TRAINWRECK

Foto

Shadowplayers

Neuer Mann am Bass, neue Veröffentlichung, neues Interview. Punkt! Punkt? Nein. Denn so einfach ist es dann auch wieder nicht. TRAINWRECK waren und sind einfach mehr. Mehr Druck, mehr Tiefgang, mehr Mosh, mehr Rock, mehr Ehrlichkeit und seit Neuestem auch mehr Melodie. In ihrem mittlerweile sechsten Bandjahr angekommen, beweist der Fünfer, dass mit ihrem neuesten Release „If There’s Light It Will Find You“ definitiv noch nicht alles ausgeschöpft ist. Sänger Andi, Gitarrist Marc, Drummer Felix und Neubasser Benni erzählen uns, warum dies so ist, warum Japan Segen und Fluch zugleich war, und so einiges mehr.

Ich bewundere ja eure ständige Präsenz: hier eine Veröffentlichung, da eine Tour, wieder eine Veröffentlichung. So richtig still wird es um euch irgendwie nie. Hat wohl viel damit zu tun, dass ihr euch den Luxus gönnt, kein ganzes Album, sondern mehr EPs und Split-Releases zu veröffentlichen. Warum ist das so, warum kein Album?

Andi: Ich würde auch gerne mal über die für uns magische Sechs-Song-Grenze pro Release hinwegkommen, aber irgendwie ist dafür nie genügend Zeit. Wir haben halt nur ein gewisses Zeitkontingent für die Band, und in der Vergangenheit war es häufiger so, dass wir die Zeit, die wir hatten, eher auf Tour als im Proberaum verbracht haben. Das Schreiben der Lieder spielt sich meist auf einem komprimierten Zeitraum von ein, zwei Monaten ab. Mit der neuen Platte sollte es zudem ein Stück voran gehen. Das umzusetzen fiel uns eben nicht ganz so leicht und hat einiges an Zeit gekostet, bis wir an einen Punkt gekommen sind, an dem alle zufrieden waren und wir der Meinung waren, dass das die besten Lieder sind, die wir hinbekommen. Das mit den sechs Songs relativiert sich ja glücklicherweise wieder ein wenig, da wir ja auch schon mal fünfminütige Lieder machen, aber ja: zehn Songs auf einer Platte fände ich geil.

Felix: Ich würde auch sagen, dass es neben unserem kategorischen Zeitproblem auch an einer recht heftigen Umbruchphase lag. Wir haben ja neben Benni außerdem auch kurzzeitig Ralph von PLANKS am Bass gehabt. Sowohl er als auch danach Benni mussten ja erst mal reinkommen, bevor wir überhaupt mit was Neuem anfangen konnten. Dann sind einige von uns mit dem Studium fertig geworden beziehungsweise haben angefangen zu arbeiten. Von Luft und Punkrock alleine lässt sich eben nur schlecht leben. Dann hatte Marc auch GLASSES gegründet und wir mussten uns erst mal orientieren, wie und ob es überhaupt weitergeht. Wir haben halt tatsächlich zwischenzeitlich in anderthalb Jahren nur einen einzigen Song geschrieben und da stellte sich dann auch mal die Frage, ob wir die Band noch gestemmt kriegen. Glücklicherweise haben wir uns aber noch mal zusammen gerissen, und jetzt mit Benni läuft es in einem kleineren Zeitrahmen wieder bestens.

Wie weit ist Benni am Songwriting beteiligt?

Andi: Von dem Zeitpunkt an, als Benni bei uns in Aachen aufgekreuzt ist, war er eigentlich sofort vollwertiges Mitglied. So wollten wir das auf jeden Fall, er sollte sich ja auch mit Ideen einbringen und das hat er dann auch gemacht. Ich finde auf jeden Fall, dass er mit seiner Art Bass zu spielen neue Impulse gesetzt hat. Und das mit dem selbstgeschriebenen Song kommt noch!

Benni: Das ist am Bass auch nicht so einfach. Wobei das bei GLASSES, meiner anderen Band, schon vorkam. Aber ich habe schon versucht, so eine Art eigene, vielleicht neue Note einzubringen. Wir haben ja im Vorfeld und auch während des Songwritings viel über die Richtung diskutiert, und ich hätte zumindest Schwierigkeiten gehabt, mich einfach in ein gemachtes Nest zu setzen.

Andi, welchen Anspruch hast du an deine Texte nach all den Jahren noch? Kommt es vor, dass du denkst: hundertmal schon gelesen? Oder: nein, so bin ich ja gar nicht mehr?

