WOLFBRIGADE sind eine Institution im Spielfeld zwischen Crustpunk, Hardcore und Death Metal’n’Roll. Das Quintett ist seit drei Dekaden aktiv, zeigt sich aber auch auf seinem elften Longplayer allein zornig und unangepasst. „Life Knife Death“ ist durch rasendes Tempo und rigorosen Frustabbau geprägt. Die Schweden verarbeiten das Geschehen in der Welt – Kriege, Katastrophen und den (Selbst-)Zerstörungsdrang der Menschheit. Die rauhe Melodik und schroffe Catchiness des Materials stechen dabei dennoch mehr denn je hervor.
Mit „The Enemy: Reality“ ist 2019 die bis dato letzte Scheibe der Band aus Mariestad erschienen. „Life Knife Death“ markiert nun den Einstand auf dem Label Metal Blade und einen deutlichen Schritt in Richtung Metal-Publikum: „Bei Southern Lord hatten wir einen Vertrag für drei Platten“, erzählt Frontmann Mikael „Micke“ Dahl. „Nachdem dieser ausgelaufen war, hatten wir das Gefühl, dass es für die Band interessant und gut wäre weiterzuziehen. Nichts gegen Southern Lord, sie haben einen guten Job gemacht, aber Bart Grasseck, der Labelmanager von Metal Blade, hat sich in den letzten Jahren regelmäßig an uns gewandt und signalisiert, dass er uns wirklich mag. Zwar haben wir mit verschiedenen Labels gesprochen, aber eigentlich war schnell klar, wie es weitergehen würde. Metal Blade hat uns totale Freiheit gegeben und ist wie wir gespannt, ob wir mit ihrem Support und all ihren Kanälen auch einige Metalheads erreichen können.“ Obwohl man anderes erwarten würde, sehen sich WOLFBRIGADE bislang allein im Crustpunk/Hardcore-Umfeld etabliert: „Da geht es auch nicht einmal um Anerkennung, sondern die bloße Feststellung, dass wir im Metal bislang nicht viele Hörer erreicht haben“, erklärt Bassist Johan Erkenvåg. „Natürlich haben wir über die Jahre auf einigen Metal-Festivals gespielt, aber viel mehr ist in dieser Richtung nicht zu sagen. Wenn es um Musik geht, sind wir aber aufgeschlossen. An uns soll es nicht liegen.“ Angesichts des Verweises auf die Verortung in der DIY-Szene lag die Frage auf der Hand, weshalb die Schweden ihre Veröffentlichungen eigentlich nicht selbst herausbringen: „Darüber haben wir noch nie nachgedacht und eigentlich auch kein Interesse daran“, stellt Johan unmissverständlich klar. „Dazu fehlt es uns an Motivation und Disziplin. Wir wären gar nicht in der Lage, alles rund um eine Veröffentlichung zu organisieren und fertigzustellen. Ohne die Mithilfe eines Labels geht es wirklich nicht. Das, was wir tun, ist Musik schreiben und diese aufnehmen. Damit endet es für uns.“
Ganz so faul und unfähig, wie es beim Bassisten klingt, sind WOLFBRIGADE natürlich nicht: „Warum sollten wir die Möglichkeiten der Labels im Vertrieb nicht nutzen?“, fragt Sänger Micke. „Wir machen dennoch eine Menge selbst. Die beiden letzten Alben haben wir in unserem eigenen Studio aufgenommen“ – und sowohl „The Enemy: Reality“ als auch jetzt „Life Knife Death“ mit Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten umgesetzt: „Schon zu einem frühen Zeitpunkt haben wir beschlossen, die Songs nicht zu proben und Jocke, unseren Gitarristen Jocke Rydbjer, zu einer Art Produzent ernannt“, verrät Bassist Johan. „Davor hatten wir nie jemanden, der das Sagen hatte oder den produzierenden Part übernahm. Wir haben Jocke mit einer Menge Ideen überschüttet. Er hat am Ende die großen Entscheidungen getroffen und die Songs arrangiert. Als Band haben wir fünf uns nur einmal getroffen, als Micke seine Vocals eingesungen hat. Da haben auch wir anderen die Songs zum ersten Mal gehört. Zuvor hat jeder sein Instrument eingespielt. Dieses Vorgehen war eine große Sache, doch bevor wir anfingen, hatten wir beschlossen, dass wir dieses Mal einfach vertrauen werden. Genau wie bei den Ideen-Skizzen des ersten Demos. Unser Ziel war es, die rohe Energie des Demos beizubehalten. Dieses Mal war es ganz bewusst ein dogmatischer Prozess. Wir wollten nichts bearbeiten, was ein bisschen daneben klang, und haben alles einfach so gelassen, wie es war. An vielen Stellen kann man hören, dass unser Album letztlich wie ein gut gemachtes Demotape klingt.“ Frontmann Micke zeigt sich vom Ergebnis beeindruckt: „Seit zehn Jahren betreut Jocke unsere Vorproduktionen und nimmt uns auf. Inzwischen kennen wir uns so gut, dass wir ein Album auf diese Art und Weise umsetzen können. Für mich war es dabei schwieriger als sonst, weil ich nicht wusste, wo meine Stimme sein und wie ich sie einsetzen sollte. Wenn wir vorher proben, habe ich ein Gespür dafür, ob ich hoch oder tief und singen oder schreien muss. ‚Life Knife Death‘ ist dennoch großartig geworden. Besonders sagt mir zu, dass ich auf dieser Platte bei vielen Songs roher klinge.“
Um nichts anderes ging es WOLFBRIGADE: „Wir wollten es brutal und primitiv halten“, gibt Bassist Johan zu, sagt aber auch: „Trotz der aggressiven Kante ist das Album angenehm und ohne Probleme anzuhören. Im Zweifel halten wir es lieber kurz, eingängig und abwechslungsreich, anstatt in jedem Stück von Anfang bis Ende zu blasten und zu schreien. Das würde schnell langweilig.“ Langeweile und den Verlust der Motivation gilt es zu vermeiden. Die Schweden haben deshalb vor Jahren einen für Fans folgenschweren Entschluss gefasst, an dem nicht gerüttelt wird: „Hinter der Entscheidung, nicht mehr zu touren, stehen wir alle“, bestätigt Frontmann Micke. „Das haben wir schon zu einer Zeit beschlossen, als wir fast alle noch alleinstehend waren und keine großen familiären Verpflichtungen hatten. Die eine oder andere Live-Show hat Spaß gemacht, aber insgesamt hat es sich nicht inspirierend angefühlt, viel auf Tour zu sein. Schon nach einigen Tagen war der Reiz dahin, dabei wollen wir als Band stets einhundert Prozent geben und uns auf die Shows und das Publikum freuen. Inzwischen haben wir alle ohnehin Familie und reguläre Jobs. Wir müssen und wollen nicht von der Musik leben, denn das würde uns von unserem Alltag und unseren Familien trennen. Das ist einfach keine Option.“
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