Viele Bands nehmen sich trotz all des Blödsinns, den sie absichtlich oder auch unabsichtlich verzapfen, fürchterlich ernst. Der Effekt ist ungewollt irritierend. Die Hamburger von TRIXSI hingegen werden nicht müde, den Funfaktor ihrer Band zu betonen. Ein gutes Beispiel dafür ist die Erbsen-und Möhren-Dose auf dem Cover ihrer neuen Platte (einfach mal nach dem CAN-Album „Ege Bamyasi“ googlen), darauf der ulkige Titel „... And You Will Know Us By The Grateful Dead“ – erinnert sich noch wer an die Bands GRATEFUL DEAD und ... AND YOU WILL KNOW US BY THE TRAIL OF DEAD? TRIXSI, bestehend aus Paul und Torben von HERRENMAGAZIN, Jörkk von LOVE A, Klaus von JUPITER JONES und Kristian von FINDUS, kehren den Ernst eben nicht gern nach außen, sondern überraschen uns erst bei genauem Hinhören mit der Tiefe ihrer Songs. Umso erstaunlicher ist dieser kleine Kunstgriff, wenn sie erzählen, wie der Weg zu ihrem zweiten Album aussah.
In unserem letzten Interview sagtet ihr, dass die Band TRIXSI ganz ohne Druck funktioniert und ihr die Songs locker aus dem Ärmel schüttelt. Alles nach dem Motto: Eine Probe, ein Song. Konntet ihr diesen Vibe bei der neuen Platte aufrechterhalten?
Torben: Ich glaube, wir haben es auf die Spitze getrieben. Es ist ganz ulkig, wenn du uns zur Platte gratulierst und die ersten Interviewanfragen reinkommen, weil ich erst jetzt angefangen habe, die Songs kennen zu lernen. Mir wird gerade erst bewusst, dass wir eine Platte gemacht haben. Wir haben das Album an zwei Wochenenden geschrieben und sind komplett unfertig ins Studio gegangen. Mit Ausnahme der Songs, die auf der 7“ „Scheiß Urlaub“ waren, die wir zwischendurch noch rausgebracht haben.
Zwei Wochenenden?
Torben: Ja. Zwei Wochenenden, an denen wir uns wirklich alle gesehen haben. Zwischendurch haben wir mal rumgedaddelt, darum waren zumindest Ideen da.
Jörkk: Aufgenommen und fertig geschrieben wurde die Platte dann in drei Tagen. Da wurde aber eher aus der Not eine Tugend gemacht, als dass man da von Leichtigkeit sprechen könnte. Wir hatten einfach alle keine Zeit. Wegen Corona haben wir uns einfach nicht gesehen oder getroffen. Dann war mal einer im Urlaub oder sonst wie beschäftigt. Plötzlich hieß es: Ihr müsst das Album abgeben!
Wer hat euch gesagt, dass ihr das Album abgeben müsst? Habt ihr Druck vom Label bekommen?
Jörkk: Wir haben angekündigt, ein Album zu machen, und irgendwann rückte der Termin näher. Wir hatten also eine Deadline.
Torben: Die Deadline gab es, weil unser einziges Ziel war, beim Ox-Festival dieses Jahr in Hamburg die Releaseparty feiern zu können. Darum gab es von unserem Label Glitterhouse die Ansage, dass wir bis Ende Februar die komplette Platte inklusive Mastering und Cover abgeben müssen. Im Dezember dachten wir dann alle: Scheiße!
Der Dezember 2021?
Torben: Ja genau. Da war der einzige freie Termin von unserem Gitarristen Kristian, in dessen Studio wir aufnehmen wollte.
Wenn man bedenkt, dass momentan alle darüber klagen, wie lange sie aufgrund der Situation in den Presswerken auf ihre Platten warten müssen, habt ihr ja richtig Schwein gehabt.
Torben: Unser Label Glitterhouse hat das Presswerk für Ende Februar frühzeitig reserviert, weil sie wussten, dass es ewig dauert, und darum mussten wir auf jeden Fall liefern. Das war ein Trip, und darum kann ich auch nicht sagen, dass wir diese Leichtigkeit hatten wie bei der ersten Platte, bei der wir einfach nur Spaß zusammen hatten.
Du, Torben, bist ja vor allem verantwortlich für das Songwriting bei TRIXSI, richtig?
