ROKY ERICKSON

Gremlins Have Pictures

Der beste Bullshit-Detector zum Erkennen gefaketen Musik-Halbwissens ist die Bitte, den Namen Roky Erickson aufzuschreiben. Wer dann den Namen eines triefäugigen Boxers mit dem eines schwedischen Telekommunikationskonzerns kombiniert, ist leider raus ...

Der 1947 geborene Texaner Roger Kynard Erickson ist ein popkulturelles Phänomen: 1965 gründete er in Austin die bis 1969 aktive Psychedelic/Garage-Rock-Band THE 13TH FLOOR ELEVATORS. Vier Alben entstanden in dieser kurzen Zeit, die Band gilt als Pionier des Psychedelic-Rock-Genres und hatte auch Einfluss auf diverse (Proto-)Punkbands der Siebziger.

Ihrem Genre entsprechend waren Drogen wie LSD und Hasch nie fern, und als Erickson 1969 wegen des Besitzes von Marihuana angeklagt wurde, entschied er sich, um einer wohl mehrjährigen Gefängnisstrafe zu entgehen, stattdessen für die Psychiatrie.

Die Band war damit am Ende. Schon 1968 war Erickson allerdings aufgefallen, als er bei einem Auftritt zusammenhangsloses Zeug geredet hatte. Bei ihm wurde Paranoide Schizophrenie diagnostiziert, im Krankenhaus wurde er zwangsweise mit der damals beliebten Elektroschocktherapie behandelt.

Als er 1969 dann in die Psychiatrie eingewiesen wurde, blieb er die nächsten fünf Jahre dort, unternahm mehrere Fluchtversuche. Nach seiner Entlassung gründete er 1974 BLEIB ALIEN, eine Band, deren Namen mit den deutschen Worten „Bleib“ und „allein“ sowie dem englischen „alien“ spielte und sich inhaltlich der Horror- und Science-Fiction-Thematik widmete – wenn man will, die Band zum damals noch anhaltenden B-Movie-Boom.

Die nächsten Jahre verliefen in künstlerischer Hinsicht recht erfolgreich für Erickson, er veröffentlichte unter dem Namen ROKY ERICKSON AND THE ALIENS diverse Platten, das titellose Debüt erschien 1980 sogar auf CBS.

Rokys psychische Probleme verschlimmerten sich unterdessen, 1982 behauptete er, ein Marsianer habe seinen Körper „besetzt“, er entwickelte zudem einen „Post-Tick“, beschäftigte sich stundenlang mit an ihn gesendeter Werbepost, schrieb Briefe an Anwälte und Prominente, wurde 1989 sogar verhaftet, weil er Briefe seiner Nachbarn gestohlen und (ungeöffnet) an seine Zimmerwand gehängt hatte.

In all diesen Jahren machte Erickson weiterhin Musik, schrieb Texte über Zombies, Dämonen und den Teufel, verschwand nie aus dem Fokus interessierter Musikerkollegen, die ihm vielfach mittels Coverversionen Tribut zollten.

2001 schließlich nahm Rokys jüngster Bruder Sumner Erickson sich seiner an, wurde dessen Vormund und sorgte dafür, dass diesem endlich eine vernünftige medizinische Behandlung zuteil wurde.

Möglich wurde das unter anderem dadurch, dass Roky endlich wieder Royalty-Zahlungen für seine Musik erhielt und damit für seinen Lebensunterhalt gesorgt war. 2005 war Erickson wieder so fit, dass er sogar den Führerschein machen konnte und vereinzelt wieder auftrat, und 2010 erschien sogar ein neues Album, mit OKKERVIL RIVER als Backing-Band, er ging auf Tour – ein unglaubliches Happy End zu einer Story, die auch weniger schön hätte enden können.

Light In The Attic hat nun die drei Alben „The Evil One“ (1981), „Don’t Slander Me“ (1986) und „Gremlins Have Pictures“ (1986) neu aufgelegt, und speziell „The Evil One“ ist das ideale Einstiegswerk, um den einzigartigen Mix aus Psychedelic, Hardrock und Garage kennen zu lernen – Rokys Gesang ist immer wieder Gänsehaut erregend, und wem sonst sollte man die Geschichten abnehmen, die in Songs wie „Two headed dog“, „I walked with a zombie“, „Night of the vampire“, „It’s a cold night for alligators“, „I think of demons“, „Creature with atom brain“, „Don’t shake me Lucifer“ oder „Bloody hammer“ erzählt werden.

Im Gegensatz zu all diesen lächerlichen Horror-Kasperbands mit ihren auf „evil“ getrimmten Kindergeschichten ist das hier „the real shit“. Die Neuauflagen kommen mit dicken Booklets mit massig Fotos und Linernotes sowie diversen Bonustracks.