TEMPLETON PEK

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Das Gute an schlechten Zeiten

Von manchen werden sie als der kleine Bruder von RISE AGAINST verspottet. Und ganz von der Hand zu weisen ist das nicht: TEMPLETON PEK aus dem englischen Birmingham klingen nicht nur wie die Ikonen des melodischen Punk aus Chicago, sie schicken auch ebenso knallharte Polit-Botschaften hinaus in die Welt. Auch auf ihrem neuen Album „Watching The World Come Undone“ ist das so. Die Apokalypse lauert im Covermotiv einer zerstörten Stadt und in jeder einzelnen Songzeile. Man darf bei allen Vergleichen mit RISE AGAINST aber nicht vergessen: TEMPLETON PEK haben sich in ihren 13 Jahren zu einer formidablen, eigenständigen Band entwickelt, die weiß, wie man Hymnen schreibt, und der Gesellschaft gekonnt den Finger in die Wunde legt. Frontmann Neal Mitchell erklärt, was seine Band und die neue Platte ausmacht.

Neal, ich weiß nicht, welche Stadt wir auf dem apokalyptischen Cover eures neuen Albums sehen. Aber wie viele Jahre gibst du der Welt und der Menschheit noch, um an den Punkt zu kommen, an dem es genau so aussieht?

Die Stadt auf dem Bild ist eine Mischung aus Birmingham, unserer Heimatstadt, und Los Angeles, wo wir die Platte aufgenommen haben. Das Album haben wir zudem in beiden Städten geschrieben, so dass wir es für wichtig hielten, darauf Bezug zu nehmen. Ich bin mir nicht sicher, ob wir so enden werden ... Es ist eher eine Vorwarnung, was passieren könnte, wenn die Zügel nicht bald angezogen werden. Das Bild ist eher zu verstehen im Sinne des „Ghost of Christmas Future“ aus Charles Dickens’ berühmter „Weihnachtsgeschichte“. Der Geist der zukünftigen Weihnacht zeigt dem Herzlosen die Trostlosigkeit, die ihn erwarten wird, wenn er sich nicht ändert.

In Video zu eurem neuen Song „The aftermath“ sieht es aus, als ob ihr vor dem, was um euch und uns alle herum passiert, in die Wildnis flüchtet. Wie konkret ist dieser Wunsch nach Flucht mitunter?
Du hast recht: Das ist genau die Stimmung, die wir einfangen wollten. Ich glaube zwar nicht, dass irgendjemand wirklich weiß, was passieren wird. Und ich weiß auch nicht, ob ich im schlimmsten Falle wirklich in die Einsamkeit flüchten würde – es ging uns im Video einfach um diese Atmosphäre der Isolation. Aber ich weiß zumindest, dass unser Schlagzeuger sich dort wohlfühlen würde ...

Schlagzeugern wird ja gerne ein gewisses Außenseitertum nachgesagt.
Nun, er ist tatsächlich so ein typischer Outdoor-Typ und lebt sogar in der Nähe des Video-Drehortes. Somit wäre er wohl wirklich der letzte Überlebende, haha.

Wenn man sich die Titel eurer letzten drei Alben anschaut, dann sieht man nacheinander „Signs“, „New Horizons“ und jetzt „Watching The World Come Undone“. So könnten auch die Kapitel heißen in einem dystopischen Roman: Zuerst sehen die Protagonisten Anzeichen für Fehlentwicklungen. Dann versuchen sie etwas dagegen zu unternehmen und sehen „neue Horizonte“. Und am Ende löst sich die Welt auf. Bauen diese Alben also wie ein Roman aufeinander auf?
Ganz ehrlich: So habe ich das noch nie gesehen. Aber wow! Ich würde liebend gerne sagen, dass wir sie auf diese Weise in einem großen Masterplan gebastelt haben. „Signs“ und unsere neue Platte haben das gleiche Thema. Aber „New Horizons“ war eher ein introspektives Album über unsere eigene Zukunft als Band. Wir hatten damals eine Phase erlebt, in der wir Schwierigkeiten hatten, die Kontrolle zu behalten. Aber irgendwie hast du auch recht: Wir haben alle drei Alben in den USA aufgenommen. Also würde ich sagen, diese Platten sind unsere amerikanische Trilogie.

