ZOUNDS

Foto

Der Fluch kehrt zurück

Mit „The Curse of Zounds“ veröffentlichte die 1977 gegründete britische Anarcho-Punkband 1981 nach einer EP auf Crass Records ein Album, das mit Sicherheit eine der zehn wichtigsten Anarcho-Punk-Platten ist. Seinerzeit war die Band eng mit CRASS befreundet, auch wenn sie musikalisch weit weniger scharf und konzeptionell agierten, sondern ihre Songs immer eingängig waren, ohne Pop-Punk zu sein. So richtig aufgelöst waren ZOUNDS wohl nie, auch wenn ab Mitte der Achtziger ihre Auftritte sehr selten wurden – konsequenterweise beschreibt Overground-Labelboss John Esplen den ZOUNDS-Frontmann Steve Lake als „notorisch öffentlichkeitsscheu“, was sich nicht so ganz verträgt mit der Rolle als Frontmann einer Band. In den letzten Jahren scheint sich das etwas gelegt zu haben, so spielten ZOUNDS Ende 2007 in London bei Steve Ignorants Quasi-CRASS-Festival „The Feeding Of The 5000“ ein gefeiertes und überzeugendes Konzert. Mit „The Redemption Of Zounds“ ist nun ein neues ZOUNDS-Album erschienen, das in Essenz eines von Steve Lake ist, der als Sänger und Gitarrist mit Paul O’Donnell (Bass) und Paul Gilbert (Drums) zwei neue Mitstreiter gefunden hat. Ich stellte Steve per Mail ein paar Fragen, die der mit jeder Menge trockenen Humors beantwortete.

Die Punk-Szene war 1977 sehr breit gefächert, reichte von Kunststudenten bis hin zu hungernden Hausbesetzern. Welcher Teil des Punk hat dich fasziniert und was ist dein persönlicher Background?

Ich komme aus einer Stadt namens Reading, ein stinklangweiliger Ort, in dem damals sinnlose Gewalt die Straßen beherrschte. Meine Mutter war Tanzlehrerin und ist mit einem amerikanischen Piloten in die USA abgehauen. Mein Dad leitete einen Jazz-Club und hat in einer Fabrik für Tonbandgeräte gearbeitet. Sie haben mich verlassen, als ich fünf Jahre alt war, und von da an lebte ich bei meinen Großeltern, die Fabrikarbeiter waren und dachten, dass Ehrgeiz etwas Gefährliches ist. Niemand in meinem Umfeld hat Musik gemacht und das hat mich immer davon abgehalten, ein Instrument zu lernen. Meine Familie hörte an sich gerne Musik, aber sie waren überzeugt, dass Leute in Bands von Alkohol, Drogen und leichten Mädchen ruiniert werden und dass dieser Lifestyle zur Zerstörung der Familie führen würde. Natürlich hatten sie Recht, aber sie konnten mich nicht davon abhalten. Das Gute an den frühen Tagen des Punk war, dass die Leute alles machen konnten. Es war egal, ob es dir an Talent und Möglichkeiten mangelte. Am Anfang war es befreiend, aber dann wurde alles eintönig und todlangweilig. Aber wir haben den Punk nicht entdeckt – wir haben ihn erfunden.

Bald schon wurde Punk vielfältiger und die Unterschiede zwischen den einzelnen Bands wurden größer. In den frühen Achtzigern wurden ZOUNDS zu einem Teil dessen, was heute als „Anarcho-Punk“ bekannt ist.

Das hat sich alles in undefinierbare Lager wie „Streetpunk“, „Oi!“, „Anarcho“ oder „Art School“ unterteilt. Sie alle passten sich an ein gewisses Reglement an, was ja okay ist, aber diese Regeln waren keine wirklich guten, so dass die Musik eher weniger inspirierend war. Ich bevorzuge die Regeln des Doo-wop oder Rockabilly.

Hattet ihr damals schon einen Namen für das, was ihr da gemacht habt – und was habt ihr gemacht, wie habt ihr euch selbst definiert?

