TRAINWRECK

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The Fast, The Loud And The Furious

Aus der Asche von EAVES und ENGRAVE wurde Ende 2005 das, was heute mit zur Speerspitze der deutschen Hardcore-Szene gehört: TRAINWRECK. Gefühlt spielen sie jeden Tag im Jahr eine Show, auf der sie sich den Arsch aufreißen. Ganz so ist es zwar nicht, aber dennoch ist diese Band wahnsinnig präsent. Im Rücken bis dato eine MCD/12“, eine Split-CD/LP mit COMADRE und eine Vierer-Split-CD/LP mit ZANN, PERTH EXPRESS, GHOSTLIMB und dieses Jahr dann die neueste Walze „Of Concrete Canyons And Inner Wastelands“. Mehr dazu von Andi (Stimme) und Marc (Gitarre).

Andi, erzähl zu Beginn mal, wie es überhaupt zum Ende von ENGRAVE kam.

Andi: Ich schätze, wir haben uns aus den gleichen Gründen aufgelöst, wie die meisten Bands auch. Zunächst hatte unser Schlagzeuger wegen seines Medizinstudiums nicht mehr wirklich Zeit für die Band. Er hat zwar gesagt, dass er noch weitermachen könnte, aber dann nur in einem zeitlich sehr begrenzten Rahmen. Und eine Band, die alle paar Monate mal ein Konzert spielt, das wäre uns allen wohl nicht genug gewesen. Tja, und dann kamen da halt noch so ein paar zwischenmenschliche Probleme dazu. Man hat sich halt über die Jahre ein wenig auseinander gelebt. Jeder hatte irgendwann so seine eigenen Vorstellungen davon, wie die Band zu klingen hat, was für Konzerte man spielen möchte und so weiter. Da gab es mal des Öfteren Reibereien und Diskussionen, was, wie ich finde, nur natürlich ist, wenn fünf verschiedene Leute in einer Band zusammen spielen. Da muss man versuchen, einen gemeinsamen Nenner zu finden, und das haben halt bestimmte Personen nicht verstanden, konnten mit Kritik nicht umgehen und haben ihren Frust dann in sich aufgestaut. Es wurde nie drüber geredet und irgendwann hat es dann geknallt. Lustigerweise allerdings erst, nachdem die Band schon lange aufgelöst und es TRAINWRECK schon gab. Nachdem ENGRAVE 2004 das Zeitliche segneten, war TRAINWRECK allerdings noch nicht in unseren Köpfen, da EAVES ja auch noch sehr aktiv waren. Für Timo und mich war aber klar, dass wir weiter Musik machen wollen. Marc, Martin und Felix wollten nach dem EAVES-Split dann auch eine neue Band an den Start bringen. Wir haben uns also gesucht und gefunden, zumal wir uns schon lange kannten, mit unseren alten Bands gemeinsam auf Tour waren und bandmäßig so ziemlich die gleichen Ideen und Vorstellungen hatten.

Inwieweit hilft oder half euch die Erfahrung mit euren alten Bands?

Andi: Generell ist es einfach so, dass TRAINWRECK eben nicht mehr unsere erste Band ist und wir mit unseren alten Bands schon eine Menge „Lehrgeld“ bezahlt haben. Wir fangen also nicht wieder bei Null an und müssen aus den gleichen Fehlern lernen. Das beginnt beim Equipment, geht übers Aufnehmen und Rausbringen von Platten bis hin zum Organisieren von Touren. Dass wir in den ganzen Jahren eine Menge Leute kennen gelernt haben, ist sicherlich auch von Vorteil. Und ich schätze, wir haben auch aus den Dingen gelernt, die zur Auflösung von EAVES und ENGRAVE geführt haben.

Marc: Erfahrung ist auch wichtig, was das Zusammenspielen anbelangt. Vor allem aber ist es wichtig gewesen, dass alle in der Band wissen, was es bedeutet, in einer tourenden Band zu spielen. Dass man die Leute nicht mehr erziehen muss beziehungsweise jeder genau weiß, worauf er sich da einlässt, und es manchmal auch zu sehr unangenehmen Situationen kommen kann und der Spaß an der Sache dann deutlich verschwindet. Man weiß einfach mehr, was man will, und besonders natürlich, was man nicht will. Das erleichtert alles ungemein.

Marc, neben TRAINWRECK spielst du ja noch bei GLASSES. Erzähl mal was darüber ...