Andi: Vom Inhaltlichen her ist der Anspruch eigentlich der Gleiche geblieben: Die Texte sollen ehrlich sein und Dinge behandeln, die mich beschäftigen, egal, ob das jetzt etwas Persönliches oder Politisches ist. Vom Formellen her würde ich schon sagen, dass der Anspruch gestiegen ist. Ich stecke auf jeden Fall viel Arbeit und Zeit in die Texte. Die kann ich mir nicht innerhalb von ein paar Stunden aus dem Kopf drücken. Es wird auch nicht einfacher, wenn man sich nicht wiederholen möchte. Bei älteren Texten denke ich da schon mal, das hättest du besser machen können, oder dass etwas metaphorisch zu verschwurbelt ist. Es ist jetzt aber nicht so, dass ich alte Texte von mir lese und denke, auweia, was für ein Schmarrn. Ich stehe noch immer zu allem, was ich mal geschrieben habe, auch wenn manches heute vielleicht nicht mehr so bedeutsam für mich ist, wie es das vor meinetwegen zehn Jahren mal war. Aber das ist ja auch selbstverständlich: Menschen verändern sich im Laufe ihres Lebens, für einen Zwanzigjährigen sind andere Dinge von Bedeutung als für einen 32-Jährigen.

Ihr habt bereits davon gesprochen, dass ihr mit der neuen Platte einen neuen Impuls setzen wolltet. Wie seid ihr das angegangen? Beim ersten Hören fällt zum Beispiel auf, dass es mehr Melodien gibt und auch etwas weniger „Geknüppel“. Wie viel Absicht steckt dahinter und wie viel hat sich einfach so ergeben?

Benni: Ich glaube, es war klar, dass wir im Songwriting eine neue Orientierung finden mussten. Wir haben das alte Material aber jetzt nicht als Negativ-Referenz genommen. Vielleicht liegt es auch ganz einfach daran, dass doch eine ganze Zeit zwischen der letzten Platte und dem Schreiben neuer Songs lag.

Andi: Wir wollten halt eine neue Entwicklung in den Songs haben, um das Ganze weiterhin interessant zu halten. Dass es etwas melodischer geworden ist, ist da wohl nur eine logische Konsequenz, schließlich haben wir nach all den Jahren die Grenzen der „härteren“ Musik weitestgehend ausgelotet, zumindest was unsere Verhältnisse betrifft. Wenn man dann nicht auf Grindcore oder ähnlich abgefahrenes Zeug umschwenken will, bleibt wohl nur die Option, mehr Melodien zu integrieren. Ich find es auch ganz nett, live mal nicht ununterbrochen durch zu knüppeln. Abgesehen davon sind Melodien aber auch ’ne geile Sache ... Was beim Songwriting jetzt spontan gekommen ist und was nicht, kann ich im Endeffekt nicht sagen, aber wir haben schon viel über die neuen Songs diskutiert und vieles wieder verworfen.

Marc: Wir wollten eigentlich nur darauf achten, dass wir nicht immer wieder die gleiche Platte neu schreiben, und wir waren auch ein bisschen experimentierfreudiger. Benni hat zudem einen großen Beitrag geliefert. Man merkt, glaube ich, schon, dass eine neue Person dabei ist, die am Songwriting beteiligt ist.

Im letzten Interview sprachen wir über die US-Tour. Heute will ich was zur Japan-Diskografie und der Japan-Tour hören.

Felix: Die japanische Discography-CD „2005-2008“ ist zustande gekommen, weil die meisten älteren Sachen von uns dort nicht oder zumindest nur sehr schwer zu bekommen waren. Wir wollten halt gern für die Tour dort unsere Sachen auf einem japanischen Label veröffentlichen. Zudem wird in Japan fast alles nur auf CD gekauft, Vinyl ist eher die Ausnahme. Sowohl unsere erste Platte als auch die COMADRE-Split-12“ und die Vierer-Split-LP sind ja mittlerweile auch schon ausverkauft. Daher hat das in vielerlei Hinsicht Sinn gemacht. Matsu hat sie dann mit seinem Label No Memories veröffentlicht.

Benni: Für mich war es gleichzeitig die anstrengendste, aber auch schönste Tour bisher. Zum einen lag es an der unfassbaren Hitze bei hoher Luftfeuchtigkeit – und zum anderen daran, dass „Touring Japanese-Style“ echt mal ’ne andere Welt ist. Aber aus irgendeinem Grund habe ich die Anstrengungen ganz gut wegschieben können, weil ich echt durchweg von Japan geflasht war. Geht’s um die Shows, ist es ein Unterschied wie Tag und Nacht. Alles ist ultra-professionel, mit Hammer-Backlines und Soundleuten, die dir mal eben einen Bühnensound machen, dass du denkst, es läuft ein Playback. Und dann spielt man in aller Regel mit Bands, bei denen man sich selbst eigentlich nicht mehr auf die Bühne traut. HEAVEN IN HER ARMS zum Beispiel dort zu sehen, das fand ich super. Aber wir haben dort auch mit vielen anderen kleinen, abgefahrenen Bands gespielt. Ich erinnere mich gerade vor allem an SHULY TO 104KZ, KILLIE oder BACHO. Mit den japanischen Eigenheiten kam ich ganz gut klar. Es gibt eben eine bestimmte Art von Höflichkeit, die sicher auch anstrengend sein kann, auf die man sich aber auch gut mal einstellen kann. Wenn man sieht, wie die Menschen dort leben, macht das irgendwie alles Sinn. Wir waren auch mal im ländlichen Raum, auf einer Insel, die Shikoku hieß, das war supergeil. Oder aber auch auch in Sendai, das ja durch das Erdbeben und den Tsunami stark betroffen war. Wir haben uns deswegen auch an verschiedenen Soli-Aktionen dort beteiligt: etwa dem COMADRE-Mixtape 5. Das konnte man auf Bandcamp kaufen und die Kohle ging nach Sendai!

