Texte und Musik von XIU XIU sind vor allem eines: extrem. Der Song "Saturn" handelt zum Beispiel davon, George W. Bush zu Tode vergewaltigen zu wollen. Extrem vielfältig und emotional beeindruckend ist James Stewart, der einzig feste Bestandteil der Gruppe, auch mit seiner Stimme, die in einem Moment flüsternd eine Gänsehaut entstehen lässt, um im nächsten Moment in exaltiertes Geschrei auszubrechen. Ebenso zerfahren ist der Sound, eine Art perkussiver Noise-Pop. Um ehrlich zu sein, hat mich keine Band in den letzten Jahren so sehr berührt. Nachdem erst letztes Jahr das vierte Album "La Forêt" entstand, folgt nun ein Jahr später "The Air Force", nicht zu vergessen, die zahlreichen EPs und Splits mit befreundeten Musikern wie Devendra Banhart und PAPER CHASE. Kein Wunder, dass James Stewart im Interview selbst zugibt, dass er ein Workaholic ist.
Live besteht XIU XIU nur aus dir und Caralee. Ich hatte den Eindruck, dass ihr als Band perfekt zusammen passt.
Es gab so viele XIU XIU-Line-ups, ungefähr fünf, aber Caralee und ich verstehen uns blind. Wir setzen das aufs Spiel, wenn wir das nächste Mal Ches Smith als Percussionist mitnehmen. Wir haben viel mit ihm aufgenommen und ich spiele mit ihm noch in einer anderen Band, 7 YEAR RABBIT CYCLE, deswegen denke ich, dass es gut funktionieren wird.
Euer neues Album ist bereits fertig aufgenommen. Wie klingt es?
Es ist viel poppiger. Ich glaube, es ist nur ein experimenteller Song darauf, der Rest sind Popsongs. Wir haben ziemlich viel WEEZER und SMITHS gehört dieses Jahr, und auch wenn es nicht nach denen klingt, wollten wir trotzdem etwas machen, das so ergreifend ist, wie deren Alben. Es ist harmonischer, aber auch komplexer als unsere bisherigen Alben. Als wir "La Forêt" gemacht haben, haben wir uns viel mehr für experimentelle Musik interessiert. "The Air Force" entstand zwischen 2005 und 2006. Dieser Abschnitt war glücklicherweise weniger schwierig als die Jahre davor. Es ist vermutlich unser am wenigsten deprimierendes Album.
Der Titel "The Air Force" klingt ein "bisschen" militärisch ...
Er ist sehr militärisch. Die Luftwaffe hat die meiste Zerstörung und die meisten Toten im Krieg gegen Irak auf dem Gewissen. Die Piloten und Schützen haben keinen emotionalen Bezug zu ihrem Tun, sie töten willkürlich. Als sie Zarquawi ermordet haben, haben sie auch acht Kinder getötet. Was zur Hölle ist mit denen los?! Wie kann ein Mensch so etwas machen? Sie haben es einmal kurz in den Nachrichten erwähnt. Wenigstens sehen die Marines den Schrecken, den sie anrichten und müssen es mit sich herumtragen. Die Luftwaffe ist völlig unmenschlich durch die Distanz, die sie zu dem Tod hat, den sie verursacht.
Was hat es mit der Zusammenarbeit mit GROUPER auf sich?
Liz Harris von GROUPER ist eine meiner Lieblings-Ambientmusiker und ich wollte ein Ambient-Album aufnehmen. Sie war so großzügig, mir bei dem Album zur Hand zu gehen. Es ist sehr langsam und düster. Die Lieder reflektieren unsere Traumatisierung als Kinder durch Horrorfilme, die bleibenden Eindruck bei uns hinterlassen haben. Das Album besteht nur aus Piano, Liz' Gesang, Percussion und einer "spacigen" Gitarre.
Deine Texte sind oft sehr düster. Sie handeln von Aids, Vergewaltigung und Selbstmord.
Das ist Teil meines Lebens und dessen, was um mich herum geschieht. Die Musik, die mir wichtig ist, ist immer sehr persönlich und ich will Musik machen, mit der Menschen hoffentlich etwas anfangen können.
In dem Lied "Sad pony guerilla girl" singst du: "I like my neighbourhood, I like my gun, driving my little car, I am your girl and I will protect you." Worum geht es dabei?
Es handelt von meiner Nachbarin, neben der ich in San José gewohnt habe. Fast den ganzen Text hatte ich sie wortwörtlich am Telefon zu ihrem heimlichen Geliebten sagen hören, als sie sich in der Nähe meines Fensters versteckt hat.
Du spielst in deinen Texten mit verschiedenen Identitäten und Geschlechtern.
Die Lieder sind immer aus der Sicht einer Person erzählt, die manchmal halt ein anderes Geschlecht hat als ich. Außerdem gehört Gender-Dysphorie zu meinem Leben, und der Umgang damit kommt manchmal an die Oberfläche.
Selbst wenn es immer wieder offensiv queere Bands wie LE TIGRE, PANSY DIVISION oder TEAM DRESCH gibt oder gab, scheint es für die Punk/Independent-Szene immer noch ein Problem zu sein, mit Sexualität umzugehen. Die Stereotype, die vorherrschen, unterscheiden sich kaum von denen des Mainstream.
Die Independent-Szene in den USA ist sehr stark vom Mainstream getrennt und ist politisch sehr liberal und vorurteilsfrei, deshalb ist es für Homosexuelle kein Problem, Teil der Szene zu sein. Das ist zumindest meine Erfahrung, aber ich lebe in Kalifornien, was natürlich nicht sehr repräsentativ ist für den Rest der USA.
Hattest du je Probleme wegen deiner Texte oder deiner Musik?
Ja, mit meiner Mutter und meiner Schwester.
Der Name deiner Band stammt von einem chinesischen Film. Was bedeutet er für dich?
Es ist ein Film darüber, von etwas überrannt zu werden und falsche Entscheidungen zu treffen. Und so waren auch Cory McCullochs und mein Leben, als wir die Band gegründet haben.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #67 August/September 2006 und Chris Wilpert
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #89 April/Mai 2010 und Thomas Kerpen
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #61 August/September 2005 und Ulf Imwiehe
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #68 Oktober/November 2006 und Chris Wilpert
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #77 April/Mai 2008 und Chris Wilpert