Machen wir weiter mit einem Rock-O-Rama-Quartett, wobei das Label sicher mehr hergeben würde, aber ich bin nur im vorderen Teil der Labelgeschichte so bis 1984 und vereinzelt im Jahr 1985 firm. Bei den Nazisachen kenne ich mich nicht wirklich aus, will ich auch gar nicht. Herbert, das kleine kackbraune Wiesel, hatte eine ziemlich genaue Vorstellung, wie Punk zu klingen und auszusehen hätte. Müsste man das Ganze in nur einem Wort zusammenfassen, wäre es: „Billig“!
Der viel geschmähte frühe Labelkatalog ist bei näherem Hinsehen gar nicht mal so schlecht und hat vor allem dort musikalische Höhepunkte, wo man die Band nicht in das Studio am Dom zu den Aufnahmen zitierte. Die Propaganda-Lizenzen klingen fast durchgehend gut und haben teilweise auch wirklich hervorragendes Coverartwork. Wozu schließlich noch mal Geld in die Hand nehmen, wenn alles schon fertig ist? Hätte es in den 1980er Jahren schon Internet und eine rekursive Bildersuche gegeben, wäre Rock-O-Rama wohl eines von vielen Labels gewesen, die man aufgrund fehlender Bildrechte in Grund und Boden verklagt hätte. Einige der „besseren“ Cover sind dreist geklaut, mal mehr, mal weniger offensichtlich. In Sachen Urheberrecht wären die Cover von DER FLUCH, OHL, VORKRIEGSPHASE, M.A.F. oder des Samplers „Die Deutschen kommen“ heute definitiv vor Gericht gelandet. Bei DER FLUCH hätte Universal Pictures geklagt, ebenso bei „1000 Kreuze“ von OHL. Das Coverfoto ihrer LP „Verbrannte Erde“ ist einem der vielen Bildbände über den Zweiten Weltkrieg entnommen, aufgenommen irgendwo im russischen Niemandsland. Ausgerechnet das oft diskutierte Coverartwork für den „Die Deutschen kommen“-Sampler ist ein 1:1 abgekupfertes Spiegel-Titelblatt, das zur gleichnamigen Fernsehserie über den vergessenen Russlandfeldzug erschien, die damals anlief. Wer sich überzeugen will: Das Titelmotiv findet man relativ leicht im PDF-Shop des Spiegels (Ausgabe 38, 1981). Bei der VORKRIEGSPHASE-LP hat man sich, soweit ich mich erinnere, beim Stern bedient und für M.A.F. wurde die „Die Straßen von San Francisco“-Parodie aus dem Mad-Magazin bemüht. Das Cover für die „Böse Menschen, böse Lieder“-Mini-LP der Onkelz übernahm Dominique Vallets Zeichnung für das Titelblatt der zweiten Ausgabe des Pilot-Magazins (Februar 1981), aber die kenne ich nur bedingt. Das ist aber alles noch Coverartwork, das zumindest optisch keinen unmittelbaren Brechreiz auslöst.
Meine Top-4 der schlimmsten ROR-Cover in der Reihenfolge ihrer Veröffentlichung:
OHL „Oktoberrevolution“ (1983)
Die limitierte Erstauflage der 12“ ist mit Worten kaum zu beschreiben, weil mehr als „scheiße“ schon eine sehr blumige Umschreibung ist für das einfallslose Etwas mit exakt drei Farben (schwarz, rot, uringelb) und zwei Schriftzügen mit unterschiedlichem 3D-Effekt, das sich Frontcover nennt. Der Bandname wurde definitiv mit einem Geodreieck gestaltet, und das ziemlich schlecht. Mein damaliger Mathelehrer hätte sich mit Grauen abgewendet und mir wenigstens eine Viertelstunde vor versammelter Klasse eingebläut, was hier alles falsch ist. Beim Titelschriftzug tippe ich auf Letraset-Rubbelbuchstaben, die damals unverzichtbar waren. Die krakelige Karikatur auf der Rückseite ist nicht nur ziemlich schlecht, sie könnte glatt aus einem stramm indiskutablen Propagandapamphlet aus dieser Zeit stammen. Auch schön: der Urheberhinweis für die „Photos“, von denen es lediglich eines in der Textbeilage gibt. Die Zweitauflage bekam dann ein deutlich besseres Artwork, und man wundert sich, warum dann für die Neuauflage vor ein paar Jahren dann doch wieder auf das Pennäler-Geometriecover für Zeichenlegastheniker zurückgegriffen wurde.
STOSSTRUPP „Wie lang noch ...“ (1983)
Derselbe Versuch eines 3D-Effekts beim Bandnamen, aber wenigstens mit etwas besserer Ausführung bei der Schraffur. Die Grundfarben sind dieselben wie bei der OHL-12“, wahrscheinlich ein Freudscher Gestalter. Im Gegensatz zu den Aufnahmen von OHL im selben Studio, wurde es hier soundtechnisch komplett verkackt. Dass die Band durchaus was auf der Pfanne hatte, kann man heute auf den Live-Platten nachvollziehen, diese hingegen liegt weit unter den Möglichkeiten, aber darum geht es hier ja nicht. Beim Schriftzug war dann irgendwann einmal der Bandname alle. Normalerweise ist es umgekehrt, da ist dann die Wand aus, der schlaue Spruch aber noch nicht fertig. Beides führt dann zu einer Asymmetrie, die immer ein wenig seltsam aussieht, weil’s nicht gerade ist. Das Schädelmonster ist so ein Zwischending aus Totenkopfschädel, IRON MAIDEN-Eddie, eingeschlagener Scheibe und einem leidlichen Zeichentalent für Knasttattoos. Man brauchte eben ein Cover für die Scheibe und hatte „irgendwie“ eine Idee. Immerhin ist die Band diesmal auf dem Cover. Dass wie so oft Schreibfehler („Bullenstraat“) enthalten sind, wundert einen nicht, da Labelchef Egoldt seine Etiketten und Beschriftungen häufig per Telefon an ein belgisches Presswerk übermittelt hat. Vielmehr wundert man sich heute doch, dass da so vieles korrekt transkribiert wurde.
