UNSEEN

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Up the Punks!

Während Bands wie RANCID, die DISTILLERS oder die DROPKICK MURPHYS in den letzten Jahren stetig bekannter wurden, waren THE UNSEEN eine Band, die konstant im Untergrund herumzuwerkeln schien und der vergleichbar wenig Aufmerksamkeit zu kam. Vollkommen zu Unrecht! Denn hört man sich die Alben der Band an, so merkt man, dass es sich bei den Bostonern um einen der feinsten US-Streetpunk-Exporte der letzten Jahre handelt. Seien es die auf A-F Records erschienenen ersten Alben der Band, „Lower Class Crucifiction“ und „So This Is Freedom?“ (Letzteres wurde kürzlich als durchsichtiges Vinyl via A-F wieder veröffentlicht), die auf BYO oder das neue, fünfte Album der Band „State Of Discontent“, das kürzlich auf Hellcat erschien – sie alle bieten energisch-mitreißenden Streetpunk. Vor allem „State Of Discontent“ besticht durch Hits wie „Scream out“ oder „Social damage“, bei denen einfach alles zu stimmen scheint. Die Produktion passt sehr gut, weil sie weder zu dick, noch zu dreckig ist, und die Songs besitzen genug Durchschlagkraft, um den Vergleich mit den CASUALTIES zu rechtfertigen. THE UNSEEN sind aber melodisch genug, um ihren Songs trotz aller Härte eine schöne Eingängigkeit einzuhauchen. Genug Grund also, um sich einmal mit den Herrschaften zu unterhalten. Sänger Mark stand am Telefon Rede und Antwort.

Ihr wart gerade mit BRAIN FAILURE aus China und RAMALLAH in den USA unterwegs – meiner Meinung nach eine sehr bunte Mischung.


„Da stimme ich dir voll und ganz zu, und wenn du mich fragst, dann war es genau diese bunte Mischung, die die Tour so speziell machte. Ken Casey von den DROPKICK MURPHYS bat uns, BRAIN FAILURE mitzunehmen, da er mit der Band sehr gut befreundet ist. Leider hatten sie vor der Tour eine Menge Probleme, da sie viel Papierkram erledigen mussten, bevor sie aus China heraus und in die USA herein kamen. Dass RAMALLAH die Tour mitfuhren, rührte daher, dass wir mit BLOOD FOR BLOOD sehr gut befreundet sind. BFB-Bassist Ian hat bei unseren letzten Videos sowie bei unserem neuen Video ‚Scream out‘ Regie geführt und wir haben im Gegenzug RAMALLAH, die zweite Band von BFB-Gitarrist Rob, mit auf Tour genommen. Die Zusammenstellung mit uns und BRAIN FAILURE als Streetpunks und RAMALLAH als metal-lastige Hardcore-Band hat sehr gut gepasst, denke ich.“

Welche Beziehung besteht zwischen euch und Ken Casey, der neben BRAIN FAILURE auch euer neues Album „State Of Discontent“ produziert hat?

„Kurz gesagt sind wir einfach gute Freunde. Da wir alle aus Boston kommen, kennen wir uns schon eine ganze Weile. Dazu, dass er unser Album produzierte, trugen im Wesentlichen zwei Dinge bei. Einerseits nehmen THE UNSEEN und die DROPKICK MURPHYS seit Längerem im gleichen Studio auf und Ken hat mittlerweile sehr viel Erfahrung als Produzent gesammelt. Andererseits haben wir durch unseren Wechsel von BYO zu Hellcat sehr viel Kontakt zu Brett Gurewitz, der uns nahe legte, Ken Casey als Produzenten für ‚State Of Discontent‘ zu wählen. Es war eine gute Wahl, auch wenn er nur bedingt Einfluss auf die Platte hatte.“

Wie ist das zu verstehen?

„Ganz einfach, wir haben das Album geschrieben und wir hatten eine Vorstellung davon, wie es klingen sollte. Ken hörte sich die Songs an und gab uns Rat, wie wir manche Songs machen bzw. ändern sollten. Davon haben wir manches akzeptiert, aber nicht alles.“

Was mir an „State Of Discontent“ sehr gut gefällt, ist, dass das Album die Aggression und Energie von Bands wie den CASUALTIES oder EXPLOITED mit sich bringt, dabei aber eingängig und melodisch ist.

„Danke. Genau das sollte ‚State Of Discontent‘ werden, ein Album, dass eingängig, aber hart ist. In diesem Zusammenhang würde ich den Vergleich mit den CASUALTIES und EXPLOITED aber nicht zu weit in den Vordergrund stellen. Denn ich denke, dass bei uns eine CASUALTIES-Kante zu hören ist, wir im Ganzen aber sehr viel melodischer und auch politischer sind.“

Würdest du THE UNSEEN denn als politische Band bezeichnen?