Andi: Aus Bennis Ausführungen kann man schon einen wichtigen Reisehinweis herauslesen: Nicht im August nach Japan fahren! Die Hitze war wirklich mörderisch und hat mir im Laufe der Tour einige Probleme bereitet. Um es mal so zu sagen: ich bin froh, lebend wieder aus Japan rausgekommen zu sein, haha. Abgesehen von gesundheitlichem Schnickschnack und der doch sehr anstrengenden Art der Japaner zu touren – es scheint wirklich so zu sein, dass Japaner generell wenig Schlaf brauchen, zumindest weniger als wir –, war es im Endeffekt auf jeden Fall eine super Erfahrung, was zum einen eben am Land selbst liegt, aber auch daran, wie die Leute, allen voran natürlich Matsu, uns dort aufgenommen haben. Ich würde gerne wieder nach Japan fahren – so lange es nicht im August ist!

Andi, in den Linernotes zu „Piano gigante“ sprichst du vom Verlust der Jugend und deiner „Radikalität“. Was tust du gegen endgültigen Stillstand, sowohl privat, als auch im Bezug auf die Hardcore-Szene?

Andi: Generell geht es mir halt darum, dass man sich Dinge aus seiner Jugend oder Kindheit bewahrt. So was wie Neugierde, Leidenschaft oder auch eine gesunde Portion Naivität. Radikalität ist ja nicht per se etwas Positives, im Gegenteil, eine reflektierte, abwägende Sichtweise ist in vielen Dingen angebrachter. Aber wenn man mal darüber nachdenkt, was einen früher auf die Barrikaden getrieben hat und einen mittlerweile kaum noch tangiert, fragt man sich eben, was da mit einem passiert. Und: wo hört das auf? Vor 15 Jahren hätte man den Leuten am liebsten noch das Schnitzel aus der Hand geschlagen und mit 40 gibt’s dann wieder Currywurst auf’m Familientisch oder wie? Ich habe manchmal das Gefühl, dass man sich der Gefühlswelt, den Werten der eigenen Eltern annähert, „Remember mom and dad? That’s us!“, um es mit PORTAITS OF PAST zu sagen. Dieses potenzielle Abstumpfen, vor dem es mir graut, hat natürlich auch damit zu tun, dass man in die Arbeitswelt eintritt und dann – je nach dem was man für einen Job hat – eben nur noch funktionieren muss. Wenn man dann am Wochenende mal frei hat, nehmen die Ungerechtigkeiten der Welt eben nicht mehr so viel Raum im Kopf ein, da fällt es dann schwerer, sich beispielsweise zu einer Demo aufzuraffen. Ein ganz gutes Mittel gegen diesen Stillstand ist für mich, mit der Band unterwegs zu sein. Obwohl wir alle schon über 30 sind, steckt da doch noch ganz viel jugendliche Kraft drin. Okay, nennen wir es vielleicht doch besser jugendlicher Blödsinn ... Mit Freunden unterwegs zu sein und keine großen Verpflichtungen zu haben, außer abends rechtzeitig irgendwo aufzukreuzen, um eine halbe Stunde auf die Instrumente einzudreschen und damit noch quer durch die Welt zu kommen, das ist schon eine gute Alternative zum sonstigen Alltag. Allgemein, denke ich, hält es einen jung, wenn man kreativ ist. Sei es jetzt, dass man Musik macht, malt oder schreibt, oder sich sonst irgendwie expressiv betätigt. Und gleichzeitig nimmt man die Erfahrung mit, die mit dem Alter wächst. Es geht ja nicht darum, einem oberflächlichen Jugendkult zu frönen und sich dem mit dem Älterwerden einhergehenden Reifeprozess zu verschließen, sondern den möglicherweise auftretenden „Ermüdungserscheinungen“.

Kannst du noch kurz anreißen, was dieses Jahr bei euch anstehen wird?

Andi: Hoffentlich eine kleine Tour im Herbst sowie Wochenend-Shows. Es ist aber noch nichts definitiv. Nächstes Jahr wollen wir eventuell erneut nach Japan. Es gibt zum Songwriting der neuen Platte noch vielversprechende Ideen, die noch nicht umgesetzt wurden. Ich hoffe, dass wir die noch realisieren werden.