Marc: Durch die TRAINWRECK-Touren haben Enrico, Drums, und Benni, Bass, uns kennen gelernt und dann auch ziemlich schnell gemerkt, dass wir uns musikalisch gut verstehen. Irgendwann im Frühsommer 2008 haben wir dann mal Nägel mit Köpfen gemacht und uns in Göttingen zum Proben getroffen. Wir haben im Dezember 2008 die Platte aufgenommen und die erste Show gespielt. Musikalisch bin ich dadurch gut ausgelastet, weil GLASSES ein bisschen straighter und rockiger ist, was ich bei TRAINWRECK nur bedingt einbringen kann und will, aber trotzdem immer schon mal machen wollte.

Was machst du, wenn du keine Musik machst?

Marc: Ich mache viel im Autonomen Zentrum Aachen und verdiene mein Geld mit dem Unterrichten von Deutsch als Fremdsprache an der Uni in Aachen. Mein Studium habe ich auch endlich mal beendet. Das klappt eigentlich ganz gut. Auf der Arbeit haben wir ein gutes Verhältnis und für die US-Tour konnte ich mir sogar mal frei nehmen. Ansonsten habe ich über die Bands, in denen ich spiele, gelernt, meine Zeit gut einzuteilen.

Und wie sieht deine Arbeit im Autonomen Zentrum aus?

Marc: Ich mache seit Jahren mit einigen Leuten Konzerte dort. Wenn wir selber keine Shows organisieren, helfe ich bei anderen Veranstaltungen. Aktuell oder eigentlich schon seit Jahren hat das AZ ein paar Probleme, denn es soll womöglich verkauft werden. Früher haben wir viele große Shows dort gemacht, 2002 ist der Laden dann geschlossen worden, wegen Brandschutz – in einem Stahlbetonbunker! 2004 konnten wir den Laden wieder aufmachen, allerdings mit der Auflage, nur maximal hundert Besucher reinzulassen. Das hat dem Laden finanziell fast das Genick gebrochen und der alternativen Kultur in Aachen schwer zugesetzt. Wer mehr darüber wissen will, kann sich auf der Website az-aachen.de über den Laden und das aktuelle Programm informieren. Ich selber bin der Meinung, dass es sehr wichtig ist, Freiräume zu haben, in denen man sich jenseits des Mainstreams entfalten kann. Für EAVES war dies immer ein wichtiges Thema, da die Schließung da gerade aktuell war. Es gibt sogar ein EAVES-Interview in der Ox Ausgabe 51, wo wir uns zu diesem Thema äußern.

Was hat sich für euch in der Punk/Hardcore-Szene in den letzten Jahren verändert? Ich habe schon das Gefühl, dass die Punk/Hardcore-Szene Ende der 90er um einiges politischer war, als es heute der Fall ist. Heutzutage kommt mir alles etwas oberflächlicher vor, manchmal habe ich den Eindruck, dass Style und Image das Einzige sind, was die Leute interessiert. Das soll jetzt aber nicht heißen, dass alles Scheiße ist, es gibt genau wie vor zehn oder mehr Jahren noch immer jede Menge Leute, die coole und inspirierende Sachen auf die Beine stellen.

Marc: Vieles und nichts. Ich glaube, es gibt in diesem Hardcore/Punk/Emo-Bereich alle paar Jahre eine neue Stilrichtung mit dazugehöriger Mode, die dann eine Weile bleibt, bis wieder was Neues dazu kommt. Mal sehen, ob das so weiter geht. Als ich Anfang/Mitte der Neunziger anfing, auf Shows zu gehen, sahen auch alle ganz anders aus. Durch die Medien ist es sicherlich einfacher, sein Zeug unter die Leute zu bringen. Man kann auch bessere Aufnahmen mit wenig Geld machen. Die Öffnung der Grenzen und der Euro haben das Touren in Europa eventuell ein bisschen erleichtert. Wenn man sich Fragen in Interviews von vor zehn Jahren durchliest, sagen die Leute oft: „Früher war alles besser“, das kann ich nur bedingt unterschreiben. Damals war mehr Feuer unterm Hintern, habe ich das Gefühl, vielleicht weil alles schwieriger war. Ich denke auch, dass im Zuge dieses MTV-Emo/Screamo-Punks der Modeaspekt alles andere oft überschattet und Inhalte immer mehr in den Hintergrund treten. Auf der anderen Seite wäre ich bestimmt auch schon längst nicht mehr dabei, wenn es mir nicht immer noch Spaß machen würde. Und viele Leute engagieren sich ja auch sehr stark, damit das Ganze nicht bloß zum Soundtrack einer Modeerscheinung wird.

