Die pandemischen Jahre hatten einen äußerst unterschiedlichen Einfluss auf die Welt der Musikschaffenden. Einige nutzten die gefühlte Leere, stürzten sich in Arbeit, tüftelten an neuen Songs und versuchten, damit ein wenig Normalität im Leben zurückzubekommen. Doch nicht so bei den Punks CYANIDE PILLS, bei denen der Lockdown einen völlig gegenteiligen Effekt hatte. Denn Mr. Phil Privilege und seine Mitstreiter verbrachten die meiste Zeit damit, sich zu betrinken und faul in der Sonne herumzuliegen, wie er süffisant betont. Dass uns das Quintett aus Leeds mit „Soundtrack To The New Cold War“ nun doch ein Album vorlegt, überrascht angesichts der just beschriebenen Laissez-faire-Mentalität ein wenig, hat aber zwei ganz simple Gründe: So saß ihnen einerseits Ian, seines Zeichens Labelboss von Damaged Good Records, im Nacken und forderte von den arbeitsscheuen Trinkern endlich das längst versprochene Nachfolgewerk zum genialen Vorgänger „Sliced And Diced“ ein, das ihm bereits seit Ewigkeiten angekündigt worden war. Andererseits spielte aber auch der hemdsärmelige Arbeitsethos der Band eine tragende Rolle. Hier darf einfach nichts zu sehr aufpoliert klingen, denn es geht immer noch um Punkrock. Also landet ein Song eben auf der Platte, sobald er gut klingt und nicht erst, wenn er fertig ist. Insofern muss man den Herren eine hochgradige Effizienz attestieren, die musikalisch und inhaltlich wiedermal vollends zu begeistern weiß. Textlich scharfsinnig und scharfzüngig wie eh und je, wettern CYANIDE PILLS in den 16 neuen Songs mit Fug und Recht gegen das Establishment, gegen Führer, Gauner, Scharlatane, Kriegstreiber, Propagandisten, gierige Psychopathen und Snobs. So geht es beispielsweise in „Pecking order“ um Klassenkampf, um einen dreckigen Stinkefinger an all diejenigen, die mit einem silbernen Löffel im Mund geboren wurden und denken, sie seien besser als der Rest. Musikalisch knüpft „Soundtrack To The New Cold War“ natürlich genau dort an, wo „Sliced And Diced“ aufhörte: Punk’n’rollige Schrammelgitarren, schnelle Hi-Hats und catchy Refrains, die manchmal schon fast ein wenig zu simpel und einfältig klingen, wie das knödelige „Hope you’re having fun“. Aber genau das macht den 77er-Power-Pop-Punk der Band aus. Nach wie vor klingen CYANIDE PILLS wie völlig aus der Zeit gefallen, vielleicht lediglich etwas dezenter und rockiger als auf den Vorgängern, fast möchte man sagen: gereifter. Genau das lässt übrigens auch die diese Aussage von Sänger Phil vermuten: „Wir sind jetzt einfach alt. Die echten Kids von heute, die machen ihre eigene Art von Punk. Der klingt einfach anders, weil sie in einer anderen Zeit aufgewachsen sind. The kids are alright!“ Das hört sich ja schon fast nach Altersmilde an.
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