Wir selbst haben uns nie „Anarcho-Punks“ genannt. Ich glaube, Garry Bushell hat diese Bezeichnung erfunden, mangels Fantasie, Charme und Scharfsinn. Zu dem Zeitpunkt hatten sich ZOUNDS für eine Weile getrennt. Wir betrachten die Band als eine leicht schräge Pop-Group, die auf Sechziger-Pop, Rock’n’Roll und experimentelle deutsche Hippie-Bands wie CAN und FAUST stand.

Aus musikalischer Hinsicht waren ZOUNDS einzigartig, genauso wie CRASS, SUBHUMANS, CULTURE SHOCK oder CITIZEN FISH. Was waren eure Einflüsse, eure Stilelemente, was war euer Konzept – falls es eines gab?

Wir bedienten uns bei allem, was uns gefiel. Ich bin nicht wirklich eigenständig, was das anbelangt, deshalb klaute ich einfach alles, was brauchbar war. Ich will nicht sagen, dass das gut so ist, aber so entstand eben der Sound und die Songs. Auf Bands, die ausschließlich aus guten Musikern bestehen, fahre ich nur selten ab. Gut ist die Mischung aus Primitivem, Unbeholfenem und Raffinesse. Paradebeispiele dafür sind THE VELVET UNDERGROUND, THE FALL, CAPTAIN BEEFHEART AND HIS MAGIC BAND, THE RAMONES. Obwohl eine Band wie CAN aus brillanten Musikern bestand, vergaßen sie niemals, auf das Wesentliche und Grundlegende zu achten. Und nicht zu vergessen THE MONKS aus Deutschland in den frühen Sechzigern. Sie waren zwar Amerikaner, aber nur in Deutschland erkannte man, wie genial sie sind. Auf dem erstem Album haben wir uns überall bedient: BEATLES, CAPTAIN BEEFHEART, Fifties Doo-wop, THE VELVET UNDERGROUND, Motown, BONZO DOG DOODAH BAND, CAN, Woody Guthrie, Bob Dylan, Patti Smith. Und so mache ich es auch noch heute.

Und was war euer politisches Konzept?

Wir hatten kein politisches Konzept, außer dem, unsere Szene zu unterstützen, uns mit ähnlich gesinnten Gruppierungen und Personen solidarisch zu zeigen und die Botschaft von Frieden, Liebe und einem kosmischen Bewusstsein zu verbreiten, durch Pop-Schallplatten und Rock’n’Roll-Konzerte. Klingt naiv und pathetisch, war aber letzten Endes wahr und würdevoll.

Haben dich die jüngsten Ausschreitungen in Großbritannien überrascht?

Ausschreitungen in Großbritannien sind nie eine Überraschung. Durch alle Zeitalter, sogar vor dem Römischen Reich, waren die Briten berüchtigt als ein aufrührerisches Volk mit einer Neigung zu Gewalt und Chaos. Das war komischerweise das, worauf ich mit dem Cover von „Redemption“ hinauswollte, es hat die Riots vorweggenommen. Ich scheine übersinnliche Fähigkeiten zu entwickeln.

Insgesamt habe ich den Eindruck, dass viele politisch-aktive Leute der Meinung sind, dass die jungen Randalierer die Aufstände aus falschen Beweggründen begannen. Sie scheinen eher hinter neuen Nike-Schuhen oder Flachbildschirmen her gewesen zu sein, anstatt Banken zerstören zu wollen. Der Slogan lautete statt „Eat the rich!“ eher „Let me be part of your consumer culture“. Was ist dein Eindruck?

Das kann ich dir nicht wirklich sagen, weil ich in den letzten Monaten in den USA gelebt habe. Ich habe aber den selben Eindruck wie du. Aber nur weil sie nicht politisch motiviert waren, bedeutet es ja nicht, dass nicht ein korruptes politisches System Ursache dieser Aufstände ist, das für Geld, Materialismus und die Spaltung der Gesellschaft steht. Die Leute waren gierig und gewalttätig, und genau das ist die Ideologie, die unser Leben bestimmt. Ich bin überhaupt nicht politisch aktiv – ich schaue mir das einfach alles an. Ich finde das alles verblüffend, aber vielleicht bin ich einfach nicht klug genug.

