Selten gab es eine Band aus unseren Gefilden, auf die diese Bezeichnung "Senkrechtstarter" besser gepasst hätte als auf die im Umkreis Münster/Osnabrück angesiedelten WATERDOWN. Nur einige Monate nach ihrer Gründung wurden sie im Herbst letzten Jahres als erste deutsche Band vom US-Label Victory Records gesignt und haben im Verlauf ihrer noch recht jungen Karriere bereits mit GRADE, SNAPCASE und vielen weiteren anerkannten Grössen der Szene gespielt. Das Label war auf Anhieb begeistert von dem Sextett, welchem durch seine Professionalität in keinster Weise seine deutsche Herkunft anzumerken ist, sofern das irgendwer als "Makel" ansehen sollte. Mit intelligenten Lyrics zwischen zerbrochenen Beziehungen und politischen Mißständen, einem Sänger, einem Shouter und einer Menge frischer Songideen konnten sie schon mit ihrer letztjährigen EP "Drawasmilingface" auf Two Friends Recordings überzeugen und tun dies in noch intensiverem Masse auf ihrem Longplayer-Debüt "Never Kill The Boy On The First Date". Ingo, der sympathische Mann für die aggressiven Schreigesangslagen, klärte mich Anfang Mai über das Phänomen namens "WATERDOWN" auf.
Es gab viele Gerüchte und Mutmassungen, wie genau der Vertrag mit Victory zustande kam. Wie seid ihr als erste deutsche Band letztendlich zum amerikanischen HC Label No. 1 gekommen?
Die Sache ging wirklich superflott und wir waren selbst überrascht. Nachdem wir im September einige Shows mit GRADE gespielt hatten, und sie uns sehr gut fanden, meinten sie zu uns: "Wir nehmen eure EP mal mit und hauen den Victory-Jungs das Teil auf den Tisch. Ihr müsst gesignt werden!". Natürlich haben wir zu dem Zeitpunkt überhaupt nicht mit irgendeiner Resonanz gerechnet, schliesslich ist es ja keine Seltenheit, dass man sich unter Bands gegenseitig cool findet, und waren sehr überrascht, als Tony Brummel, der Labelchef von Victory, uns dann nur kurze Zeit später persönlich anmailte. Von da an ging eigentlich alles relativ schnell über die Bühne. Zwar mussten natürlich noch diese ganzen vertraglichen Sachen geklärt werden, aber dass es derart schnell ging, hätten wir nie gedacht. Das wichtigste war uns unsere künstlerische Freiheit und, dass unsere Sachen nur in dem Rahmen veröffentlicht werden, indem wir sie auch sehen wollen, wir wollten also auch ein Mitspracherecht über Compilationbeiträge und sonstiges haben. Zuerst boten sie uns einen Vertrag über vier Platten an, der jetzige beinhaltet drei. Die Sache ist einfach, dass man immer ein komisches Gefühl bei solchen Verträgen hat, besonders wenn man erst seit rund einem Jahr dabei ist. Inhaltlich war grösstenteils alles völlig okay, der Prozess wurde lediglich etwas durch englische Übersetzungen und Kleinigkeiten in die Länge gezogen. Das ganze Drumherum haben wir alles per Email geklärt und den schriftlichen Vertrag dann durch Kurierdienste gegengezeichnet.
Kompliment! Bei euch kann man wirklich von einem absoluten Ausnahmefall sprechen, gibt es WATERDOWN doch erst seit Anfang 2000.
Da hast du recht und ich muss nochmal betonen, was für eine Überraschung es auch für uns war. Wir kommen aus dem Umkreis Osnabrück/Münster/Ibbenbüren und haben alle schon vor unserer WATERDOWN Zeit in anderen Bands wie PENDIKEL, CRACKAGE oder FALLOW gespielt. Irgendwie war es schon ein Zufall, dass wir uns alle in einer gemeinsamen Band wiederfanden. Der Hauptgrund war wohl, dass unsere vorigen Bands sich alle in etwa zur gleichen Zeit auflösten und wir somit alle auf der Suche nach einer neuen Band waren. Wir dachten erstmal überhaupt nicht an einen Vertrag oder ähnliches, sondern wollten in erster Linie herausfinden, inwieweit wir überhaupt zusammen passen und ob wir zusammen überhaupt was Ordentliches auf die Beine stellen können.
Eine sehr weise Entscheidung, wie sich nur wenige Monate später herausstellen sollte. Aber bei dem derzeitigen Medieninteresse und dem Recording plus anstehender Touren sicherlich nicht gerade leicht, nebenher noch seiner bisherigen Tätigkeit nachzugehen.
