VITAMIN X aus Amsterdam, die sich schon 1997 gründeten, sind bis heute ein gut gehüteter Geheimtipp – zumindest wenn man ihre „Medienpräsenz“ zum Maßstab macht. Zig Bands, die VITAMIN X nicht mal ansatzweise das Wasser (was doppelt passt, sieht sich die Band doch dem Straight-Edge-Gedanken verpflichtet) reichen können, weniger Platten verkaufen und weitaus weniger Besucher haben, sind präsenter, haben bessere Promoter, machen einfach mehr Wirbel. VITAMIN X um Sänger Marko Korac hingegen haben über die Jahre fünf Alben und zig Kleinformate plus diverse Best-Of-Releases veröffentlicht, immer auf kleineren D.I.Y.-Labels wie Havoc oder Tankcrimes, so dass ihre Platten eher über Underground-Kanäle als über die großen Mailorder und Plattenläden zu haben sind – oder auf ihren Konzerten. So touren VITAMIN X weltweit, in Brasilien wie den USA, in Japan, Australien, Asien und Russland, haben überall Freunde und Fans, die sich für ihren simplen, enorm durchschlagkräftigen Oldschool-Hardcore begeistern. Zuletzt erschien ihr Album „About To Crack, produziert und aufgenommen von Steve Albini im Electrical Audio-Studio in Chicago, mit Artwork von BARONESS-Mastermind John Dyer Baizley. Meine Fragen wurden von Marko und Gitarrist Marc beantwortet.
Bis heute sind VITAMIN X ein gut gehütetes Geheimnis. Seid ihr einfach bescheiden und zurückhaltend?
Marc: Wir machen die meisten Sachen immer noch selber, wir haben nie einen Booker gehabt oder waren bei einer Konzertagentur. Vielleicht hätten wir größer sein können, aber trotz allem sind wir immer noch eine der bekanntesten Hardcore-Punk-Bands und touren durch die ganze Welt. Wir spielen auf großen Festivals mit mehreren Tausend Besuchern wie dem Hellfest in Frankreich oder dem Maryland Deathfest in Baltimore, wir waren auch viermal Headliner beim Fluff Fest.
Marko: Genau wie Frank Sinatra machen wir es auf „unsere Weise“. Außerdem bekommen wir jedes Mal Kopfschmerzen, wenn wir Poser-Bandfotos sehen von diesen dämlichen „Hübsche Punk-Hipster-Kerle voller Tattoos, die so tun, als wären sie hart“. Oder diese übertriebenen Band-Websites, auf denen sie die Leute endlos zuspammen mit dem Blödsinn, dass sie die wichtigste Band der Welt seien, während ihre Musik in Wirklichkeit einfach scheiße ist. Einige Menschen haben einfach vergessen, dass Hardcore-Punk und Lady Kakas Musik und Auftreten zwei vollkommen verschiedene Dinge sind. Unserer Meinung nach ist die beste Werbung, viele gute Shows zu spielen, Platten zu machen mit guter Musik und gutem Artwork, und einfach zu genießen, dass man etwas tut, was man liebt, denn die coolen Leute werden immer merken, ob du ehrlich bist oder nicht. Okay, ich muss zugeben, dass wir ziemlich faul sind, wenn es darum geht, uns über zahllose Websites, Instagram etc. zu promoten. Ich glaube, wir haben unsere Website seit fast zwei Jahren nicht mehr aktualisiert. Aber andererseits buche ich mit Marks Hilfe alle Shows selbst und wir versuchen, jede Fan-Mail auch tatsächlich zu beantworten.
Ihr habt die Band bereits 1997 gegründet, euch gibt es also mittlerweile seit fast 17 Jahren. Wie fing alles an, wen habt ihr auf dem bisherigen Weg verloren und wer ist dazugekommen?