Wie siehst du die deutsche Szene im Moment?

Andi: Auch wenn es Bands wie YAGE, LOXIRAN/CHISPA oder ENFOLD nicht mehr gibt, schätze ich ist die „Szene“ als noch genauso lebendig und aktiv wie immer ein. Gut, man könnte darüber streiten, ob die Bands, die zur Zeit unterwegs sind, genauso viel Gewicht haben, wie jene von damals, aber das ist letztendlich eine subjektive Empfindung. Gute Bands kommen und gehen, das Wichtigste ist aber, dass es immer weitergeht ... Und ich finde, es gibt noch immer jede Menge coole Bands: ZANN, LOUIS CYPHRE, obwohl die ja momentan mehr sporadisch aktiv sind, DANSE MACABRE, JUNE PAIK, CAVE CANEM, PATTERNS und PLANKS zum Beispiel, oh ja, Marcs neue Band GLASSES – die kann auch was ...

Marc: Das ist eine sehr schwierige Frage, weil ich keine einheitliche Szene sehe. Es gibt überall Subszenen, zu denen ich oft nicht so viel Zugang habe. Diese Pluralität ist sicherlich gut und notwendig. Ich finde es nur sehr schräg, dass man versucht unter den Oberbegriffen Screamo, Emo, Punk und Hardcore, Menschen in eine Schublade zu stecken, die oft absolut gar nichts gemeinsam haben. Außer vielleicht Buttons und Gitarrenmusik. Ich würde mich am ehesten noch zur D.I.Y.-Szene zählen, obwohl es da weniger um einen konkreten Sound geht, als vielmehr um die Einstellung zur Sache. Diese Szene hat meiner Meinung nach einen großen Aufwind, weil es auch über die modernen Kommunikationsmittel wesentlich einfacher ist, ein Netzwerk aufzubauen.

„If you want to believe in a god or anything else for that matter, do so, but we believe that those things have nothing in common with HC/Punk and D.I.Y. ethics“, schreibt ihr auf eurer Website. Erläutert das bitte mal.

Andi: Es geht halt einfach darum, dass es in der Punk/Hardcore-Szene doch noch jede Menge Leute gibt, die an Gott glauben. Was ich persönlich nicht verstehen kann. Ich finde es eine absurde Idee, dass wir nach unserem Tod in den Himmel oder die Hölle kommen oder so einen Quatsch. Aber egal, soll jeder machen, was er will, wenn man dann nachts besser schlafen kann, warum nicht? Was uns allerdings stört, ist diese Verquickung von Punk/Hardcore und Religion. Da haben diese ganzen Tooth & Nail-Kasper irgendwas Grundlegendes nicht verstanden: Wenn es eine grundlegende Message in der Punk/Hardcore-Szene gibt, dann doch wohl die eines selbstbestimmten Lebens, dass man an sich selbst glauben soll und nicht die Gebote einer höheren Macht befolgt. Etwas Konservativeres kann es doch gar nicht geben.

Welche Rolle spielen Texte und Politik bei euch? Wie gehst du textlich an einen Song ran?

Andi: Ich denke, dass die Texte schon eine große Rolle spielen, gerade im Zusammenhang mit unserer Musik, die ja nun etwas aggressiver ist. Da finde ich es wichtig, Texte zu schreiben, die Anspruch haben und auch vermitteln, warum wir so angepisst sind. Es gibt ja genug Dinge, über die man sich aufregen kann und wo es sich lohnt gegen anzuschreien, oder einfach auch mal den Frust, die Angst oder Verzweiflung oder eben auch die Liebe, die man verspürt, rauszuschreien. Ist zwar ein Klischee, aber man kann da schon die vielzitierte Katharsis bemühen. Ich halte es mit den Texten einfach so, dass ich über das schreibe, was mich beschäftigt, denn die Texte sollen vor allem ehrlich sein. So lange es Dinge sind, die einen selbst berühren und ehrlich rübergebracht werden, vielleicht auch noch mit Stil und Niveau, kann man auch über alles Mögliche singen. Obwohl ich nicht sagen würde, dass wir eine politische Band sind, hat Politik natürlich auch einen Platz in der Band und in den Texten. Es ist ja auch so, dass Politik unser aller Leben beeinflusst und viele Dinge im Argen liegen, die einen motivieren, angepisste Lieder zu schreiben. Das Problem ist dabei nur, dass ich versuche, die Texte allgemein zu halten und mich nicht direkt aufs tagesaktuelle Politgeschehen beziehe. Ganz einfach, weil die Texte auch noch in ein, zwei Jahren einen Sinn machen und nicht völlig überholt sein sollen. Die Texte schreibe ich eigentlich immer unabhängig von der Musik, sobald mir etwas in den Kopf kommt, wird es aufgeschrieben. Wenn wir neue Lieder schreiben, schaue ich halt, welcher Text dazu passt, also inhaltlich, aber auch stimmungsmäßig, und bastle dann noch ein bisschen dran rum, bis alles passt.