TEMPLETON PEK gibt es nun seit 13 Jahren. Was hat sich seit damals am meisten für euch als Band verändert?
Wir haben jetzt seit zehn Jahren einen festen Plattenvertrag. In den ersten drei Jahren haben wir uns und alles um uns herum erst einmal erkundet und nach und nach entdeckt. Das war eine verwirrende Zeit. Wir sind nur langsam auf den Geschmack eines Bandlebens gekommen und mussten zunächst einmal Erfahrung sammeln. Heute sind wir eine gereifte Band. Und ich denke, man kann genau diese Entwicklung auch bei unseren mittlerweile fünf Alben verfolgen. Beim ersten Album, „No Association“, dachten wir noch, es wäre das Einzige, das wir je aufnehmen. Mit dem zweiten, „Scratches & Scars“, wurden wir zu Songwritern und Produzenten, da wir diese Platte völlig im Alleingang auf die Beine stellten. „Signs“ war für uns die Weiterentwicklung, weil sie erstmals in Zusammenarbeit mit namhaften Produzenten und in professionellen Studios entstand. „New Horizons“ haben wir in Kalifornien aufgenommen. Mit ihm haben wir unseren Sound gefestigt. Und das neue Album umfasst all das, was wir in Sachen Auftritten, Songwriting und Zusammenarbeit mit Profis bislang gelernt haben. Füge eine Dekade des regelmäßigen Tourens hinzu – und du hast exakt die Band, die wir heute sind. Genau die Dinge, die uns heute ausmachen und die zeigen, wo wir stehen.

Bei aller Freude über diese stete Weiterentwicklung und eine gestiegene Bekanntheit: Was bedauerst du an diesen ersten 13 Jahren?
Es gab eine Zeit, in der externe Einflüsse unsere Musik ohne unser Verschulden beinahe zum Stillstand gebracht hätten. Ich will darauf gar nicht weiter eingehen. Nur so viel: Wir waren wirklich frustriert und wurden zurückgeworfen, weil wir daran gehindert wurden, das zu tun, was wir wollten. Aber letztlich hat uns auch das zu dem gemacht, was wir jetzt sind. Wir sind nun krisenerprobt. Und das wiederum hilft uns dabei, klügere Entscheidungen zu treffen und bessere Songs zu schreiben. Also, um auf deine Frage zurückzukommen: Es gibt nichts, was ich mit Bestimmtheit bedauern könnte. Natürlich, die Dinge könnten ja im Leben irgendwie immer und überall besser laufen. Aber das ist normal. Das kennt jeder. Das ist nichts, was man bedauern muss.

Ihr seid zweifelsohne eine politische Band. Und ihr kommt, du sprachst das Touren an, ziemlich viel herum. Kannst du ein Land nennen, in dem ihr ein Publikum mit besonders erwähnenswertem politischen Bewusstsein angetroffen habt?
Ich würde nicht sagen, dass es in dieser Hinsicht ein bestimmtes Land gibt. Aber gerade das ist ja das Besondere: Immer und überall kommen die Leute zu uns und reden über die Politik ihres eigenen Landes. Und es ist großartig, wenn gerade jüngere Menschen sich für diese Dinge interessieren.

Wie schwer ist es für euch, die ernsten politischen Botschaften, die fast alle eure Songs enthalten, mit dem traditionellen Drang des Publikums zu vereinbaren, nur die Musik zu feiern und ein paar Biere zu trinken?
Ich denke, dass du so viele Botschaften in deinen Songs haben kannst, wie du willst – letztendlich und vor allem muss ein Stück zunächst auf oberflächlicher Ebene funktionieren. Es muss einfach ein guter Song sein. Dann wird irgendwann vielleicht auch seine jeweilige Tiefe offenbar. Dann wollen die Leute quasi immer weiter in den Song hineinschauen und herausfinden, um was es hier geht. Aber es ist auch vollkommen in Ordnung für mich, wenn sie trotzdem einfach nur rocken und nicht darüber nachdenken wollen, was sie da hören. Es ist doch so: Manche Leute mögen es, Lieder zu sezieren und auseinanderzunehmen. Andere mögen es, einfach nur Spaß zu haben. Freuen werden sich beide Seiten.

Hast du jemals darüber nachgedacht, wie ein Album von euch klingen könnte, wenn es in einer ausschließlich positiven Zeit entstehen würde? Oder anders gefragt: Braucht ein Musiker schlechte Zeiten, um gute Alben zu schreiben?
Die beste und größte Kunst entsteht aus schlechten Umständen heraus. Niemand mag einen glücklichen Dichter. Schau dir beispielsweise nur all die großartigen Alben an, die in den Jahren der Bush-Regierung in den USA herauskamen! Und angesichts des aktuellen Präsidenten erwarte ich eigentlich eine ähnliche Entwicklung ... Als Trump gewählt wurde, habe ich zu einem Freund gesagt: „Ich wette, alle Komiker auf der ganzen Welt feiern jetzt. Denn er liefert ihnen das Witzmaterial für die nächsten vier Jahre frei Haus.“ Auf uns bezogen würde ich sagen: Auch wenn die Songs auf unserem neuen Album oberflächlich gesehen negativ wirken, enthalten sie dennoch eine positive Botschaft. Die Botschaft nämlich, dass die Zustände verändert und verbessert werden können. Man kann schlimme Situationen aufgreifen und handeln und somit Nutzen aus ihnen ziehen. Das ist das Gute an schlechten Zeiten.