Viele Bands setzen auf oberflächliche Reize, stellen die (meist wenigen) Merkmale ihrer Musik in den Vordergrund, damit man sie bloß nicht überhört. Daneben gibt es solche Bands, die so unglaublich viele Elemente in ihrer Musik vereinen, dass man nicht nur länger braucht, um diese zu entdecken, man muss auch den Willen dazu aufbringen.
GEISHA sind so eine Band. die ihre Vielschichtigkeit zu allem Überfluss auch noch hinter einer Wand aus übersteuertem Krach versteckt. Der Zugang zum zweiten Album des aus dem englischen Bristol stammenden Quartetts ist dann auch kein leichter: der sperrige Noiserock mit Betonung auf Noise verweigert sich einer eindeutigen Kategorisierung, da finden sich Elemente aus Industrial und Ambient, da wird von extremer Langsamkeit bis hin zu Blastbeats jedes Tempo verarbeitet, da steht ein beinahe schon straighter Rock-Moment zwischen psychedelischen (Alp-)Träumerein und einer Lärmwand, da ist der Gesang bis zur Unkenntlichkeit verzerrt.
Beeindruckend dabei ist, das GEISHA den Noise nie zum Selbstzweck werden lassen, hier und da kleine Melodien oder groovige Bassläufe integrieren und damit ihren Songs einen Wiedererkennungswert verleihen.
Denkt man aber nach dem Hören der ersten fünf Songs von „Die Verbrechen der Liebe“, dass man es hier trotz allem mit einer Rockband, wenn auch einer unkonventionellen, zu tun hat, wechseln GEISHA im dreißig Minuten langen „Theme from Diana“ abrupt die Richtung: ein instrumentales Ambient-Mammut-Stück mit etlichen Soundcollagen und Sprachsamples, das in einer brutalen White-Noise-Wand gipfelt.
Warum GEISHA als Albumtitel den deutschen Titel einer Sammlung von Erzählungen des Marquis de Sade gewählt haben, bleibt unbeantwortet, ein sexuelles Thema zieht sich aber auch durch die meisten Songtitel: „Cocktown & the G boys“, „Stop talking, let’s fuck“, „Sportsfister“, „Prelude to Amber pays the rent“.
Eventuell sehen die Engländer ihre Musik ja als Interpretation der (erdachten?) sexuellen Fantasien des Marquis. Was diese noch schmerzhafter erscheinen lässt, als sie sich eh schon lesen.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #81 Dezember 2008/Januar 2009 und André Bohnensack