Wenn sich Musiker:innen begegnen, Gitarren auf Synthesizer treffen, Punk und NDW zusammenkommen, wird aus einem Soloprojekt eine Band und aus dem Namen Tina die Band TYNA. Dies ist eine etwas verkürzte Darstellung der Ereignisse, die TYNA aus Hamburg erlebt haben und die dieser Tage im Debütalbum „PNK“ gipfeln. Die ganze Geschichte mit allen Ups und Downs erzählen uns Gitarristin Mia und Schlagzeuger David.
Das Ganze hat angefangen als Soloprojekt eurer Sängerin Tina. War es schwierig, dieses Projekt in eine Band zu verwandeln?
Mia: Für uns war es nicht schwierig. Wir sind zusammengekommen und da war direkt so ein Bandgefühl. Da ist es schwieriger, die neuen Umstände auch in der Außenwirkung deutlich zu machen.
David: Intern hat es sich ganz natürlich ergeben. Tina hatte sowieso immer schon eine Band dabei. Auch bei Gruppen, die direkt als Band starten, liegt der Fokus natürlich immer sehr auf der Person, die ganz vorne am Bühnenrand steht. Das ist nicht störend für eine Band, sondern ganz natürlich, dass sich die Aufmerksamkeit hier konzentriert.
Mia, du hast gerade angesprochen, dass der Wechsel zur Band nach außen hin häufiger betont werden muss. Wieso habt ihr euch nicht einfach für einen anderen Namen entschieden? Ihr heißt noch TYNA.
Mia: Das stand nie zur Debatte. Tina hat viel Energie in dieses Projekt reingesteckt und das schon seit Jahren. Dazu kommt noch, dass auch bei Social Media sehr viel von ihr gemacht wurde und der Name schon hier und da ein Begriff war. Niemand hat die Notwendigkeit gesehen, diesen Namen zu ändern, um so noch mehr Verwirrung zu stiften. Das hat natürlich den Nachteil, dass es Tina die Sängerin und TYNA die Band gibt. Und die einzigen Unterschiede sind dieses Y und die Großbuchstaben.
Seid ihr jetzt auch alle am Songwriting beteiligt?
David: Ja, sind wir. Das war auch teilweise vorher schon so. In der Popmusikwelt ist es häufig so, dass es unsichtbare Kollaborationen gibt, also dass Freund:innen oder Produzent:innen mitschreiben zum Beispiel. Das war auch bei dem Projekt TYNA immer schon eine gemeinschaftliche Arbeit. Aber bei diesem Album noch mal mehr. Wir sind alle mit an Bord.
Gilt das auch für die Texte?
Mia: Wir sind alle daran beteiligt, aber Tina macht den Hauptteil aus, auch weil sie das verbal und emotional rüberbringen muss. Da liegt der Hauptaspekt bei ihr. Es ist aber wie gesagt schon immer so gewesen, dass es Co-Writer:innen gab, die am Text mit beteiligt waren. Wir haben im Zuge des Albums viele Dinge noch mal neu eingefasst, auch Songs, die es dann schon länger gab, wie jetzt zum Beispiel die aktuelle Single „Unterwelt“. Da gab es einen Text, den Tina mitgebracht hat und der im Studio weiter bearbeitet wurde, hier hat unser Keyboarder noch eine ganze Menge mit dazu gedichtet.
David: Es geht am Ende darum, dass sie diese Geschichte irgendwie auf der Bühne und natürlich auch abseits der Bühne personifiziert. Es geht häufig um sehr persönliche Dinge, wie zum Beispiel beim Song „Heute Euphorie“ oder auch bei „Unterwelt“. Dann gibt es aber auch Songs, die ein bisschen allgemeiner sind, wie zum Beispiel „FCK FRNTX“, der die Sicht aller in der Band ausdrückt, wo der Text entsprechend kollaborativer entstanden ist.
Ich finde es auffällig, dass die Texte sehr geradlinig sind. Es wird nichts hinter Metaphern verborgen. Ist euch wichtig, dass der Inhalt eines Songs im Vordergrund steht?
David: Es ist uns wichtig, dass jeder Song eine Aussage hat und dass wir als Band Position beziehen. Natürlich politisch, aber auch menschlich. Und dazu gehört irgendwie auch, mittels der Sprache in unseren Songs klar auszudrücken, worum es geht oder wie man sich fühlt. Wir haben auf dem Album auch ein paar Songs, die ein bisschen abstrakter formuliert sind, bei denen wir mehr Freude am Spielen mit Wörtern haben. Überall dort, wo die Message extrem persönlich oder uns besonders wichtig ist, hat es sich am sinnvollsten angefühlt, das auch gerade heraus zu sagen und wenig um den heißen Brei herum zu tanzen.