Marko: Die vollständige Geschichte wäre länger als die erweiterte Version von Dostojewskis „Die Brüder Karamasow“, deshalb sollte eine kurze Übersicht ausreichen. Marc, noch jemand und ich haben VITAMIN X im November 1996 gegründet. Wir haben unsere erste Show im März 1997 gespielt, und von diesem Moment an haben wir nicht mehr aufgehört, live zu spielen und Platten zu veröffentlichen. In dieser Besetzung haben wir zwei 7“s auf Commitment Records veröffentlicht. Im Frühjahr 1999 kam Alex zur Band und wurde, genau wie Marc und ich, ein wichtiges Mitglied von VITAMIN X. Das war auch der Punkt an dem wir begannen, die Band deutlich ernster zu nehmen, und erlangten langsam einen größeren Bekanntheitsgrad. Labels aus den USA begannen sich für uns zu interessieren und wir haben unsere erste LP „See Thru Their Lies“ 2000 auf Underestimated veröffentlicht, die auch Bands wie KILL YOUR IDOLS rausgebracht haben, und die „People That Bleed“-7“ im Januar 2001 auf Havoc Records. Das war damals das größte Hardcore-Punk-Independent-Label, auf dem Bands wie DISCHARGE, WOLFBRIGADE, FUCKED UP oder DS13 erschienen. Auch wenn wir Ende der Neunziger einige kurze Europatouren gespielt haben, war unsere erste richtige Tour eine durch die USA im März 2001, mit einer ausverkauften Show im legendären CBGB’s mit KILL YOUR IDOLS und THE CASUALTIES. Die Tour war so fantastisch, dass sie noch zusätzlichen Enthusiasmus in uns weckte, das Resultat war die „Down The Drain“-LP, die Anfang 2002 erschien, worauf eine weitere US-Tour mit 48 Shows folgte. Der Rest ist Geschichte ... Wir waren in Japan und Brasilien auf Tour, haben unzählige Shows in Europa und Großbritannien gespielt, 2004 kam die „Bad Trip“-LP auf Havoc Records raus und es folgte eine weitere Tour mit 48 Shows in den USA. Wir haben vor tausenden Menschen beim Hellfest/Fury Fest in Frankreich gespielt. 2005 haben wir die „Rip It Out“-7“ aufgenommen, die ebenfalls auf Havoc Records erschienen ist, und sogar einige Shows in Island gespielt. Am Ende des selben Jahres ist unser Drummer Wim ausgestiegen und wir sind zusammen mit Boka von RATOS DE PORÃO aus Brasilien durch Südostasien getourt, Indonesien, Malaysia, die Philippinen, Singapur, Japan, durch Australien und 2006 dann erneut Brasilien.
Marc: 2007 begannen wir dann mit unserem neuen Drummer Wolfi, von der deutschen Band TANGLED LINES, für ein neues Album zu proben. Wir hatten einige super Songs und wollten die auch mit jemand Besonderen aufnehmen. Also waren wir in Chicago bei Steve Albini, der auch mit Bands wie NIRVANA, IGGY AND THE STOOGES, NEUROSIS und vielen anderen gearbeitet hat. Das Album „Full Scale Assault“ wurde 2008 auf Tankcrimes Records – MUNICIPAL WASTE, TOXIC HOLOCAUST, CANNABIS CORPSE, FUCKED UP – veröffentlicht und das fantastische Artwork stammt von John Baizley von BARONESS, der bereits Alben für MASTODON, KYLESA oder KVELERTAK gestaltet hat. Und wir hatten bei zwei Songs sogar einen Gastsänger, John Brannon von NEGATIVE APPROACH. Das Album hat tolle Kritiken bekommen, viele nannten es das beste Album des Jahres. Im selben Jahr haben wir noch zwei US-Touren gespielt.
Marko: Von diesem Moment an haben wir unzählige EU/UK-Shows gespielt, aber auch Konzerte in Japan und Russland. 2010 übernahm Danny aus Hamburg Wolfis Position. In der Zwischenzeit ist Alex nach Genf in die Schweiz gezogen und wir wurden zu einer internationalen Band, die ihre Mitglieder einfliegen muss, um aufzutreten oder zu touren. Wir haben trotzdem weiterhin eine Menge Shows gespielt und 2012 das Album „About The Crack“ veröffentlicht. Dazu haben wir seit 2010 weitere drei kurze US-Touren gespielt und im Moment konkretisieren sich die Pläne für eine weiter Brasilientour im März 2014.
