Die Musik von FREIBURG hebt sich vom deutschen Einheitspunksound ab und offenbart eine neue Qualität, die durchaus internationale Züge trägt. Die selbstkritischen Alltagsbeobachtungen von Sänger/Bassist Jonas kann man sich nicht entziehen, dafür sind sie zu nah und zu real. Für ihre aktuelle LP „Aufbruch“ hat sich das Gütersloher Quartett allerdings weiter entwickelt und präsentiert sich im Ox-Interview innovativ und mutig.
Jonas, deine Texte haben sich vom Introspektiven ins Literarische entwickelt. Welche Faktoren waren ausschlaggebend für diesen Wandel?
Jonas: Wenn Langeweile ein Faktor sein könnte, dann wäre es Langeweile. Ich finde es einfach zu lahm, wenn die Songstruktur von vorn bis hinten durchkalkuliert ist, à la Strophe-Bridge-Refrain-Strophe, tausendmal gehört, total einseitig, total langweilig. Hinzu kommt, nicht mehr aus der Ich-Perspektive zu schreiben, sondern andere Ereignisse zu schildern: fand ich interessanter und spannender. Ergänzt durch meine studienbedingte Beschäftigung mit der deutschen Nachkriegslyrik nach 1945, dieses kryptische Verschlüsseln und die Interpretationsspielräume, die sich dadurch ergeben können.
Nils, wie kommt der textliche Wandel bei dir als Gitarrist an?
Nils: Ehrlich gesagt, war mir das bis dato kaum aufgefallen. Im Proberaum höre ich die Texte nicht und unsere Platten hör ich mir selber nicht an.
Heißt das, Jonas könnte auch auf Englisch oder Finnisch singen, du würdest den Unterschied nicht bemerken?
Nils: Doch, spätestens im Studio, haha ...
Hatten diese Faktoren auch Einfluss auf das Artwork und das Cover?
Jonas: Nein, eigentlich nicht. Wir wollten es diesmal nicht so übertrieben bunt haben wie bei „High Five Zukunft“. Auf dem Cover sind meine Schwestern mit meinem Vater und meiner Oma, vor dem Wagen meines Opas. Wir wollten einen Titel nehmen, der etwas Alltägliches hat. „Ausflug“ war ein Thema, aber es sollte kein „Wochenendtrip“ sein, da wären mir schon wieder zuviel Anglizismen drin. Ich hatte von meinem Vater jede Menge digitalisierte alte Familienfotos bekommen und das passte dann einfach prima, weil wir das ganze Artwork klassisch halten wollten: unauffällig, aber hübsch.
Ich finde es bezeichnend für eure Entwicklung, dass ihr nun bei This Charming Man Records gelandet seid. Wie habt ihr euch kennen gelernt und wo sind die Unterschiede zu früher?
Jonas: Wir haben auf dem Green Hell Yardsale gespielt. Chris von This Charming Man war da natürlich Mitveranstalter und da haben wir uns festgequatscht. Ein Unterschied ist, dass TCM Wert darauf legen, dass wir möglichst viel live spielen. Und wir sind jetzt sogar in der glücklichen Situation, dass das Booking einfacher geworden ist, aber das könnte natürlich auch dem Umstand geschuldet sein, dass wir mit „High Five Zukunft“ drei Jahre durchs Land getingelt sind.
Die Platte wurde von Christoph Bartelt, der unter anderem das MESSER-Debüt produziert hat, aufgenommen, gemischt und gemastert. Wie seid ihr im Studio vorgegangen und wobei konnte euch jemand wie Bartelt helfen?
Nils: Er hatte ein paar Retro-Mikros mehr, als wir gedacht hätten. Es war uns wichtig, die Platte komplett live einzuspielen, weil es authentischer, zeitloser und einfach schöner klingt. Wir hatten bereits vorab per Mail mit Christoph darüber kommuniziert und vieles so schon geklärt. Er weiß dann einfach, wie man die Mikrofonierung bewerkstelligt, und hat zum Beispiel die Gitarren noch separat über ein analoges Mischpult aufgenommen und viel mit den Raummikrofonen gearbeitet. Letztendlich ist es eine Frage des edleren Equipments, sprich retro, analog und Röhre.
Jonas: Christoph hat auch immer schon zwischen den Aufnahmen angefangen zu mixen, hat experimentiert und ausprobiert, was gut ist und was der Sound braucht.
Nils: Insgesamt haben wir zwei Tage Soundcheck gemacht, was natürlich im Vergleich zu unserer bisherigen D.I.Y.-Methode mehr als das Doppelte ist. Dann haben wir zwei Tage aufgenommen und eingesungen und noch einen ganzen Tag gemischt und gemastert. Wir waren täglich von zwölf Uhr mittags bis spät abends im Studio, das war auch konditionell für alle eine neue Erfahrung.
Jonas: Es hat definitiv Spaß gemacht, aber es war auch schlauchend, vor allem weil wir uns selbst etwas unter Druck gesetzt hatten, was wir aber auch beabsichtigt hatten.
Inzwischen habt ihr die neuen Songs schon einige Male live gespielt. Wie bewertet ihr deren Bedeutung im Gesamtset?
Nils: „Mit Zementschuhen auf dem Boulevard“ ist so ein Stück, das wir bisher einfach viel zu wenig geprobt haben und deswegen leider auch nicht live gespielt haben. Aber ansonsten spielen wir das ganze Album und es kommt auch sehr gut an.
Jonas: Die Leute, gerade in den ersten Reihen, singen die Songs frenetisch mit, das ist mir in letzter Zeit immer mehr aufgefallen. Wir fühlen uns mit den neuen Sachen natürlich pudelwohl und werden allerdings regelmäßig darauf angesprochen, doch mehr von „High Five Zukunft“ zu spielen.
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