Torben: Es ist so, dass ich den Großteil der Sachen geschrieben habe. So wie das dieses Mal gelaufen ist, war es aber ein bisschen anders. Paul hat auch einen Song geschrieben, nämlich „Schlangenmann“, der jetzt auch die erste Single wird. Es war alles etwas freier. Die andere Single, die rauskommen wird, ist „Panik“, dieser EAGLES-mäßige Song. Den haben wir im Studio völlig verändert. Wegen solcher Momente war der ganze Prozess für mich ein Trip. So unvorbereitet bin ich vorher noch nie ins Studio gegangen. Wir sind ja keine Mucker, aber wir haben es dennoch geschafft, die Aufnahmen in drei Tagen hinzukriegen. Das Album klingt jetzt eben sehr spontan.
Seid ihr denn unter diesen ungewöhnlichen Umständen mit dem Ergebnis zufrieden?
Torben: Ja, ich mag es richtig gern. Die Platte hat genau den Vibe, bei dem man hört, dass Menschen einfach Spaß zusammen haben. Wie unser erstes Album hat es auch wieder diese Vielseitigkeit. Wir haben so viel gelacht und Quatsch im Studio gemacht. Das Intro ist tatsächlich unser Schlagzeuger Paul, der bei sich auf dem Land irgendwo in Bad Neuhaus Gitarre spielt und ohne Ende Fehler macht, weil er nun mal nicht Gitarre spielen kann. Die Vögel, die man hört, sind auch echte Vögel. Wir fanden die Aufnahme so witzig, dass sie das Intro werden musste.
Das Intro ist witzig, der Titel „... And You Will Know Us By The Grateful Dead“ ist witzig, das Cover ist witzig. Dann hört man sich die Platte an und stellt fest: Die ist eigentlich gar nicht so lustig. Wolltet ihr einfach gern eine Erwartungshaltung schaffen und die komplett enttäuschen, oder positiver gesagt, durchbrechen?
Torben: Ja, ich finde das schön. Das ist gewissermaßen das TRIXSI-Prinzip. Wenn man das Cover sieht, den Titel liest und das Intro hört, könnte man an Klamauk denken, als ob wir wie DIE ÄRZTE Fun-Punk machen. Umso schöner fanden wir es, als zweiten Song direkt „Vergib dir selbst“ zu wählen, der ganz düster ist und die Stimmung komplett umkippt. Glitterhouse hat uns auf die Aufnahmen hin geantwortet, dass es viel mehr Bands wie TRIXSI geben müsste, weil man sowohl schmunzeln als sich auch in die ernsthaften Themen reinfallen lassen kann. Das liegt zu einem großen Teil an Jörkk. Die Texte sind ja nie wirklich lustig. Man kann oberflächlich schmunzeln, aber eigentlich ist alles bitterböse, wenn man wirklich in die Materie Mechenbier eintaucht.
Das heißt, ein Gefühl zu eurer eigenen Platte habt ihr eigentlich erst nachträglich entwickeln können?
Torben: Genau. Mir geht es zumindest so und ich glaube, den anderen auch. Klaus wusste zum Beispiel bei den Songtiteln erst gar nicht, welche Lieder dahinterstecken.
Abgesehen von dem sehr schnellen Track „Eegal“, ist der Tempodurchschnitt des Albums recht niedrig. Es sind zwar keine Balladen, aber eben recht langsame Songs. Wie kommt das? Euer Debüt war ja ein großes Kuddelmuddel aus sehr verschiedenen Songs und Stilen.
Torben: „Schlangenmann“ ist vielleicht noch etwas schneller, aber stimmt, das war’s dann eigentlich. Darüber haben wir uns aber gar keine Gedanken gemacht. Ich kann nur sagen, dass wir die Ballade unserer ersten Platte sehr gern live spielen, und es vielleicht darum so gekommen ist. Ich kann aber nur mutmaßen. Es ist auf jeden Fall kein Ausdruck von Altersmilde. Ich hatte mir viele Riffs vorher zu Hause überlegt, und zu denen hätte es nicht gepasst, sie schneller zu spielen. „Wer schreit der bleibt“ ist mir zum Beispiel fast zu schnell geraten. Ich war aber auch schon immer ein Balladen-Heini. Ich liebe ruhige Musik einfach und kann alles darin finden. Nicht nur Trauer, sondern auch Freude. Eine meiner Lieblingsbands sind R.E.M.
Man kann das Label „Deutschrock“, das ihr euch vorher ein wenig absurderweise auferlegt habt, jetzt auf jeden Fall eher nachvollziehen. Das Rockige zieht sich schon durch.
