden seines Vertrauens zu besorgen.

Ein Wunder? Vielleicht. Das Album? Auf jeden Fall! Hier liegt er vor mir, dieser zum Heulen schöne Meilenstein, eines der wichtigsten Alben der neueren Alternative Rock-Historie. Oder sagen wir ruhig das Edelste, was uns das Emocore-Genre zu bieten hat.

Inwiefern dies noch Emo oder Core oder sonstwas ist, soll jeder für sich selbst entscheiden. Das hier ist einfach schöne Musik, wunderbare Musik. Musik für jede Lebenssituation. Ist man deprimiert, so hilft einem dieses Album sich in Selbstmitleid zu suhlen.

Ist man freudig erregt, so unterstreichen die Songs diese Stimmung und eine gewisse Euphorie und Wärme machen sich in den Eingeweiden des Hörers breit. "Clarity" ist auch ein Album, das mit der Zeit wächst und wächst und wächst.

Die unglaublich aufwändigen, derart detailreich ausgestatteten Songs lassen einen bei den ersten 5-8 Hördurchgängen kontinuierlich Neues entdecken. Aber gerade nachdem man meint alles entdeckt zu haben, schwächt die Lust beim Hören nicht etwa ab, sondern wird durch die mittlerweile unendlich liebgewonnenen Songperlen immer wieder auf ein Neues entfacht.

JIMMY EAT WORLD beweisen nach dem schon großartigen "Static Prevails" und dem verschwiegenen selbstbetitelten Debüt, dass sie wahre Meister der Inszenatorik von Stimmungen sind. Auch wenn die Stimmung auf diesem Album zum größten Teil eher ruhig ausfällt.

"Table For Glasses", eine Ballade, die in ihren orchestralen Ausmaßen ihresgleichen sucht gleich zu Anfang, das ist mutig, gibt dem Hörer aber auch zugleich die Marschrichtung vor. Danach folgt der mittlerweile bekannte Poprocker "Lucky Denver Mint".

Und so geht es weiter, mal rockiger wie "Your New Aesthetic", "Crush" oder "Blister", doch meist bedächtig und wunderschön ("A Sunday", "12.23.95.", "For Me This Is Heaven"). Dabei machen Jimmie Eat World vor kaum einem Instrument halt um ihren Songs Energie oder Tiefe zu verleihen.

Es gibt Streicher, elektronische Spielereien, Glockenspiel, Farfisa und Casiotone. Das Sortiment wirkt schier unerschöpflich aber es entsteht nie der Eindruck von Überfrachtung. Hinzu kommt der unglaublich vielfältige, manchmal energetische, manchmal engelsgleiche Gesang von Frontmann Jim Adkins, der durch den Effekt der Mehrstimmigkeit ganze Herrscharen von Gänsehäuten den Rücken hinabziehen läßt.

Und wäre das Album nicht schon großartig genug, kommt es im abschließenden 16-Minüter "Goodbye Sky Harbour" zu einem der grandiosesten Abschlüsse, die eine Platte nur besitzen kann. Beginnen tut der Song erst rockig, durchwandert dann mehrere Passagen, bis er letztendlich auf ein Grundgerüst von Chören, synthetischen Beats und Percussion reduziert ausklingt.

Und wer von euch die gerade eben zu Ende gegangene Tour verpasst hat, der ist selber schuld.