Das ist schon schwierig. Wir haben halt ein paar Leute dabei, die studieren, unser Sänger Marcel hat seine Lehre zum Tontechniker abgebrochen, ich bin Mediengestalter und arbeite zur Zeit noch. Das werde ich aber demnächst auch knicken müssen. Wovon ich dann lebe, weiss ich zwar noch nicht genau, aber zeitlich geht´s halt einfach nicht anders, haha.
Seit der ersten EP "Drawasmilingface" im Herbst letzten Jahres hat sich mit dem Weggang von Gitarrist Alex zu THUMB ein Besetzungswechsel vollzogen.
Ich weiss gar nicht mehr genau, woher genau die Jungs von THUMB Alex kannten, aber er war schon immer Fan von der Band und nach längerem Überlegen hat er sich dann entschieden, bei ihnen einzusteigen. Kürzlich haben wir ihn erst zum ersten Mal bei der Osterrocknacht in der Düsseldorfer Philipshalle mit THUMB auf der Bühne gesehen. Er hat sich gut gemacht, wir haben immer noch ein supergutes Verhältnis zu ihm und proben sogar noch in einem Schuppen neben seiner Wohnung. Vorher hatten wir einen Proberaum, über dem dann leider eine Anwaltskanzlei gebaut wurde, und damit war der schöne Traum vom lauten Musizieren dort natürlich schnell gestorben, hehe. Für Alex ist jetzt Claus mit dabei, der auf der allerersten CALIBAN-Veröffentlichung noch mit von der Partie war. Bis er nach Münster gezogen ist, hat er dort mitgespielt und ist dann nach einiger Zeit musikalischer Pause bei uns eingestiegen.
Inwiefern wurde er ins Songwriting des Albums einbezogen?
Also, viel Material stand natürlich schon. Aber wir legen auf jeden Fall grössten Wert darauf, dass er sich einbringt und aktiv am Schreiben neuer Songs mitwirkt. In der ersten Zeit hatte er natürlich viel zu tun, denn wir kannten die Songs ja schon länger und er musste sie erst noch lernen.
Hört man "Never Kill The Boy On The First Date", fällt sofort auf, dass das Herz jeden einzelnen WATERDOWN-Mitglieds sicherlich nicht nur für eine Musikrichtung schlägt, was sich als essentieller Vorteil gegenüber anderen Bands bestätigt.
Musikalisch haben wir alle ganz unterschiedliche Vorlieben und beschränken unseren Sound auch absichtlich nicht auf eine bestimmte Sparte, weil wir einfach keinen Bock darauf haben. Es kommt auf die Stimmung an, manchmal haben wir mehr Lust auf aggressive Sachen und im nächsten Moment schreiben wir einen poppigeren Song. Eigentlich ist es so, dass es nicht nur die verschiedenen Geschmäcker der beteiligten sechs Personen sind, sondern sogar jeder einzelne davon einen sehr breitgefächerten Musikgeschmck hat. Jörg hört z.B. gerne Noise, ich viel Old School-Kram, Claus hört ab und an die alten AT THE GATES-Platten. Im Prinzip können wir unsere Einflüsse nicht genau erklären und schmeissen beim Proben einfach all diese Elemente auf einen Haufen.
Einen Haufen, der es wahrlich in sich hat. Wie kam es dazu, "Never Kill The Boy On The First Date" im Blubox Studio aufzunehmen? Konntet ihr euch ein Studio aussuchen oder haben Victory Anweisungen gegeben?
Nein, Victory haben sich in der Studioauswahl überhaupt nicht eingemischt. Wir mussten ihnen lediglich die fertigen Bänder in die Hand drücken und das war´s. Unser Bassist Christian kannte das Studio schon von alten Aufnahmen und wusste daher genau über die Qualitäten des Blubox. Unsere EP hatten wir ja im Principal Studio in Münster eingespielt. Das ist ein richtig fettes Studio, welches wir uns für die Dauer der Albumproduktion niemals hätten leisten können. Bei den Aufnahmen zur EP kam uns sehr zugute, dass unser damaliger Gitarrist Axel dort mal ein Praktikum gemacht hatte und wir das Studio dadurch für zweieinhalb oder drei Tage kostenlos nutzen konnten. Für die komplette CD haben wir uns im Februar ca. zehn oder zwölf Tage im Blubox eingenistet, was teilweise etwas schwierig war, da einige von uns arbeiten mussten, Termine hatten usw. Im Endeffekt hat aber glücklicherweise alles gut geklappt.
Für den beziehungsgeschädigten Autoren dieser Zeilen ist der Titel "Never Kill The Boy On The First Date" ein Statement, welches nahezu nach der Auszeichnung zum "Albumtitel des Jahres" schreit.