BRUTAL VERSCHIMMELT „s/t“ (1983)
Die einzige LP aus diesem Quartett ohne 3D-Effekt, dafür mit einer Egoldt-Eigenkreation. Der Coverentwurf der Band wurde „verworfen“ und durch das Artwork ersetzt, das mühelos als das schlechteste des Labels bis 1984 durchgehen dürfte. Auch hier wurde im Studio am Dom ganze Arbeit geleistet, mir sind einige Übungsraumaufnahmen aus derselben Zeit bekannt, die mehr nach einem richtigen Studio klingen als diese LP. Immerhin ist die Gitarre schön laut, leider der Rest aber eben nicht. Kind, sieh da nicht hin, es ist furchtbar! Absolut untaugliches Motiv für T-Shirts und Lederjacken, mit einem Grünton, der selbst Schimmel lieblich aussehen lässt. Häufig wurde spekuliert, dass es sich hier um einen frühen Pushead-Rip-off handeln soll, was ich aber bezweifle, denn 1983 war er mit dem Hände zeichnen noch nicht so weit. Außerdem würde ich einen Schokoriegel wetten, dass Brian Schroeder weder in diesem noch in seinem nächsten Leben jemals eine Rattenkarikatur zeichnen wird, die ein wenig an Scrat aus „Ice Age“ erinnert, nur in weniger niedlich und schon gar nicht witzig. Herbert wird die Bilder aus einem skandinavischen Punk-Fanzine ausgeschnitten und grob zusammengeschustert haben, fertig aus. Wie tief wohl die Kiefer gehangen haben mögen, als die LPs damals bei der Band im Allgäu eintrudelten? Da macht man das seinerzeit noch fast Unbegreifbare, nimmt als Band aus Hinterdensiebenzwergenkurzvordenbergen eine ganze LP auf, legt sein Schicksal in die Hände eines erfahrenen Labelbetreibers, wird von Anfang bis zum bitteren Ende über den Tisch gezogen, bekommt ein Coverartwork für die Ewigkeit und kann sich danach eigentlich nur noch auflösen. Na gut, sie spielen ja mittlerweile wieder, aber T-Shirts mit diesem Motiv wird es hoffentlich keine geben. Okay, die Brotdose hat den Totenkopfmann, aber wenigstens ohne den verstrahlten postapokalytischen Hamster.
OUR NEIGHBORS SUCK „Isolation“ (1985)
1985, als das Label schon die Rechtsabbiegerspur genommen hatte, erschien als letzte reguläre Punk-LP zwischen allerlei Rechtsauslegerrock noch „Isolation“ von OUR NEIGHBORS SUCK, die vorher lediglich mit einem Track auf dem „Party Animal“-Sampler auf Mystic-Records in Erscheinung getreten waren. Durchaus brauchbarer Skatepunk, manchmal angenehm schräg, sogar mit einem gelegentlichen Deathrock-Einschlag, bei dem durchaus mehr zu holen gewesen wäre. Klingt zwar hundertmal besser als 90% der Aufnahmen aus dem Kölner Studio, hat aber trotz eines richtigen Studioaufenthalts keinen richtigen Biss und, was uns interessiert, ein wirklich uninspiriertes 08/15-Coverartwork mit Bandnamen und einen 3D-Plattentitel, inklusive Fluchtpunktperspektive. Das macht dir ein Zehnjähriger für ein Wassereis in etwa zehn Minuten, inklusive lebenslangen Nutzungsrechten, war aber das Werk des erwachsenen Sängers. Wie eine Band aus Arizona ausgerechnet auf dem Brühler Label landen konnte? Das Maximum Rocknroll lieferte die Kontakte und die News flossen damals noch mit der Schneckenpost. Immerhin gibt es auf der Coverrückseite ein riesiges Labyrinth, das man bei viel Langweile mit einem Kuli lösen konnte.
Außer Konkurrenz auf demselben Label: Die BODY CHECKS, deren LP noch zwischen Finnencore und der Abbiegespur fiel. Die kürzesten Baseballschlägerchen aller Zeiten, ein krakeliger Bandschriftzug und zwei Bandfotos, bei denen man irgendwie Mitleid bekommen könnte (ist aber leider alle), ergeben ein wirklich erbärmliches Cover, das so hoffentlich auf viele Körper gestochen wurde. Während man in der ROR-Zentrale auf der großen Posterbeilage hastig etwas mit einem Edding schwärzte, ist dasselbe hakige Kreuz auf der Coverrückseite klar und deutlich zu erkennen, auch wenn das Foto von jemandem geschossen wurde, der Hände auf Alkoholentzug hatte.
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Grob lässt sich schlimmes Coverartwork in vier Kategorien unterteilen:
1. Das Cover passt zum ebenso schrecklichen
Inhalt.
2. Der Inhalt steht konträr zur Verpackung.
3. Wäre das Artwork noch schlimmer
ausgefallen, würde es wieder passen.
4. Wenigstens kann man sich über die
Verpackung aufregen, die Musik ist egal.
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