Bei der Besprechung des neuen MARS VOLTA-Albums stellte ein Rezensent fest, der Prog-Rock der späten Sechziger und Siebziger habe wieder sein schreckliches Haupt erhoben. Ein schöner Satz, der zum Ausdruck bringt, wie sich die Wahrnehmung von Musik über die Jahre und Jahrzehnte verschiebt.
Punk, so will es die Legende (und ein Mark Perry, siehe Ox-Interview, hat da wieder eine ganz andere Meinung), war auch Protest gegen die Rock-Dinosaurier der Siebziger, gegen bombastische, nur noch in Stadien und mit enormem Aufwand auf riesigen Bühnen live vollziehbare Musik von Bands wie PINK FLOYD, YES, GENESIS und eben auch KING CRIMSON.
Wenn nun 25, 30 Jahre später Bands wie MARS VOLTA oder ... AND THEY WILL KNOW US BY THE TRAIL OF DEAD, aus der Punk- und Hardcore-Szene stammend, auf ihrem langen Weg und bei der anstrengenden Suche nach eigener Musik wieder da landen, wo andere schon vor vielen Jahren standen, kann man das als Witz der Musikgeschichte deuten, darüber lamentieren, es einfach so hinnehmen, aus dem Bauch heraus gut finden oder verabscheuen, aber es dient doch auch dazu, zu hinterfragen, sich mit Legenden (im Sinne von Geschichten unbekannten Wahrheitsgehaltes) zu beschäftigen.
Und vor allem: Darf Punk alles? Eine Frage, die sich die Engländer KING CRIMSON und ihr Mastermind Robert Fripp bei ihrer Gründung 1969 sicher nicht gestellt haben, die man aber bei einem Hinweis in einem Punk-Heft auf die Wiederveröffentlichung der drei essentiellen KING CRIMSON-Alben in remasterter Form schon stellen sollte.
Musikalische Denkverbote tun sicher nicht gut, eine Betrachtung von Platten und Bands losgelöst von ihrem historischen Kontext aber auch nicht. Und wenn heute jede zweite US-Post-Punk-Band sich auf Krautrock-Einflüsse beruft, schreit ja auch nicht gleich jeder auf.
"In The Court Of The Crimson King", laut Meinung vieler damaliger Kritiker das ambitionierteste Album der Progressive Rock-Bewegung, erschien 1969, erfuhr sogleich Chartserfolge in UK und den USA, doch Ende des Jahres war die Band nach dem Ausstieg von drei Mitgliedern schon beinahe wieder am Ende.
Doch Fripp machte weiter, mit neuen Mitglieder, und so entstand Anfang 1970 "In The Wake Of Poseidon", und im Herbst des Jahres auch schon Longplayer Nummer 3, "Lizard", nach weiteren Drehungen des Personalkarussells mit Jon Anderson von YES als Gastsänger.
Fripp und Co. waren also alles andere als unproduktiv, ja die Musikpresse ließ sich damals sogar zu Sätzen wie "If Wagner were alive he'd work with Crimson" hinreißen, und das sagt eine Menge aus - über Genie und Wahnsinn, über Anspruch und Komplexität der aus Rock, Jazz und Klassik gleichermaßen schöpfenden epischen Kompositionen.
Es folgten dann bis 1974 noch weitere Alben, eingespielt von ständig wechselnden Besetzungen, bevor KING CRIMSON erstmal abdanken musste. Fripp machte bald darauf aber doch wieder unter dem Namen KING CRIMSON weiter, und bis heute existiert die Band, 2000 erschien das letzte Album.
"In The Court Of The Crimson King", "In The Wake Of Poseidon" und "Lizard", die hier in von Fripp selbst remasterter Form, teils mit Bonustracks und aufwendigem Booklet vorliegen, sind sicher die essentiellen Teile der ausufernden KING CRIMSON-Diskographie, die man vielleicht nicht unbedingt mögen, aber doch zumindest mal gehört haben sollte.
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