Die Idee dazu ist von mir, aber man sollte keinesfalls zuviel hineininterpretieren. Äähh, haha, ja, der Titel ist schon recht seltsam, geht natürlich sehr in die Emoschiene und gilt als Überschrift für Stress in Beziehungen und fasst einige Songs des Albums inhaltlich zusammen. Auf gar keinen Fall sollte man diesen Satz auf die Goldwaage legen oder hineininterpretieren, dass Männer besser sind als Frauen. Das hat echt nichts damit zu tun. Der Titel schildert einfach die Grundstimmung, in der die Songs damals entstanden sind.
Eure Musik und auch das geniale Artwork sind auch prädestiniert für eine Vinylveröffentlichung.
Die Platte wird auf jeden Fall auf Vinyl veröffentlicht, das liegt uns sehr am Herzen! Die Sache ist, dass Victory immer erst ihre Veröffentlichungen auf CD rausbringen und erst eine Vinyledition machen, wenn die CD bei den Leuten ankommt. Sobald Victory sich entscheiden, kein Vinyl herzustellen, haben wir aber die Option, das selbst zu machen und das werden wir auch tun. Wir möchten die Scheibe selbst unbedingt auf Vinyl haben, das Artwork ist auf der CD doch viel zu klein.
Erstellt wurde es von Limbert Fabian, der u.a. auch die Illustration zum letzten SNAPCASE-Longplayer kreierte.
Unser Sänger Marcel erzählte uns irgendwann, er würde Limbert kennen und hatte wohl schon einige Zeit Emailkontakt zu ihm. So kamen wir auf die Idee, ihm mal ein Exemplar unserer EP zu schicken und bekamen bald Antwort, dass er Bock habe, ein Cover für unsere CD zu gestalten.
Das Cover der letztjährigen "Drawasmilingface" EP sorgte doch bei vorwiegend männlichen Hörern ob der rothaarigen und äusserst attraktiven Dame für den so oft zitierten "Aha"-Effekt.
Hehe, wir kennen sie leider nicht persönlich. Das ist Robin Laananen, eine Fotografin aus Seattle. Sie hat ein Foto für die Innenseite des Booklets gemacht und ein Selbstportrait für die Vorderseite.
Sehr schick. Wo wir gerade bei "Cover" sind - perfekte Überleitung -, wer von euch kam auf die gewagte Idee, eine Interpretation des legendären SLIME-Songs "Etikette tötet" einzuspielen?
Christian sagt heute noch, er habe schon immer auf eine Band gewartet, mit der er einen SLIME-Song nachspielen kann. Da wir alle früher viel SLIME gehört haben, fanden wir die Idee einfach geil. SLIME haben den Song 1984 aufgenommen und sind einfach eine Hammerband, die immer viel zu sagen hatte. Wir fanden es schade und traurig, dass den Song und die Band heutzutage fast keiner mehr kennt und wollten mit dem Cover mal wieder auf diese geniale Combo hinweisen. Wir hatten auch versucht, SLIME-Mitglieder für die Aufnahmen ins Studio zu bekommen und ihrerseits bestand auch Interesse, doch passten unsere Recordingtage leider nicht in ihren Terminplan. Schade, aber der Song ist ja trotzdem was geworden.
Viel Freizeit wird der sympathische Sechser in nächster Zeit sicherlich nicht haben, schliesslich steht im Juli/August eine US-Tour an, auf der WATERDOWN u.a. mit GRADE, DROWNING MAN oder THURSDAY spielen werden. Im Anschluss wird es eine Europatour geben und, nicht zu vergessen, die schon seit geraumer Zeit angekündigten Splits auf Two Friends Recordings mit den Kanadiern BY A THREAD und den Solingen Homies TUPAMAROS, sowie mit "Lovesong" einen Beitrag zum THE CURE-Tribute-Sampler auf Burning Heart. Viele Dinge, auf die wir uns nur freuen können!
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #43 Juni/Juli/August 2001 und Dominik Winter
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #51 Juni/Juli/August 2003 und Lauri Wessel
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #65 April/Mai 2006 und Sebastian Wahle
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #101 April/Mai 2012 und Sebastian Wahle
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #64 Februar/März 2006 und Sebastian Wahle
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #41 Dezember 2000/Januar/Februar 2001 und Dominik Winter
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #103 August/September 2012 und Sebastian Wahle
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #43 Juni/Juli/August 2001 und Dominik Winter
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #79 August/September 2008 und Sebastian Wahle
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #51 Juni/Juli/August 2003 und Jan Schwarzkamp