Torben: Das stimmt, es gibt noch mehr Rock.
Jörkk: „Vergib dir selbst“ und auch die Ballade zum Schluss sind sehr getragene Songs. Ich empfinde es aber gar nicht als so abweichend von der ersten Platte. Man hört den Frei-Schnauze-Style. Wir haben uns wieder viel getraut.
Bei der ersten Platte sehe ich das genauso. Das waren alle möglichen Arten von Songs. Diese ist jetzt insgesamt ruhiger und rockiger.
Torben: Ja, es ist alles sehr riffbasiert. Eigentlich waren wir noch freier als beim Debüt. Deswegen höre ich die neue Platte auch so gern. Sie ist noch weniger Indie oder Punk. Es ist einfach Musik und das mag ich.
Jörkk: Das finde ich auch sehr gut. Ich bin immer so extrem dogmatisch. Bei LOVE A hatte ich bei „100.000 Stühle leer“ total Angst, weil ich dachte, dass wir so was gar nicht machen dürfen. Ich werde 45 und habe immer noch Angst, dass irgendwas nicht Punk genug ist. Eigentlich mache ich auf unserer Platte das Gleiche, was ich immer mache, aber ich freue mich total über kleine Experimente.
Torben: Ich liebe Jörkks tiefe Stimme. Die kommt auf dieser Platte viel mehr raus. Ich glaube, da hat er auch noch mal viel gelernt.
Jörkk: Ich habe sonst immer die Mechenbier-Keife gemacht. Irgendwann bist du da aber limitiert. Du kannst ja nicht bei jedem Song kreischen und krähen. Wenn die Songs dann mal getragener und melodiöser werden, musst du mal was anderes probieren. Die Jungs haben mich darin auch bestärkt.
Torben: Ich habe schon die schönsten Referenzen zum Album gehört. Meine Frau sagte, es klingt wie SELIG. PLACEBO habe ich auch öfter gehört, aber nicht wegen des Gesangs. Wir sind tiefer in die Neunziger-Rock-Historie eingestiegen.
Ich musste beim Hören auch an die Neunziger denken. Weniger an PLACEBO als an WEEZER und zum Ende der Platte hin sogar an OASIS. Was für Referenzen habt ihr denn im Kopf gehabt?
Jörkk: Sehr wenige. Es gibt tatsächlich immer mal wieder den WEEZER-Moment. Ich denke auch an die SMASHING PUMPKINS. Die Platte klingt nicht genau so, aber es ist so eine Art Musik. Lasse von SCHRENG SCHRENG & LA LA stichelt ja immer gern und sagt, dass ihm bei LOVE A alles zu wavig und kalt ist, aber TRIXSI ist genau seine Musik, weil er da auch sehr viel Neunziger- und College-Rock raushört. Wir kochen den Kram nicht bewusst wieder auf, aber die Referenzen gehören zur Vita von uns allen.
Torben: Bands, die mir mit Zwanzig oder Dreißig peinlich waren, weil man die in der coolen Szene ja nicht hören kann, die höre ich jetzt unheimlich viel und kann mich mit meiner Jugendmusik viel positiver auseinandersetzen. Ich höre momentan auch mega viel NIRVANA, weil mein Sohn das so geil findet.
Jörkk: Seit meinem Ausstieg aus der Musikbranche habe ich diese Ebene gar nicht mehr. Wir reden jetzt mit einem Musikmagazin, da macht es Sinn, über musikalische Referenzen zu reden. Aber im Proberaum habe ich überhaupt keine Idee von Musik, abgesehen davon, dass ich welche machen will. Das ist mein Eskapismus und ich kann ungezwungen kreativ sein. TRIXSI fühlt sich an wie eine Spielgruppe. Ich darf mich austoben, aber ich gehe nicht Kunst schaffen. Ich fühle mich ganz losgelöst von Musik, während sie entsteht.
Was meinst du mit Ausstieg aus der Musikbranche, Jörkk?
Jörkk: Ich habe aufgehört, da zu arbeiten. Als ich da noch gearbeitet habe, hatte ich auch schon die Schnauze voll. Ich bin froh, dass ich das alles gemacht habe und die Leute kenne, aber ich bin total froh, dass ich da raus bin. Das Kennenlernen des Backends und die fortlaufende Entmystifizierung hat mir das „Typ in der Band sein“ verleidet. Jetzt macht es mir wieder Spaß. Es ist bei keiner Band so ungezwungen wie mit TRIXSI.
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