Mit Livealben ist das so eine Sache: Selten sind sie richtig gut, meist nur der lasche Händedruck zum Abschied, wenn sich Band und Label nicht mehr mögen und noch eine Rechnung offen haben. „Blechdose“ jedoch, das erste Livewerk der Berliner TERRORGRUPPE, gehört zu ersterer Kategorie.
„Ich hätte gar nich’ gedacht, dass die Band so lange zusammen bleibt“, gesteht Jacho, einer der beiden Gitarristen des Berliner Vierers, angesprochen darauf, dass Liveplatten ja immer auch irgendwie ein Blick zurück sind. „Wir haben mit der TERRORGRUPPE damals im vierten Stock eines besetzten Hauses geprobt, mussten die Anlage zu jedem Konzert die Treppen runter und danach wieder hoch tragen. Und wenn ich so zurück blicke, ist es schon schön, wo uns diese Band so hingeführt hat: eine kleine US-Tour, zweieinhalb Europatouren, sechs Alben – wie findste denn die Livescheibe?“ Schön finde ich sie! „Wie!? Die ist der Hammer! Wir haben die meisten Songs letztes Jahr zum einen im Düsseldorfer Stahlwerk, zum anderen im Berliner Wild At Heart aufgenommen, in kleinen Clubs. Dazu kommen noch ein paar schöne Mehrspuraufnahmen vom Bizarre-Festival, und das alles bildete die Grundlage. Dazu kamen noch diverse Aufnahmen von anderen Konzerte, aus denen wir die besten Ansagen rausgeschnitten haben.“ Und was ist mit den restlichen Ansagen und Publikumsgeräuschen, die verdächtig nach ganz anderen, viel größeren Bands klingen? „Naja“, gibt Jacho zu, „da haben wir uns bei circa zwölf klassischen Livescheiben bedient, von Cheap Trick über KISS bis zu MC 5 und STIFF LITTLE FINGERS, MOTÖRHEAD und „It’s Alive“ von den RAMONES nicht zu vergessen.“ Schön – nur: das haben andere auch schon gemacht, und bei Liveplatten gilt der Generalverdacht der Notlösung. Warum ist das im Falle von „Blechdose“ (passenderweise kommt die CD nicht im normalen Plastikdingens, sondern in einer – Blechdose) was anderes? Jacho: „Ganz klar, Liveplatten sind in 99% der Fälle üble Scheiße zum Geld verdienen. Bei uns dagegen ist der Trick, dass wir mit „Blechdose’ das ultimative Live-Album machen wollten und bei der Gelegenheit gleich alle anderen Liveplatten auf der Welt verarscht sowie uns ein kleines Denkmal gesetzt, denn live kommen unsere Stücke doch etwas schneller, härter und räudiger.“ Welches aber nun sind die anderen Live-Releases der Musikgeschichte, die für Jacho eine Daseinsberechtigung haben? „Natürlich die, die wir für unsere Platte verwertet haben, also etwa KISS’ „Alive 1“, die war besser als die drei Studioalben davor und hat sich auch besser verkauft. Dann „Live & Dangerous“ von THIN LIZZY, erst mit der hat man die Band so richtig wahrgenommen, ebenso wie CHEAP TRICK mit „Live at Budokan“ – und das gleiche gilt für die beiden deutschen Ex-Punk-Bands DIE TOTEN HOSEN und DIE ÄRZTE, die hatten ihre größten Erfolge mit Liveplatten. Liveplatten haben eben durchaus eine Existenzberechtigung, wenn sie irgendwie geil gemacht sind und wenn was anderes dabei rüberkommt als bei den vorherigen Studioaufnahmen.“ Wäre da noch die Frage, unter welchen äußerlichen Bedingungen eine Band ihre Konzerte am liebsten spielt, und da muss Jacho, dessen Künstlername bekanntlich Johnny Bottrop lautet, zugeben, dass er’s am liebsten „eng und schwitzig“ hat: „Der Laden sollte nicht zu groß sein, gerade so ausverkauft und schön dränglig. Wenn dann die Leute richtig abgehen und sich vor der Bühne stapeln, ist das am tollsten. Und da ist es mir egal, wenn die Leute sich auf der Bühne drängeln zum Stagediven – besser als wenn’s tot und steril ist.“ Und was sind die weiteren Pläne der Berliner? „Die Feierlichkeiten zum zehnjährigen Bandjubiläum im März 2003“, kündigt Jacho an. „Wir werden wahrscheinlich ein großes Festival veranstalten, mit fünf, sechs Bands, die zum Teil vielleicht sogar noch bekannter sind als wir.“ Na denn – durchhalten, Jungs, auch wenn ihr es mit dem Namen TERRORGRUPPE in den letzten Monaten sicher nicht einfach hattet, oder? „Wir waren natürlich stinksauer auf diesen Trittbrettfahrer Bin Laden mit seiner Al-Qaida-Truppe und werden den wohl verklagen, hier vor’m Amtsgericht Wedding. Andererseits ist’s für uns auch ungewolltes Marketing und Werbung, aber wir haben mit den ganzen Aktionen nichts zu tun – wäre ja auch blöd von uns, denn durch die steigenden Flugpreise ist es echt schwieriger geworden, auf Tour zu gehen.“
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