FRONT

Dissonanz & Wahnsinn

20:15 Uhr, der Wetterbericht wurde verlesen, es soll zu einer deutlichen Abkühlung der Temperaturen kommen. Im Mittelmeer sind erneut einige hundert Menschen abgesoffen. Hilfe war leider nicht möglich, die liegt in Europas Häfen an der Kette und wird jetzt „Schlepperindustrie“ genannt.

Zum Glück bleiben ja noch die Lager, die nennt man jetzt „Transitzentren“. Wer es nicht bis dorthin schafft, wird zumindest noch an irgendeinen Despoten oder Diktator zum Schutz der europäischen Außengrenzen verschachert.

Seehofer nennt das „Humanität und Ordnung“. FRONT treffen die eigentliche Wirklichkeit mit dem Titel ihres neuen Albums indes ins sinnentleerte Mark. Noch abgehackter, wütender, schneidender und schmerzhafter als auf ihren vorherigen Platten ist es die Verlesung einer Anklage gegen Stumpfsinn, Selbstbetäubung, Herdentrieb und Menschenfeindlichkeit, die uns immer wieder und gefühlt immer öfter begegnet.

Direkt, laut und rücksichtslos, aber nie parolenhaft peitschen sie dir ihre Wut, ihren Ekel ins Kreuz. FRONT haben sich eingespielt zwischen den Polen ABWÄRTS, MALE und FEHLFARBEN, finden dazwischen aber immer wieder Raum für Neues, für Bassläufe wie Kammerflimmern, für schräge, sich überschlagende Rhythmen direkt aus der geschlossenen Anstalt.

Deutscher Punk von heute tangiert mich nur selten, aber FRONT schaffen es jedes Mal aufs Neue.