Seit Corona gelten keine Regeln mehr. Typischerweise wurden Alben Monate im Voraus angekündigt, entsprechend gut konnte unsereins planen – der „Fluch“ eines Printmagazins ist die Vorlaufzeit. Und jetzt wird von Bands fast nach tagesaktueller Lage entschieden, ob ein Album vielleicht nicht doch schon in sechs Wochen kommen soll, wegen Tour oder nicht Tour, Presswerküberlastung, etc. Auch das zweite Album „Comfort To Me“ von Amy und ihren SNIFFERS ist so ein Schnellschuss, muss seit Monaten fertig in der „Schublade“ gelegen haben – und versüßt uns jetzt überraschend den Herbst. Ihre ebenfalls aus Melbourn, Australien stammenden Kolleg:innen planen in der gleichen Situation für irgendwann 2022 ... An Touren „overseas“ ist für beide jedenfalls aktuell nicht zu denken. Seit der ersten EP 2016 war klar, dass mit Amyl und ihrer Band zu rechnen ist, doch trotz eines kleinen Hypes ließ sich die Band Zeit mit dem Debütalbum, erst im Sommer 2019 erschien es, und dann blieb nicht viel Zeit für den sich normalerweise anschließenden weltweiten Tourzyklus, denn ... Corona kam. Und Amy Taylor (voc), Dec Martens (gt), Gus Romer (bs) und Bryce Wilson (dr) hatten während des Lockdowns letztes Jahr reichlich Zeit für Songwriting in der Band-WG und konnten Ende 2020 – im australischen Frühling – endlich ins Studio, um mit Produzent Dan Luscombe das zweite Album einzuspielen. Ich schätze: Ohne Corona und mit Dauertouren hätten wir erst 2022 damit rechnen können. Und man muss klar sagen: Wo das Debüt-Album noch die Gefahr barg, dass AATS ein „One Hit Wonder“ sein könnten, verflüchtigt sich dieser Eindruck schnell, wenn man das Album einmal, zweimal, zehnmal hört. Die 13 Songs sind echte Grower, die Band hat an ihrer Eigenständigkeit gearbeitet, und immer noch ist Amys Stimme, die darin transportierte Attitüde und Wut, eine Bank. Der Opener „Guided by angels“ ist ein Instant-Hit, das folgende „Freaks to the front“ eine ganz direkte Anspielung auf den Riot Grrrl-Slogan „Girls to the front“ und untermauert den – siehe auch das Ox-Interview – von Taylor gelebten feministischen Anspruch. Anderseits singt sie in „Security“ „I’m not looking for trouble, I’m looking for love“, fast schon ein Lovesong. „Comfort To Me“ ist als Platte wie der Soundtrack zu einem Roller Derby-Bout: Es wird hier laut und rempelig, und die Männer – so vorantreibend und essentiell deren Beitrag hier auch ist – stehen eindeutig nicht im Vordergrund. Bei „Hertz“ (keine Werbung für Autovermieter, obwohl es bei der nächsten Tour helfen könnte ...) ist dann AMYL AND THE SNIFFERS in Reinkultur, aus der langen Tradition australischer Rockmusik schöpfend, zwischen Rock, Proto-Punk und Sharpie-Style. Schlimm, dass man dieses Album hören muss im Wissen, dass es noch lange dauern wird bis zu einer verschwitzten Show in einem engen Club.
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