„Das kommt ganz darauf an, wo man die Messlatte ansetzt. Im Sinne von unmissverständlich politischen Bands wie ANTI-FLAG, BAD RELIGION oder CONFLICT sind wir sicher keine politische Band. Uns ist es wichtig, die Balance zu halten und für jede Platte einige politische, aber auch persönliche Songs zu schreiben. Auf ‚State Of Discontent‘ sind mit ‚Force fed‘ und ‚Weapons of mass deception‘ beispielsweise sehr politische Songs, während ‚Flames have destroyed‘ oder ‚Waste of time‘ Beispiele für die persönlichen Songs auf dem Album sind. Diese Mischung kommt daher, dass drei Leute von uns Texte und zwei von uns Musik schreiben und alle unterschiedliche Songideen bzw. Ideale haben. Ehrlich gesagt, möchte ich aber auch nicht unbedingt in eine bestimmte Schublade gehören. Ganz egal, ob sie ‚politische Band‘ oder ‚unpolitische Band‘ heißt.“

Neben THE UNSEEN betreibst du auch ein eigenes Label, ADD Records. Jetzt, wo ihr praktisch ununterbrochen auf Tour seid, wer kümmert sich da um das Label?

„Leider niemand, was dazu führt, dass bei ADD kaum mehr etwas passiert. Ich mache ja nicht nur das Label neben der Band, sondern kümmere mich auch um die meisten organisatorischen Dinge, die THE UNSEEN betreffen. Also die Zeitplanung für Touren, Dinge, die mit den Aufnahmen zusammenhängen etc. Früher habe ich auch alle THE UNSEEN-Releases selber auf ADD heraus gebracht.“

Geh doch trotzdem auf das Label ein.

„Alles in allem habe ich fünfzehn Releases gemacht. Besonders gut lief eine Compilation, die ich vor sieben Jahren herausgebracht habe, die ‚Son Of Rebellion‘ heißt und auf der Bands wie BLANKS 77, OXYMORON, CASUALTIES oder DEFIANCE sind. Mit dem Label habe ich das Ziel verfolgt, jungen Bands als Sprungbrett zu dienen, es sollte nie ein großes Label werden. Deswegen finde ich es auch nicht so schlimm, weniger Zeit für ADD zu haben.“

Würdest du sagen, dass ADD auch THE UNSEEN als Sprungbrett diente?

„Nein, das Label, dass uns zu Anfang sehr viel geholfen hat, war A-F Records, das Label von ANTI-FLAG. Als wir einen Vertrag mit A-F abschlossen, arbeiteten nur die Mitglieder von ANTI-FLAG für das Label. Sie nahmen uns mit auf Tour und haben uns sowie unseren ersten beiden Alben ‚Lower Class Crucifiction‘ und ‚So This Is Freedom?‘ tollen Support gegeben. Mit der Zeit wurden aber ANTI-FLAG bekannter und eines Tages rief mich Pat von ANTI-FLAG an und sagte: ‚Hey, wir können gerne euer drittes Album machen, es würde A-F Records sehr viel bringen. Aber ich denke, dass mehr für euch rauszuholen wäre, als wir leisten können. Ihr solltet zu einem größeren Label gehen.‘ So trennten sich unsere Wege und wir gingen zu BYO. Wir entwickelten uns weiter und wuchsen, so dass wir schließlich auch an dem Punkt angelangt waren, dass wir drohten, über BYO hinaus zu wachsen. Das Argument, dass BYO in Europa vertrieblich nicht so stark ist, führte schließlich dazu, dass wir zu Hellcat wechselten.“

Was erhoffst du dir davon?

„Mir ist sehr wichtig, dass wir unter Mithilfe von Epitaph/Hellcat eine gute Europatour zustande bekommen. Wir waren zweimal auf Europatour, beide Male wurden die Touren aber von Schwierigkeiten begleitet. Als wir mit den DROPKICK MURPHYS und TIGER ARMY bei euch waren, sind wir kurzerhand für LARS FREDERIKSEN AND THE BASTARDS eingesprungen, die aus gesundheitlichen Gründen abgesagt hatten. Viele Leute kamen also wegen LFATB zu den Shows und waren eher verwirrt, als sie uns sahen. Das andere Mal war der Van, mit dem wir gefahren werden sollten, kaputt. Die VARUKERS, mit denen wir befreundet sind, fuhren uns in England mit ihrem Van zu den Shows, während wir die für uns ebenso wichtigen Shows in Frankreich und Deutschland absagen mussten.“