TIGERS JAW

Foto© by Rebecca Lader

My and my (new) friends

TIGERS JAW aus Pennsylvania sind eine der unzähligen Bands, die für 2020 ein Album fertig hatten, es jedoch – aus Gründen, die wir alle kennen – auf 2021 verschoben haben. Jetzt freuen sie sich auf die Veröffentlichung von „I Won’t Care How You Remember Me“ im Frühjahr und wir freuen uns mit ihnen. Im Interview erzählt uns Sänger und Gitarrist Ben Walsh, wie sie die lange Wartezeit verbracht haben, was ihm auch nach 15 Jahren Bandgeschichte noch schwerfällt und was für Shows er gerne als Nächstes vor Live-Publikum spielen würde.

Euer neues Album hätte eigentlich schon längst veröffentlicht sein sollen. Ihr hattet jetzt wirklich sehr viel Zeit, über eure Musik nachzudenken, bis sie rauskommt. Kam es dadurch auch hier und da zu Änderungen oder gab es Zweifel an einzelnen Songs?

Generell denke ich nicht, dass ich etwas an den Liedern ändern würde. Wir vier haben viel Zeit damit verbracht, die Demos für die einzelnen Songs aufzunehmen, und wirklich hart daran gearbeitet, dass sie sich echt und besonders anfühlen. Wir haben uns wirklich zusammengerauft und uns beim Spielen der Songs wohl gefühlt, bevor wir ins Studio gegangen sind. Die Performance eines jeden Stückes auf einem Album ist wie eine Zeitkapsel der Band in dem Moment, als sie im Studio war. Es ist wichtig, sich selbst treu zu bleiben und echte Kunst zu machen, auf die man stolz ist. Wenn man das macht braucht man auch keine Sorge haben, später Zweifel zu haben oder irgendwas zu bereuen.

Sonst kamen die Songs hauptsächlich von Brianna und dir, diesmal habt ihr das Album eher gemeinsam als Band geschrieben. Hat das den Prozess vereinfacht oder wurde es nur komplizierter, weil es viel mehr Quellen für Input gab?
Den Großteil der Texte stammt nach wie vor von Brianna und mir. Aber Ted und Colin haben wirklich unfassbar viel zu den Songs beigetragen. Ted hat auch Texte mit Brianna geschrieben, aber vor allem seinen musikalischen Part komplett komponiert. Genau wie Colin, er hat seine Parts auch selber geschrieben. Das hat aber niemand nur für sich getan, sondern es gab einen großen Austausch an Ideen für neue Parts, Arrangements und vieles mehr. Jeder fühlte sich mit seiner oder ihrer Rolle bei dem Album wohl und war motiviert. Deshalb denke ich, auch wenn es viel mehr Ideen zu sortieren gab, hat es den gesamten Prozess deutlich einfacher gemacht.

Was war das Schwierigste bei „I Won’t Care ...“?
Das sind immer die Texte. Bei meinen Songs sind sie meist sehr persönlich und beziehen sich auf große Herausforderungen und schlechte Erfahrungen, die ich erlebt habe. Es ist wirklich schwer, sich so angreifbar zu machen, und dabei Emotionen in einer Art zu verarbeiten, dass sie auch die eigene Geschichte erzählen. Aber es ist auch ein tolles Gefühl zu sehen, dass andere Menschen sich mit der eigenen Story verbunden fühlen.

Und was war das Einfachste?
Das war, gemeinsam als Band kreativ zu sein. Wir haben die meisten Demos im Keller von Brianna aufgenommen. Das hat sich wie in den Anfangszeiten angefühlt. Es hat Spaß gemacht, weil wir keinen Stress hatten. Es gab keinen Zeitplan, an den wir uns halten mussten, also bestand unsere Aufgabe nur daraus, gemeinsam Musik zu machen und abzuhängen.

Im Fuze Magazine 2014 wart ihr als TIGERS JAW nur zu zweit und das College hatte eine sehr hohe Priorität in eurem Leben. Jetzt seid ihr wieder zu viert und bringt ein neues Album raus. Wenn du in der Zeit zurückreisen würdest, was würdest du deinem 2014er Ich sagen?
TIGERS JAW gibt es es jetzt seit über 15 Jahren und zu meinem Glück bin ich seit Tag eins dabei. Ich habe über die Jahre so viele Änderungen mitgemacht, aber die Band blieb ganz authentisch TIGERS JAW, egal was passiert ist. Es liegt daran, dass alle es einfach geliebt haben, zusammen Musik zu machen. Es gibt einen roten Faden, der die gesamte Historie unserer Musik vereint, auch wenn sie sich mit der Zeit weiterentwickelt hat. Ich würde meinem 2014er Ich sagen, dass nichts so herausfordernd und lohnend sein wird, wie mit dieser Band weiterzumachen. Ich würde mich selbst ermutigen, nicht so selbstkritisch mit den Songs und Texten umzugehen, die ich schreibe, sondern Musik mit Mut und Ehrlichkeit zu schreiben, egal was passiert.

Du hast in einem Interview gesagt, das Schlimmste an dem fehlenden Touren sei, seine ganzen Freunde nicht sehen zu können. Wenn du jetzt sofort eine Tour an fünf Orten deiner Wahl mit irgendwelchen Bands deiner Wahl buchen könntest. Wo und mit wem?
Das ist sehr schwer! Ich würde eine Hometown-Show in Scranton und in Los Angeles, Chicago und London spielen. Und natürlich eine Special-Show in Deutschland, vielleicht in Köln? Wir hatten da so tolle Konzerte. Etwa im Blue Shell mit dem verrücktesten und energiegeladensten europäischen Publikum, das wir je hatten. Ich wünschte, das könnte ich erneut erleben. Mitnehmen würde ich gerne ein paar alte Freunde aus Pennsylvania, mit denen wir nie richtig touren konnten. Bands wie TITLE FIGHT, BALANCE AND COMPOSURE und vielleicht auch neue Freunde wie BARTEES STRANGE und ALL GET OUT.

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Line-Up-Wechsel
Auch wenn es TIGERS JAW schon seit 2005 gibt, ist die jetzige Besetzung relativ jung. Nachdem Anfang 2013 drei Mitglieder aus Zeitgründen ausgestiegen sind, bestand die Band nur aus Brianna (key, voc) und Ben, die sich für Shows Unterstützung von Freunden geholt haben oder akustisch spielten. Wenn Ben davon spricht, dass die Band das Album gemeinsam geschrieben hat, klingt das nüchtern betrachtet eigentlich selbstverständlich. Für Brianna und ihn war das allerdings nach zwei Alben zu zweit wieder die erste Platte, an der sie zu viert gearbeitet haben. Denn seit 2019 sind Colin (gt) und Ted (dr) feste Mitglieder von TIGERS JAW, nachdem sie sie bei vorherigen Touren nur als Gäste unterstützt haben.