Und was erwartet uns in dieser Hinsicht auf euerem neuen Album „Of Concrete Canyons And Inner Wastelands“ auf Adagio830 Records?

Marc: Grob gesagt, beschäftigen wir uns darauf mit urbanem Leben. Das bedeutet, dass wir versucht haben, das Bedrohliche und Erstickende, aber auch Faszinierende von Großstädten/Betonwüsten, artworktechnisch, musikalisch und textlich umzusetzen. Die Lichter der großen Städte haben schon immer eine magische Anziehungskraft auf Menschen gehabt. In diesen Städten liegen Erfolg, was immer das ist, und Misserfolg, Hoffnung und Hoffnungslosigkeit eng beieinander. Vieles, was man an der Gesellschaft kritisieren kann, findet einen fruchtbaren Boden in den großen Städten, wo der einzelne Mensch als Individuum untergeht. Sei es Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen, stumpfes Nine-to-five-Gearbeite, Profitgier, Intoleranz, Hass und vieles mehr.

Ihr hattet bisher immer recht gute Connections zu amerikanischen Bands, vor allem was das Touren betrifft. Ihr wart ja schon mit BURIAL YEAR, COMADRE, GRAF ORLOCK und AKIMBO unterwegs ...

Andi: Mit unseren Touren hatten wir fast immer Glück. Ich denke, dass wir bei so vielen coolen Touren mitfahren konnten, hat wieder damit zu tun, dass wir eine Menge Leute kennen. Die Freundschaften, die dabei entstanden sind, haben auf jeden Fall Bestand. Wir haben auch noch zu allen Kontakt und freuen uns darauf, sie bald mal wieder zu sehen.

Und wie war die Resonanz vor Ort in den USA? Was würdest du aus der rein finanziellen Sicht sagen, Aufwand versus Ertrag? Und wie habt ihr die Szene dort erlebt, Leute, Locations, Organisation?

Andi: Die US-Tour, die wir August 2007 absolviert haben, war die beste Tour, die ich je gemacht habe – und ich denke, ich kann das mal auch einfach für die anderen behaupten. Wir hatten uns natürlich alle vor der Tour so unsere Gedanken gemacht, wegen der ganzen Geschichten, die man so hört, dass das Touren in den USA eher schwierig ist, von wegen Kohle, Essen und Pennplätze und so, aber im Endeffekt lief dann alles eigentlich super. Das lag aber wohl hauptsächlich daran, dass COMADRE sich, wie gesagt, den Arsch für uns aufgerissen haben, uns Backline und Bus zur Verfügung gestellt haben und bei den gemeinsamen Shows immer darauf geachtet haben, dass wir die meiste Kohle kriegen und zwischen ihnen und GRAF ORLOCK spielen konnten. Bei COMADRE in San Francisco hat man dann sowieso keinen Unterschied mehr zwischen USA und Europa gemerkt, wir konnten tagelang bei den Jungs abhängen, es gab Barbecues und eigentlich blieben da keine Wünsche offen. Gut, es war tatsächlich so, dass wir uns bei den meisten Shows selber ums Essen kümmern mussten, das war schon okay, aber es gab auch Ausnahmen. Im Che Café in San Diego gab es zum Beispiel Pizza und danach ging es in eine Eisdiele, die den Eltern von einem der Konzertveranstalter gehörte, wo wir uns für lau mit veganem Eis eindecken konnten – der Hammer! Aus finanzieller Sicht würde ich die Tour gar nicht betrachten, da es einfach eine super Erfahrung war und wir auch bereit gewesen wären, dafür draufzuzahlen. Wir hatten uns im Vorfeld auch darauf eingestellt, dass es eben wie ein ganz normaler Urlaub wird, für den man ja auch latzen muss, nur halt mit jeder Menge Bandspaß dabei.