Eine Band als „One Hit Wonder“ zu bezeichnen, ist eine Beleidigung – vor allem dann, wenn diese nicht nur ein Album gemacht hat. Die 1984 im britischen Coventry gegründeten PRIMITIVES trifft es noch schlimmer: ihren Hit „Crash“ aus dem Jahre 1988 kennt jeder (wer es nicht glaubt: bei YouTube suchen), aber kaum einer weiß, wie die Band dahinter heißt.
Nach der Debüt-7“ „Thru The Flowers“ von 1986 war 1988 das Debütalbum „Lovely“ erschienen, dem 1989 „Pure“ folgte und 1991 „Galore“, das völlig floppte, worauf die Band sich 1992 selbst den Stecker zog (und erst 2009 wieder zusammenfand, seitdem aktiv ist).
Hört man sich „Galore“ heute an, fragt man sich, woran es lag. Eigentlich machten die PRIMITIVES auf „Galore“ nichts anders als auf den Vorgängern, aber der säuselige britische Indiepop, irgendwo zwischen BLONDIE und THE JESUS AND MARY CHAIN, zwischen Shoegazing und etwas zu beliebigem Pop, war damals wohl einfach nicht mehr gefragt, Grunge hatte die Macht übernommen, und Britpop war noch nicht durchgestartet.
Immer wieder mussten sich THE PRIMITIVES den Vergleich mit den ungleich größeren THE JESUS AND MARY CHAIN anhören, und speziell die frühen Aufnahmen provozierten das natürlich auch: Zwar sind die Feedbacks nicht so brutal, aber die honigsüßen und mit harschen Gitarren und punkiger Attitüde vorgetragenen Songs weisen in ihrer Halligkeit doch eine große Ähnlichkeit auf – abgesehen davon, dass die Band mit Tracy Tracy eine blonde Frontfrau mit lasziv-dunkler Stimme hatte, die optisch zwangsläufig immer wieder in die Debbie Harry-Schubalde gesteckt wurde.
Typisch britischer Post-Wave/Punk trifft hier auf frühen Britpop. „Bloom! The Full Story 1985-1992“ enthält auf fünf CDs in einer Pappbox, jeweils in der Reproduktion eines Originalcovers, 118 Songs und damit den Großteil des veröffentlichten Materials.
Auf vier CDs finden sich jeweils die vier Alben, ergänzt um reichlich Bonustracks, und auf der fünften CD gibt es BBC-Sessions aus den Jahren 1986 und 1987. Im dicken Booklet finden sich massig Fotos, eine Bandhistory sowie detaillierte diskografische Angaben.
Wer also von „Crash“ richtig Appetit bekommen hat, kann hier einen „Geheimtipp“ (neu) entdecken.
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© by Ox-Fanzine - Ausgabe #67 August/September 2006 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #101 April/Mai 2012 und Kay Werner
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #118 Februar/März 2015 und Joachim Hiller
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #59 April/Mai 2005 und Joachim Hiller