Mia: Das ist etwas, wofür das Projekt TYNA eigentlich schon immer gestanden hat. Klar ist Spielraum für Interpretationen immer schön, gerade in der Kunst, aber manche Themen sollten wirklich direkt mitgeteilt werden. Nichtsdestotrotz gibt es ja auch hier und da mal so ein paar sarkastische Momente.
Ihr nutzt auch drastischere Ausdrücke. Zum Beispiel im Song „Hunger“, in dem ein „Fick dich“ fällt.
Mia: Wir haben lange überlegt, ob wir das machen wollen. Im Endeffekt sind wir zu dem Entschluss gekommen: Ganz ehrlich, wir denken aber doch genau das. Es geht in dem Song um FLINTA*, die in einen Club gehen und angegafft oder sogar angegrapscht werden und denken oder sagen: „Alter, fick dich einfach!“ Warum sollte dieser Gedanke versteckt werden?
„Heute Euphorie“ ist zum einen extrem persönlich, fällt aber auch musikalisch ein bisschen aus dem Rahmen. Hat der Song noch mal einen besonderen Stellenwert?
David: Das ist wirklich ein sehr persönlicher Song. Tina war letztes Jahr in klinischer Behandlung wegen Depressionen. Es war eine krasse Zeit für uns als Band, weil wir auf ganz tollen Festivals spielen konnten. Wir waren unter anderem beim Hurricane und auf dem Southside und es war kaum zu glauben, dass wir auf diesen gigantischen Bühnen auftreten dürfen. Wir haben an einem Tag auf diesen Festivals gespielt und am nächsten ist Tina wieder in die Klinik gegangen oder sie war morgens noch dort und stand abends dann auf der Bühne. Heftig. Das war für uns alle eine intensive Zeit, aber natürlich vor allem für Tina. Ich habe sehr viel Respekt dafür, wie sie das so gemacht hat und auch, dass sie so offen darüber spricht. Das ist, glaube ich, nicht immer leicht, aber sie tut es, um ein Bewusstsein dafür zu schaffen und das Thema zu enttabuisieren. Als wir den Song das erste Mal gehört haben, mussten wir alle erst mal schlucken. Der Song fällt so, wie er jetzt auch musikalischen geworden ist, schon ein bisschen auf. Das war genau das, was wir wollten, weil das Thema diesen besonderen Platz haben soll.
Mia: Auch dieser Song beschönigt oder verbirgt nichts. Da wird von Depressionen gesprochen und dieses ja doch klinische Wort auch benutzt, ohne ein schickes Bild drumherum zu basteln. Dabei ist Tina ganz stark geblieben. Viele Menschen haben Depressionen, wollen es aber nicht wahrhaben oder können irgendwie nicht greifen, was das überhaupt ist. Meiner Meinung nach ist es wichtig, dass dieser Betriff genannt wird.
Überhaupt ist es eine recht diverse Platte. Wer sind eure Lieblingsbands, eure musikalischen Vorbilder?
Mia: In das Projekt TYNA sind natürlich sehr viele Pop-Punk-Bands eingeflossen. Und ich selbst höre sehr viel deutschsprachige Musik, speziell von FLINTA*-Personen, und da schaue ich dann auch mal, was die so machen. Murphy ist auf der einen Seite der totale Metalhead und auf der anderen Seite der krasse Classic-Freak. Wenn wir nachts fahren, hört er einfach mal eine Symphonie runter. Es gibt super viele unterschiedliche Einflüsse.
David: Hauptsächlich sind es die deutschen Pop- und Pop-Rock- und Punkbands. JENNIFER ROSTOCK oder MADSEN zum Beispiel. Tina ist auch ein großer HEISSKALT-Fan. Ich erkenne auf der Platte einige der Sachen wieder, die wir im Tourbus gehört oder auf Festivals zusammen gesehen haben. TEAM SCHEISSE zum Beispiel, wie man in dem Song „Sorgen“ ganz gut hören kann. Wir haben auch ein paar Indie-Momente, wo amerikanische und britische Bands Spuren hinterlassen haben, IDLES oder auch DEHD.
