FREIBURG

Brief & Siegel

Bei den ersten beiden Platten von FREIBURG schien der Blick stets nach vorn gerichtet, zumindest den Titeln nach, „High Five Zukunft“ und „Aufbruch“. Diesmal titeln sie „Brief & Siegel“, und dahinter wartet eine wütende Auseinandersetzung mit der Gegenwart.

Doch was macht FREIBURG so sauer, dass sie eine Wut entwickeln, die ich so von ihnen bislang nicht kannte? Bisher waren da Songs wie „..., Kotzen, Heulen, Dorfdisco!“ und da hieß es mit Inbrunst: „Ich könnte schreien“.

Jetzt, auf „Brief & Siegel“, da tun sie es tatsächlich und zwar nicht zu knapp. Bereits die Single-Auskopplung „Kanüle abwärts“ ist ein klarer Hinweis, was uns auf der dritten Platte erwartet.

Neu ist, dass Gitarrist Tom einem so lautstark in den Ohren liegt, überhaupt dieses ganze unheimlich drängende Brodeln ist neu. „Was ist denn mit euch?!“, das ist die Frage, um die es auf dieser Platte geht, und die in einem deutlich formulierten Unwillen ihren Ursprung hat: Unwillen gegenüber Menschen, die aufgesetzter Scheiße frönen, wie in „Große Träume, wa?“.

Ärger über Idioten, die der „scheiß Unvernunft“ anheimfallen, und wie diese sich Bahn bricht. Noch stärker durch eine klaren Formulierung dessen, was nicht nur ein Problem der Mitte der Gesellschaft ist, nämlich den überall spürbaren Nationalismus: „Denn tote Herzen schlagen nur für ihr Land“.

Zu solch wichtigen Beobachtungen gesellen sich auch manche anderer Art, denn „Brief & Siegel“ trägt nicht nur Wut in sich, sondern auch viel Verzweiflung. „Love will tear us apart“ wird da mit Unterstützung von DUESENJAEGERs Tobi Neumann zitiert.

Es sind die menschlichen Abgründe, die FREIBURG zu interessieren scheinen. Sowohl die, die in Dummheit umschlagen, als auch jene, die sich durch Wut oder eben Trauer äußern. „Brief & Siegel“ schließt mit „Es ist vergangen“, dem düstersten Song der Platte.

Nach all den unerfreulichen Begegnungen lässt sich nur noch sagen: „Zwei Augen starren ziellos. Haben mehr gesehen, als sie vertragen können.“. So geht es nach einer sehr intensiven halben Stunde zu Ende.

Es bleibt die Frage, ob es sich mit dieser Platte tatsächlich um eine starke Weiterentwicklung handelt. Eine unheimliche Kraft in ihrer Musik hatten sie nämlich schon immer und das zeichnete sie aus.

Was in „Brief & Siegel“ hinzukommt, ist das neu entdeckte Talent, aus ihrem überaus interessanten „Emo-Punk“ nicht nur ein Album zu formen, sondern auch Hits zu schreiben, denn genau darum handelt es sich bei Songs wie „Sommer, Roggen und er“.

FREIBURG schaffen es, großartige Lieder zu schreiben, ohne sie mit zu vielen Schnörkeln oder überflüssigen Längen zu ersticken. „Brief & Siegel“ ist ihre bisher beste Platte – ein wahres Fest.