PROPAGANDHI

Failed States

Hatte ich gehofft, PROPAGANDHI würden bereits 2011 mit einem Album nachlegen, wurde stattdessen viel in der Welt herumgetourt. Man nahm sich erst danach Zeit, einen würdigen Nachfolger für den in höchsten Tönen gelobten Vorgänger „Supporting Caste“ zu produzieren.

Ein erster Proberaummitschnitt verriet schon, dass sie nicht mehr von der eingeschlagenen Richtung abweichen würden. Der Titeltrack „Failed states“ sowie „Duplicate keys icaro (An interim report)“ machten ein paar Monate vor Veröffentlichung bereits im Internet die Runde und sorgten für rege Diskussionen.

Während die einen fanden, die Nummern seien furchtbar komplex und ein unsägliches Gitarrengefrickel, wurden für die anderen die Erwartungen übertroffen. Letzterem kann ich nur zustimmen! Wenngleich ich kein Fan der ersten Stunde bin, weil ich mit den ersten Sachen der Band, unabhängig von den engagierten Lyrics, musikalisch nichts anfangen konnte, nahm ich die Band erstmals wahr mit dem Album „Today’s Empires, Tomorrow’s Ashes“.

Hier wurden die ersten grundlegenden musikalischen Impulse einer Veränderung gesetzt, offenbar maßgeblich beeinflusst durch das neue Mitglied Kowalski, der Samson am Bass ablöste. Seitdem häufen sich die progressiven Rock- und (Thrash-)Metal-Anteile von Platte zu Platte.

Natürlich werden die Stücke dadurch komplexer, aber etwas anderes würde mich enttäuschen. Wer sich mit den letzten Alben auseinandergesetzt hat, wird dies umso mehr zu schätzen wissen. Dennoch sind PROPAGANDHI weit davon entfernt, sich in virtuosem Gedudel zu verzetteln, was ihnen irgendwelche Punk- und Hardcore-Leute ankreiden wollen, nur weil ihnen wohl die intensivere Auseinandersetzung mit einem Album auf musikalisch hohem Niveau zu anstrengend ist.

Die Stücke bleiben extrem eingängig, gehen immer nach vorne und machen vor allem auch wegen der interessanten Texte Spaß, egal, ob die Nummer 1:05 oder 5:56 Minuten dauert. Die Stücke sind immens abwechslungsreich und kommen immer auf den Punkt, ob nun Thrash-Attacken, ruhige Passagen, die einen progressiven (Heavy-)Rock-Charakter à la Achtziger Jahre versprühen, oder hinführende Midtempoteile.

PROPAGANDHI sind einzigartig und unverwechselbar und verzichten vor allem im Gesang auf stumpfes Gebrüll oder Gekeife. Endlich eine Band, die mit „Failed States“ musikalisch nach einem Album wie „Supporting Caste“ die Messlatte noch einmal höher legen kann, sich keinerlei Belanglosigkeit in den Texten erlaubt und sich dahingehend weiterentwickelt, dass sie genre- und szenenübergreifend ist und einfach ihr ganz eigenes Ding macht.

Für den ungeübten Hörer bedarf es lediglich mehr Geduld, was in unserer schnelllebigen Zeit und in einer Überflussgesellschaft allgegenwärtigen (kostenlosen) Musikkonsums ein wertvolles Gut darstellt, um dieses Album zu verstehen.

PROPAGANDHI-Fans, die spätestens „Potemkin City Lights“ großartig fanden, dürfte das überhaupt nicht schwer fallen, so dass all die vorher geführten und noch kommenden Diskussionen darüber ziemlich überflüssig waren und sind.