John Reis aka Speedo erlebt gerade offenbar seinen gefühlten vierten bis sechsten Frühling und ist, nachdem die ersten drei herausragenden LPs der HOT SNAKES bereits auf Sub Pop wiederveröffentlicht wurden, mit „Jericho Sirens“ konsequenterweise ebenfalls auf ebenjenem Label gelandet.
Also Seattle statt Swami/San Diego/D.I.Y. Gut, da kann man sich auf die wesentlichen Dinge konzentrieren. Zusammen mit seinem alten Band- und Collegekollegen Rick Froberg (DRIVE LIKE JEHU, PITCHFORK) läuft die Heiße-Schlangen-Maschine erneut zur Höchstform auf.
In gerade mal knapp dreißig Minuten gibt es volle zehn Songs, allesamt relaxt, locker aus dem Handgelenk geschüttelt, bei denen man automatisch mit den imaginären spitzen Schuhen zu den hibbeligen, kurz angeschlagenen Akkorden mitwippt, wenn nicht gerade wie bei „Why don’t it sink in?“ der perfekte Soundtrack zu einer Downhillfahrt mit dem Mountainbike abgespult wird.
Die Handschrift ist unverkennbar, die Stücke so kurz und prägnant, wie es sein muss, wenn man Punk verstanden hat. Ganz nebenbei gönnt man sich keine Coverversionen, sondern vielmehr wie echte Könner ein paar Zitate, bei denen du selber rausfinden darfst, um was es geht.
Da wäre der Anfang von „Having another“, dessen Gitarren BIG BLACK zu Ehren gereicht hätten oder bei „Death of a sportsman“ ein paar Takte aus „Youth of America“ von den WIPERS. Die WIPERS wären übrigens steinreich, hätte jeder nur einen Dollar an Greg Sage pro Anleihe oder Cover abgedrückt.
Die scheinbare Leichtigkeit, mit der die Band einen so druckvollen und kräftigen Sound zaubert, ist so faszinierend, dass die Scheibe nach dem ersten Durchlauf gleich noch fünf weitere bekam, weil die Hitdichte immens hoch ist und die Platte so kurz, dass es keine Füller gibt, mit denen Langeweile aufkommen könnte.
Was ich an der CD-Version vermisse, ist ein Textblatt, um die Nettigkeiten von Speedo vor allem in Stompern wie „Death doula“ nachlesen zu können. Habe ich das wirklich richtig verstanden? Der Humor von John Reis, der sich durch die besten Releases von ROCKET FROM THE CRYPT und bis heute alle seiner ihm wichtigen Bands zieht, ist ungebrochen, ebenso wie das Gefühl, dass nur die wirklich relevanten Veröffentlichungen über diese basslastige Wärme verfügen.
Das fühlt sich wohlig an und vereint gleichermaßen die Quintessenz von DRIVE LIKE JEHU in konsequenter Fortsetzung, ebenso wie RFTC ohne Bläser und Ballast in Sportschuhen. Eine verdammt gute Platte, und, wie manche früher an dieser Stelle gesagt hätten, „heißer Scheiß“, für den Sup Pop mittlerweile wieder ein echter Garant geworden ist.
Ein derartiges Comeback für ein Label ist mir so nicht bekannt, zeugt aber von dem Gespür und der unbedingten Hingabe zur Musik von Leuten, die es eigentlich gar nicht mehr nötig hätten.
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