Die HARA-KEE-REES aus Köln legen mit "Explode!" ihr Debüt vor, welches seinen Titel keineswegs zu Unrecht trägt. Bandname und ein Blick auf's 60s-Style-Cover lassen ahnen, was musikalisch kredenzt wird, schon das Front-Foto der fünf jungen Herren (komisch, keiner trägt 'ne schwarze Hornbrille...) spricht Bände.
Hat man dann die 180 g schwere LP auf den Plattenteller gewuchtet und das denkmalträchtig-biedere Intro der Schallplattenindustrie längst vergangener Tage über sich ergehen lassen, geht's zügig nach vorne los.
Vom ersten Takt an herrscht hier Dynamik und Action, die sich bei Leuten, die auf 60s Northwest Garage im Stil von THE SONICS und THE WAILERS abfahren, in unvermeidbaren Ganzkörper-Zuckungen äußern wird.
In meinem Fall kam es sogar zu spontanen Beifallsstürmen und begeisterten Rufen ... Und sofort fährt einem der Sound in die Glieder, schon beim Opener wird einem klar, dass diese LP nicht nur hörbar, sondern am ganzen Leib spürbar ist.
Mann, das ist fett, aber dennoch dreckig, rotzig und immer voll im roten Bereich. Und dann diese Instrumentierung! Orgeleinsatz wird groß und richtig geschrieben, d.h. die Orgel wird hier nicht alibimäßig eingesetzt, um authentischen 60s Punk vorzutäuschen, nein, ohne Tasten würde hier was ganz Entscheidendes fehlen.
Die Rhythmus-Sektion aus Bass und Drums knallt, scheppert und tritt, die Gitarre (ohhh, dieser Sound!) ist erfreulich wenig fuzzy und der Gesang bringt wirklich ein Gefühl von Teenage-Trauma, Teenage-Hate und von unbewältigten Problemen mit Mädchen und Akne rüber, so dass ich - von Frauen und Umwelt stets mißverstanden und als Brillenträger verlacht - gar nicht anders kann, als alle Regler meiner Anlage bis zum Anschlag nach rechts zu schrauben und zu schreien "So ist es, Mann!".
Hier klingt alles, wie es soll (und muss) und "Trash" ist hier nicht zufällig durch miese Studios bedingt, wie es ja bei vielen der heute unter prä-Punk laufenden 60s Bands der Fall war. Tja, die wollten damals eigentlich "gut" und sauber klingen, konnten sich sowas aber nicht leisten und waren genötigt, in schäbigen Besenkammern mit einem Mikro aufzunehmen.
Hier hingegen traf man mit dem Studio und Mixer die richtige Wahl und herausgekommen ist ein fulminantes Album, das nicht einen einzigen Füller, sondern zwölf mitreissende Hits ins heimische Musikzimmer und/oder auf die Tanzfläche tritt.
So finden sich hier klassische orgelige Garagen-Nummern, ein paar sehr flotte punkige Stücke und auch zwei Midtempo-Songs. Und das Beste: Keine ätzenden nervigen Soli, die die Songs nur unnötig in die Länge ziehen, nee, die HARA-KEE-REES mögen's schön kompakt und überzeugen durch eine unaufdringliche Detailverliebtheit im Songwriting, Arrangement und der Art zu spielen, der man sich als Fan von Mid-Sixties-Punk einfach nicht entziehen kann.
So z.B. bei der für mich heißesten Nummer "Hara-Kee-Ree for life" mit fantastischen Saxophon (viel zu selten!), dieser Song ist eine Blaupause des Begriffes "Frat"! Erstaunlich auch, dass man nur einen einzigen (ausgezeichneten) Cover-Song findet, nämlich "I know" von SHEPHERD'S HEARD, welcher im Original auf " The world ain't round, it's square" der "Teenage Shutdown"-Serie von Crypt nachzuhören ist.
Und Leute, die auf Crypt-Records stehen, die mag ich. "Explode!" und die HARA-KEE-REES liebe ich. (9/10)
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #54 März/April/Mai 2004 und Chris Virgo
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #52 September/Oktober/November 2003 und Chris Virgo
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #58 Februar/März 2005 und Lars "Abel" Gebhardt
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #82 Februar/März 2009 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #164 Oktober/November 2022 und Gereon Helmer