Marc: Um deine Frage zu beantworten, welche Mitglieder wir in den letzten 17 Jahren verloren haben: Wir haben seit 1999 immer fast das selbe Line-up – Marc, Marko und Alex. Wir tauschen nur ständig unseren Drummer aus, wir hatten ungefähr acht verschiedene, wir lassen sie einfach gerne explodieren, wie in „Spinal Tap“, haha.
Ich bewundere euch für eure kurzen, scharfen musikalischen Ausbrüche aka Songs. Was sind die geheimen Zutaten für eure Meisterwerke?
Marko: Es ist einfach nur ein Mix einiger weniger verschiedener Zutaten: frischer Oregano, kalt gepresstes Olivenöl, vegane Schokolade mit Wassermelone und Bambus-Eis. Ach Quatsch, wir spielen einfach die Musik, die wir lieben. Wir haben viele verschiedene musikalische Einflüsse wie klassischen Achtziger-Hardcore-Punk und Punk der Siebziger, vermischt mit einigen mysteriösen Seventies-Rock-Gewürzen.
Marc: Wir sind eine Hardcore-Punkband, die hauptsächlich vom schnellen Hardcore der frühen Achtziger beeinflusst ist. Aber ich mag die verschiedensten Arten von Musik, deshalb versuche ich, alle diese Einflüsse zu verwenden, um die Songs interessanter zu gestalten. Das kann DISCHARGE/D-Beat sein, 1977er Punk, Crossover-Thrash oder New Wave/Deathrock. Ich bin aber auch ein großer Fan von Seventies-Rock, wie beispielsweise BLACK SABBATH oder MOTÖRHEAD, und ich versuche immer, einige gute Rockriffs oder Soli einzubauen. In manchen Reviews wird mein Gitarrenstil tatsächlich verglichen mit dem von Fast Eddie Clarke von MOTÖRHEAD, haha.
Ihr seid dafür bekannt, Shows auf der ganzen Welt zu spielen. Erzählt uns von euren Abenteuern, wo seid ihr gewesen, was waren die besten Situationen – und die schlimmsten?
Marko: Ich habe diese Frage vielleicht schon teilweise beantwortet, aber man kann sagen, dass die besten Situationen die sind, wenn wir fantastische Shows mit tollen Bands spielen, die Gelegenheit haben, mit coolen Leuten abzuhängen und coole Dinge zu sehen an Orten, die ewig weit weg sind ... Und nicht zu vergessen, kurz vor der Show einige seltene, günstige Platten in einem lokalen Plattenladen abzuräumen. Die schlimmsten Situationen sind die, wenn wir neun bis zehn Stunden gefahren sind, um eine gute Show zu spielen, auf die wir uns wahnsinnig freuen, zusammen mit irgendeiner anderen Killerband, wir aber im Stau steckenbleiben, so dass wir die Band verpassen, und der ganze Abend schließlich total lahm verläuft.
Marc: Wir haben schon so viel Abenteuerliches erlebt, das kann ich gar nicht alles aufzählen. Ich bin im australischen Dschungel fast von einer Schlange gebissen worden. Einmal sind Marko und ich mit einem kleinen Kanu in den Sümpfen von Louisiana auf die Suche nach Alligatoren gegangen, wir waren ganz allein und plötzlich waren wir umzingelt von Alligatoren. Sie haben uns verfolgt, ein paar Mal wären wir fast ins Wasser gefallen und du kannst dir vorstellen, was dann passiert wäre ... In Jakarta, Indonesien, haben wir die heißeste Show überhaupt gespielt, damals mit Boka am Schlagzeug, als Brasilianer ist er so ein Klima ja eigentlich gewöhnt, aber selbst er hat gesagt, dass das absurd war. Ich glaube, es waren um die fünfzig Grad Hitze in dem Raum. Ich hatte das Gefühl, ich muss sterben, bekam keine Luft mehr. Wir mussten die Show vor der Zugabe beenden, weil Boka fast ohnmächtig geworden ist, er hatte Schaum vor dem Mund, die Augen verdreht. Nach der Show hat uns der Veranstalter erzählt, dass eine Woche zuvor ein Sänger auf dieser Bühne gestorben ist wegen der Hitze ...