Was hat dich dazu gebracht, ZOUNDS wieder zu reformieren und beim „Feeding Of The 5000“ in London 2007 mitzuspielen?

Teilweise habe ich es getan, um Steve Ignorant einen Gefallen zu tun, und um im Shepherds Bush Empire auf der Bühne zu stehen. Hauptantrieb waren meine Eitelkeit und Selbstverliebtheit. Und wir werden weitermachen, weil ich herausgefunden habe, dass ich in allem anderen noch schlechter bin denn als Rock’n’Roll- Musiker.

Heute besteht deine Band aus dir und zwei neuen Mitgliedern. Wer sind sie und was ist mit deinen alten Bandmitgliedern passiert?

Ziemlich viele Leute waren über die Jahre Mitglied bei ZOUNDS, aber die meisten sind heute traurige und einsame Gestalten, die nur von Bitterkeit und Zorn beherrscht werden. Die jetzigen Mitglieder sind da in jeder Hinsicht weiter. Paul Gilbert am Schlagzeug ist Künstler und er hat die Sängerin Alison Goldfrapp entdeckt. Am Bass ist Paul O’Donnell, eine tragische und poetische Persönlichkeit auf einem Selbstzerstörungstrip. Aber ich glaube, es wäre besser, wenn noch eine Frau in der Band wäre. Ein weiblicher Einfluss ist oftmals vorteilhaft für Bands.

Es gibt Dutzende Bedeutungen für das Wort „Redemption“. Was willst du mit „The Redemption Of Zounds“ ausdrücken?

Es ist wirklich nur ein Scherz. Man hat uns unsere Sünden verziehen. Was das für Sünden waren, kann ich nicht verraten, aber dass ich Pepsi beim „Feeding Of The 5000“-auf der Bühne getrunken habe, gehört dazu.

Das Artwork vom neuem Album erinnert mich an das von „The Curse Of Zounds“. Warum wurde es wiederholt verwendet, wer hat es kreiert und was zeigt es? Ich weiß, dass Stonehenge mal eine wichtige Rolle für die Hippie- und Punk-Szene gespielt hat, bis die Regierung sämtliche Aktivitäten dort verboten hat.

Ich habe es passend zu einem Song namens „Ancient Briton“ gestaltet, den wir bislang noch nicht aufgenommen haben. Stonehenge ist eines der ältesten Bauwerke in England. Ich wollte zeigen, dass es in der gesamten englischen Geschichte immer wieder einen Hang zu billigem Styling, grundloser Gewalt, der Spaltung der Gesellschaft, Ausbeutung und schlechten Frisuren gab. Und wie eben erwähnt, der momentane Trend zur Plünderung belegt das. Außerdem wollte ich eine gewisse Kontinuität, denn es ist super, ein einheitliches Kunstwerk zu betrachten. Dabei geht es wirklich nur um Äußerlichkeiten und Wichtigtuerei.

John von deinem Label sagt, du seist „notorisch öffentlichkeitsscheu“, wie kommt er darauf?

Ich gehe kaum aus, ich habe nicht viele Freunde und Menschen machen mich nervös. Ich weigere mich seit Jahren, Konzerte zu spielen, die außerhalb der lokalen Pubs und Gemeindezentren stattfinden. Und ich hasste das. Im Ernst, aufgrund meiner Zurückgezogenheit habe ich John nie getroffen. Wir kommunizieren nur auf dem digitalen Weg.

Was hast du so die letzten paar Jahre gemacht? Soweit ich weiß, gibt es einige Soloprojekte, aber ich vermute, du hast auch ein Leben neben der Musik.

Ich habe keinerlei Leben neben der Musik. Früher habe ich tagsüber gearbeitet, aber seitdem ich einen Haufen Geld bei Pferdewetten gewonnen habe, kann ich einfach Musik machen und mich wohltätigen Arbeiten in der Gemeinde widmen. Ich versuche, nett zu den unterdrückten Völkern der Welt zu sein, ich habe Pferderennen aufgeben und sehe es nun als böse, ausbeuterische, grausame Industrie an, welche es auch ist. Ich habe mein Glück gefunden, denke ich. Wie ich immer sage: Du kannst deinem Karma nicht entkommen.