Vor einigen Monaten lief Steven Sebrings Patti Smith-Portrait nachts auf arte – und ich sah nur noch einen kurzen Ausschnitt der Doku, die zuvor auf allen wichtigen Filmfestivals gezeigt worden war. Was ich sah, gefiel mir, und glücklicherweise ist nun zeitnah die DVD-Fassung erschienen, denn Sebrings Smith-Portrait ist absolut sehenswert.
Sebrings Filmographie vor „Dream Of Life“ besteht zwar nur aus zwei Kurzfilmen, aber er hat es geschafft, über einen Zeitraum von zehn Jahren (zumindest ist im Film der Satz „It took us ten years t do this film“ zu hören) an Patti Smith dranzubleiben und – weitgehend in Schwarz-Weiß-Bildern – ein einfühlsames Portrait der Ausnahmemusikerin zu zeichnen.
Von kritischer Distanz ist entsprechend wenig zu spüren, aber das war wohl auch nicht Sinn und Zweck – entsprechend unterscheidet sich der Film entscheidend von üblicken Musik-Dokus. Stattdessen ist es ein sehr emotionales, geradezu intimes Portrait geworden, an dem Patti Smith selbst aktiv beteiligt war.
Sie erzählt selbst ihre Lebensgeschichte, die Sebring mit grobkörnigen Bildern unterlegt – man weiß stellenweise nicht so recht, welches Material nun alt und welches neu ist. Dazu öffnete Smith ihr privates Archiv, man sieht sie zu Hause mit Erinnerungsstücken, sieht sie mit ihrem alten, längst verstorbenen Freund Richard Maplethorpe, mit ihrem verstorbenen Mann Fred „Sonic“ Smith, dem legendären MC5-Gitarristen, mit ihren Söhnen Jackson und Jesse, auf der Bühne, wie sie irgendwann in der jüngeren Vergangenheit eine unglaublich intensive Version von „Rock N Roll Nigger“ performt.
Sowieso ist ihre Musik immer gegenwärtig, ihre Gitarre, die sie, so erzählt sie, selbst nicht stimmen konnte, als sie im legendären New Yorker Chelsea-Hotel lebte und deshalb anderen Musikern anbot, darauf zu spielen – woraufhin die sie erstmal stimmten ...
Sebring ist kein neugieriger, journalistisch arbeitender Filmemacher, sein Portrait ist nicht distanziert, man muss es in Gänze sehen, um zu erkennen, wer diese Patti Smith eigentlich ist, die irgendwer mal als „Godmother of Punk“ bezeichnet hat.
Beeindruckend und bewegend.
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