Wie realisiert ihr diese Touren – und was für ein Leben führt ihr zu Hause, das euch erlaubt so oft unterwegs zu sein?
Marko: Wir schaffen es, ein wenig Geld mit den Shows und dem Verkauf von Merch zu verdienen, welches wir dann normalerweise in zukünftige Alben oder exotische Touren investieren. Meistens gelingt es gerade so jede Tour kostendeckend abzuschließen. Ich glaube, ich habe meine Managementfähigkeiten bei VITAMIN X perfektioniert. Unser Leben zu Hause sieht so aus: Alex ist Wissenschaftler, er hat einen Doktor in Hochenergiephysik und ich glaube, er arbeitet mindestens hundert Stunden die Woche im CERN Forschungszentrum bei Genf. Danny arbeitet als freiberuflicher Techniker/Roadie für eine Firma, die Touren für bekannte Künstler veranstaltet, und manchmal arbeitet er in einer Bar in Hamburg. Und er hat in BENT CROSS gespielt. Ich bin freiberuflicher Filmemacher und produziere im Moment Werbevideos für verschiedene Unternehmen. Im Grunde schreibe, leite, filme, bearbeite und animiere ich alles selbst. Ich suche immer nach neuen Klienten und mache auch Musikvideos und Kurzfilme, hauptsächlich Horror und Surreales. Außerdem reise ich gerne, immer wenn ich wieder eine ausreichende Summe an Geld angespart habe, fahre ich in ein weit entferntes Land, um ein paar Weltwunder und neue Kulturen kennen zu lernen. Marc ist Altenpfleger, manchmal stehen wir auch zusammen an der Tür eines Clubs in Amsterdam. Und er kümmert sich um seine Tochter.
Wie sieht es mit euren anderen musikalischen Aktivitäten aus, gibt es irgendwelche Nebenprojekte?
Marko: Marc hat diese supercoole Siebziger-Rockband mit Punk-Einflüssen namens DEMON EYES. Ich war der Sänger einer Streetpunk/Oi!-Band namens HEROES & ZEROS, die eine 7“ und eine LP auf Mad Butcher Records in Deutschland veröffentlicht hat. Eigentlich haben wir uns vor ungefähr sechs Jahren aufgelöst, auch wenn wir morgen eine Reunion-Show als Opener für HARD SKIN spielen. Im Moment habe ich eine neue Band, bei der ich Gitarre spiele, und unsere erste Show wird am 4. Februar stattfinden. Das Blöde ist, dass wir immer noch keinen Namen haben, ansonsten würde ich die Gelegenheit nutzen, um einen richtigen Hype um die Band herum zu veranstalten, aber leider stellst du diese Frage einige Wochen zu früh. Auf jeden Fall spielen wir primitiven, aber puren Hardcore, beeinflusst von alten Bostoner Bands wie JERRY’S KIDS, FU’s, aber auch NYC-Bands wie URBAN WASTE, ABUSED, ANTIDOTE und Sachen aus den späten Achtziger wie LIFE’S BLOOD oder SIDE BY SIDE. Hm, ich sollte wohl auch POISON IDEA, GENETIC CONTROL und OUT COLD als Haupteinflüsse nennen. Tatsächlich war meine ursprüngliche Idee, eine Band zu Gründen, die ein wenig wie die frühen ARTICLES OF FAITH klingen sollte, aber ich kann einfach nicht gut genug Gitarre spielen. Ich habe erst vor einem Jahr angefangen, es ein bisschen zu lernen, deshalb klingt das alles noch ein bisschen schlampig.
Marc: Ich singe und spiele Gitarre in einer neuen Band namens DEMON EYES, aber wir ändern den Namen vielleicht noch einmal, wenn wie uns dazu entscheiden, etwas zu veröffentlichen. Es ist eine Drei-Mann-Band mit Mitgliedern von DEVIL’S BLOOD und GEWAPEND BETON. Wir spielen im Stil der alten Siebziger-Rock- und Pychedelic-Bands wie PENTAGRAM, BLACK SABBATH, Roky Erickson, BUDGIE, mit leichtem Punk-Einfluss. Einige vergleichen uns mit diesen neuen Bands, beispielsweise GRAVEYARD, KADAVAR oder GHOST, aber wir spielen es eher mit einer Punk-Attitude. Wir haben vier Songs im Studio aufgenommen und ich spreche im Moment mit einigen Labels. Wir haben eine Show mit LECHOROUS und DANAVA gespielt und es hat ziemlich gut funktioniert, also wirst du hoffentlich bald mehr von dieser Band hören.