Ich würde euch schon weitestgehend als Punkband beschreiben. Ihr sucht aber auch immer mal wieder dancy Moments und Partystimmung. Wahrscheinlich kommt das nicht zuletzt durch den Synthie-Einsatz, zum Beispiel in „Kaugummi“ oder in „WWNWWT“. Im Punk sind Synthies ja nicht ganz so häufig anzutreffen.
David: Tina, Freddy und ich haben uns 2019 beim „Popkurs“ in Hamburg kennen gelernt. Gerade zwischen Tina und Freddy hat sich gleich eine magische Verbindung ergeben. Tina und Freddy haben eine total geile Rezeptur aus diesem von Gitarren getriebenen Rock-Sound und dem Synthesizer gefunden. Punk, ja klar, aber es sind auch NDW- und Achtziger-Jahre-Einflüsse dabei. In der deutschen Rock- und Punk-Szene taucht so was schon hier und da mal auf, aber es spielt häufig eine untergeordnete Rolle gegenüber der Gitarre und bei uns ist das gleichauf. Es macht auf jeden Fall tierisch Bock. Live klingt es schon immer krass gut.
Mia: Bei Punkbands gibt es oft zwei Gitarren. Die brauchen wir gar nicht, weil Freddy und ich uns da aushelfen. Es gibt nicht nur diese kleinen Minimelodien, die auf den Synthies gespielt werden, sondern ein richtiges Brett. Das ist total cool und was Besonderes in unserem Sound.
Ist euch wichtig, bei all den sehr ernsten Themen, die man auf der Platte findet, auch ein bisschen Spaß zu verbreiten?
David: Es gibt Songs, die ernste Themen ansprechen, und andere, die ein bisschen ulkiger oder ein bisschen partymäßiger sind. Aber in allen Songs findet man eine gewisse Verspieltheit. Wir finden auch wichtig, dass das immer erhalten bleibt und wir uns da nicht verstellen. Es soll auf keinen Fall in einem Muster bleiben. Ernstes Thema, also ernster Song, ernster Sound, bloß keine Miene verziehen. Es gibt Dinge, die sind richtig scheiße und müssen sich auf jeden Fall ändern, und das wollen wir auch ansprechen, aber wir sind auch Menschen, die Spaß und Lachen brauchen. Wir können in einem Song die Situation an der europäischen Außengrenze ansprechen und gleichzeitig dazu tanzen. Das schließt sich nicht aus und macht es vielleicht sogar noch intensiver und nahbarer, auch für die Leute.
Mia: Es bringt nichts, immer nur den Kopf in den Sand zu stecken, sondern wir sollten grundsätzlich einfach mit ganz viel Liebe und Spaß und guter Laune durchs Leben gehen, auch wenn es manchmal nicht so schön ist.
„FCK FRNTX (Paradies Europa)“ klingt fast wie eine Industrial-Nummer. Müsst ihr euch manchmal ein bisschen am Riemen reißen, damit nicht alles aus den Fugen gerät?
Mia: In unserer Songwriting-Phase klangen die Stücke nicht zusammenpassend. Wir fanden sie aber alle geil und sagten uns: Das wird schon, es wird cool. Wir sind also mit diesen Songs im Gepäck ins Studio gegangen. An diesem Punkt hat unser Produzent Flo mega krasse Arbeit geleistet, um unsere verschiedenen Einflüsse und unsere Verspieltheit in eine Bahn zu lenken. Ja, die Songs sind unterschiedlich, aber für mein Empfinden passen sie gut zusammen auf der Platte, weil sie die Diversität widerspiegeln, die wir selbst in uns tragen, als Band. Wir sind nicht einfach eine Person und alle gleich, sondern wir sind irgendwie von Grund auf alle verschieden, auch wenn wir dasselbe wollen. Die Menschen auf der ganzen Welt sind divers, deswegen ist auch unsere Platte divers.
David: Diversität auf den Bühnen und Diversität in der Musik sozusagen. Es gibt immer diese Gespräche bei Bands. Früher oder später stellt immer irgendjemand die Frage: „Aber wie kriegen wir da denn jetzt den roten Faden rein?“ Es ist immer Tina, die singt, es ist immer Mia, die Gitarre spielt, Freddy, der die Synthies dreht, Murphy am Bass und in dieser Konstellation klingen wir, wie wir klingen. Das bindet die Dinge zusammen.
Mia: Ja, total. Wir sind der rote Faden.
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