Wie wichtig ist Straight Edge heute für euch persönlich, und um euch als Band zu definieren. Da ihr das X in eurem Namen habt, vermute ich, dass das Thema immer präsent ist.
Marc: Nun, keiner in der Band trinkt Alkohol oder nimmt Drogen, aber wir haben in musikalischer und textlicher Hinsicht nichts gemeinsam mit dem, was man so als „Straight Edge“ kennt. Musikalisch sind wir von Bands wie BLACK FLAG, BAD BRAINS, D.R.I., DISCHARGE, G.B.H., INFEST, RKL und NEGATIVE APPROACH geprägt, aber auch von 77er-Punk und 70s-Rock wie BLACK SABBATH, AC/DC oder MOTÖRHEAD. Wir haben keine Texte über sXe, wir haben sogar einige Songs, in denen wir für die Legalisierung von Drogen werben, haha. Wir glauben, dass gerade der Kampf gegen die Drogen das System von Süchtigen und Dealern am Leben hält. Unsere Texte beschäftigen sich mit den politischeren Aspekten des Lebens. Dem Leben in einer kapitalistischen Gesellschaft und den ganzen Dingen, mit denen du klarkommen musst, wie Jobs, wirtschaftliche Unsicherheit, die Erderwärmung, Kapitalismus und der Mangel an Frieden auf der Welt. Und wir haben auch sehr persönliche Texte. Drogenfrei habe ich schon gelebt, bevor ich den Begriff Straight Edge überhaupt je gehört hatte. Als ich 15 war, hat jemand bei einer Show gesagt, dass ich sXe sei, ich wusste bis dahin gar nicht, dass es einen Namen für meinen Lebensstil gibt.
Marko: Aus einer persönlichen Perspektive ist Straight Edge ein wichtiger Teil meines Lebens, oder um es besser zu formulieren, könnte ich auch sagen, dass ich einen bestimmten Lebensstil lebe, der am besten zu mir passt und das ist nun mal sXe. Es ist eine sehr persönliche Sache, deshalb gehe ich weder jemandem mit meinen drogenfreien/vegetarischen/veganen Ideen auf den Nerv, noch interessiert es mich, ob jemand straight edge lebt oder nicht. Aus der Bandperspektive gesehen – wir haben als Straight-Edge-Band angefangen und beschlossen, das auch soweit wie möglich beizubehalten. Alle Mitglieder leben sXe, was uns offiziell zu einer sXe-Band macht, aber unser textlicher und grundsätzlicher idealistischer Fokus liegt auf anderen Dingen, von denen wir denken, dass es wichtiger ist, darüber zu singen und zu sprechen als über Straight Edge.
Ihr kommt aus den Niederlanden, und die waren einst ein Modell für einen liberalen Sozialstaat, aber die Dinge haben sich geändert, auch dort ...
Marko: Ich bin sicher, dass Marc dir eine vernünftige Antwort auf diese Frage geben kann, denn er ist der mit dem Master in Politikwissenschaften, und seine und meine politischen Ansichten sind sehr ähnlich. Alles, was ich sagen kann, ist, dass die Dinge schon schlecht waren und in den letzten 15 Jahren noch schlechter geworden sind. Der Mythos von den Niederlanden als liberaler und unvoreingenommener Staat versinkt langsam in einem Ozean aus Neo-Konservatismus. Im Prinzip passiert bei jeder Wirtschaftskrise genau das Gleiche: Die Rechten haben eine große Klappe und die naiven und verängstigten Menschen unterstützen sie ... genau wie den Kerl mit dem Bart 1933 in Deutschland. Ich hoffe nur, dass die Dinge nicht noch schlimmer, sondern bald wieder besser werden, ansonsten muss ich auf eine einsame Insel auswandern. Zum Glück gewinnen auch einige der linken Parteien an Zustimmung, denn die Menschen merken langsam, dass die Rechten es nicht geschafft haben, das Land aus der Krise zu holen und die Arbeitslosenquote zu senken, wie sie es versprochen hatten.
Mark: Ich stimme Marko zu. Unter dem Druck der Europäischen Union – und der rechten Parteien in den Niederlanden – wollen sie sogar die toleranten Drogengesetze hier verändern, was vollkommen bescheuert ist, da Holland immer die wenigsten Drogensüchtigen hatte.
Euer letztes Album wurde 2012 vom US-Label Tankcrimes veröffentlicht und von Steve Albini produziert.
Marko: Ich kann nur sagen, dass es eine fantastische Erfahrung war, mit Steve zu arbeiten, ganz abgesehen davon, dass ich mir meinen Kindheitstraum erfüllt habe, mit einer so legendären Person zu arbeiten. Dazu bin ich überglücklich mit dem Sound der beiden Alben, die wir mit ihm gemacht haben. Steve selbst ist sehr professionell, aber auch lustig, clever und auf seine eigene Art seltsam.
Marc: Wir haben Steve Albini bei einer SHELLAC-Show in Amsterdam getroffen und er hat sofort zugesagt, dass er unsere Platte aufnehmen möchte. Ich hätte niemals gedacht, dass ich mal mit demselben Typen zusammen arbeiten würde, der mit NIRVANA, Jimmy Page und Robert Plant von LED ZEPPELIN, IGGY POP AND THE STOOGES, HIGH ON FIRE, PIXIES und NEUROSIS gearbeitet hat. Er nimmt alles komplett analog auf und hat alles Mögliche an analoger Ausrüstung in seinem Studio. Es gibt keinen Computer in seinem Studio. Und er benutzt so wenige Kanäle wie möglich, um den bestmöglichen Klang zu erhalten. Die Drums wurden in einem Raum aufgenommen, der so groß wie eine Kirche war und es klingt fantastisch. Als wir Albinis Studio in Chicago betraten, lief er in einem dieser Arbeiteroveralls herum, er sah aus wie ein Klempner, das ist seine Arbeitskleidung, mit dem Namen des Studios auf dem Rücken. Seien ganze Crew von Technikern trugen ebenfalls diese Overalls. Es wirkt so, als wären sie Atomwissenschaftler oder so etwas. Wir waren ziemlich beeindruckt von Albini und seinem aufwändigen Studio. Er hat mit einigen der wichtigsten Bands der Rock-Geschichte gearbeitet, aber er ist ein supercooler und absolut entspannter Mensch. Nach einem Tag hat er angefangen, Witze zu machen und von Kurt, Iggy, Jimmy Page und so weiter zu erzählen. Wir hatten alle unsere eigenen Räume in seinem Studio, deshalb haben wir von zwölf bis Mitternacht gearbeitet, sind schlafen gegangen, und um zehn oder elf aufgestanden, um uns auf die Aufnahmen vorzubereiten. In der Zwischenzeit, wenn die anderen ihre Soli oder den Gesang aufgenommen haben, haben wir gegessen oder Pool gespielt. Albini ist ein großer Pool-Fan und hat einen riesigen Billardtisch in seinem Studio stehen. Wir haben im Februar aufgenommen und es war kalt und hat geschneit, deshalb sind wir nicht sonderlich viel nach draußen gegangen und haben uns so hauptsächlich auf die Aufnahmen konzentriert. Albini hat zwölf Stunden durchgearbeitet, ohne etwas zu essen, nur mit einer riesigen Tasse Kaffee.
Gibt es bereits Pläne für ein neues Album?
Marko: Noch nicht für eine LP, aber es gibt definitiv Pläne für eine neue 7“, die hoffentlich noch vor dem Sommer 2014 veröffentlicht wird. Es ist ein bisschen kompliziert, die Proben und die Arbeit an neuen Songs zu organisieren, wenn die halbe Band in anderen Ländern lebt, aber Marc und ich stellen einen Masterplan auf, also seid geduldig und ich verspreche, dass ihr im nächsten Jahr einige neue VITAMIN X-Songs hören könnt.
Übersetzung: Hannah Lang
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