TAMAS

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Jede Menge Hass

Er verbrachte seine Jugend auf den Straßen Berlins, war schon mal im Knast – und hat jetzt mit „Kopf.Stein.Pflaster“ ein Album veröffentlicht, auf dem er mit einem Gemisch aus Rap, Punk und Metal seine Wut rausbrüllt: auf die Obrigkeit, die Bonzen, die Fremdenhasser, die verblendeten Religionsfanatiker. Ob Tamas mit diesem Hintergrund – und einer wachsenden Rap-Szene, die plötzlich klassische Punk-Themen aufgreift – einer derjenigen ist, der einen neuen Trend zum Crossover einleitet, sei dahingestellt. Auf jeden Fall aber ist es interessant, ihn nach seinem Album „Kopf.Stein-Pflaster“ und dem Hass in seinen Liedern zu befragen.

Tamas, aus deinem Album spricht jede Menge Hass. Wo kommt der her?


In meinem Album steckt in der Tat sehr viel Hass. Er ist entstanden aus Abneigung gegenüber bestimmten Dingen und Eindrücken, die ich durch das Beobachten der Welt, durch Lesen und Hinschauen und Hinterfragen gewonnen habe. Ich sehe viel Ungerechtigkeit auf der Welt. Und das veranlasst mich zu hassen.

Du hast nach eigener Aussage im Knast gesessen: Was hast du angestellt?

Ich habe sehr viel Mist gebaut in meiner Jugend – das reichte von Sprühen über Straßenschlachten bis hin zu Dingen, die keinen etwas angehen.

Die Zeit im Knast wird gerne mal glorifiziert als „harte Schule“, in der man sich behaupten muss, was dann als Zeichen von Stärke und Coolness angesehen wird.

Jeder, der über das, was er im Gefängnis erlebt hat, gerne spricht und der den Knast glorifiziert, sollte am besten gleich wieder für zehn Jahre reingehen und dann ordentlich einen mitbekommen. Denn das, was im Knast passiert, ist nie gut. Und man sollte aus dem, was man dort erlebt, lernen. Ich kann für mich behaupten, dass ich gelernt habe und jetzt ein ordentlicher Mensch bin. Halbwegs zumindest ...

In der indischen Philosophie sowie im Hinduismus steht „Tamas“ für „Dunkelheit“, sagt Wikipedia. Hat das etwas mit deiner Namenswahl als Künstler zu tun?

Tatsächlich ist Tamas ein ungarischer Name. Und es ist mein bürgerlicher Name. Mein Vater ist Ungar und meine Mutter Deutsche. Was die von dir erwähnte Definition angeht: Ich glaube, meine Mutter hätte sich einen anderen Namen überlegt, wenn sie diese Bedeutung gekannt hätte. Ich selbst dagegen fühle mich in der Dunkelheit sehr wohl. Also passt das schon. Tagsüber bin ich der ruhige Chaot. Sobald die Sonne untergeht werde ich zum sympathischen Zombie, haha.

Du bist in Berlin-Wedding aufgewachsen und lieferst mit „Kopf.Stein.Pflaster“ ein Album ab, das seine Inspiration großteils aus diesem urbanen Umfeld zu ziehen scheint – es geht ja viel um Straßenkämpfe, Armut, Gewalt und Drogensucht. Wie sehr steckt das Umfeld in dir als Künstler drin?

Ich bin eben dort aufgewachsen und habe wirklich alles, was in diesem Viertel abgeht, mitbekommen, weil meine Eltern eigentlich immer arbeiten waren. Wenn sie nicht zu Hause waren, habe ich eben viel Zeit draußen auf der Straße verbracht. Und dort habe ich alles in mich aufgesogen wie ein Schwamm.

Was ist dieses „alles“?

Man sieht den Penner, der sich eine Spritze setzt. Die Drogendealer. Die Sufftypen, die sich um das letzte Bier streiten. Und die Gangs, die sich gegenseitig richtig was vor den Kopf geben. Aber das war für mich alles gar nicht so krass, das war eher wie ein Film. Man könnte natürlich denken, dass die Leute hier einfach nicht rauskommen aus dem Sumpf. Aber im Grunde genommen ist doch jeder seines eigenen Glückes Schmied. Das heißt: Wenn du raus willst, dann kommst du auch raus. Wie auch immer, mir gefällt es eben nach wie vor in Wedding. Ich werde sicherlich noch eine ganze Weile hier bleiben. Und wer das nicht verstehen kann, der muss ja nicht herziehen, haha.

Korrigiere mich, wenn ich falsch liege: Du hast als HipHop-Künstler begonnen und machst jetzt Rap mit Metal- und Hardcore-Einflüssen. Wie kam dieser Wandel zustande?

Ich habe schon immer Metal gehört und stand auf harte Musik. Daher war es kein Problem für mich, das zu mischen. Und als mir mein Label die Chance gab, die Platte zu machen, habe ich zugegriffen. Denn es gibt Musik, die einfach gemacht werden muss. Und „Kopf.Stein.Pflaster“ musste gemacht werden.

Sind Rap und Punk/Hardcore als gesellschaftskritische Musikgenres nach wie vor am besten geeignet, soziale Missstände anzuprangern?

Ja, auf jeden Fall.

Bei so viel Krawall und Adrenalin, die aus deiner Musik sprechen, wie kommst du in stillen Momenten am besten runter?

Ich komme nie zur Ruhe! Außer, wenn ich mit einem heißen Kakao in der Hand und eingekuschelt in eine Decke „Desperate Housewives“ schaue und mit meinem Chihuahua kuschele. Dann kann ich entspannen. Ansonsten habe ich einfach einen zu großen Gerechtigkeitssinn, den ich nicht abstellen kann. Er führt dazu, dass ich immer auf Achse bin und etwas in Sachen Musik mache, und auf Missstände hinweisen muss.

Ist Gewalt, wie sie in deinen Texten mitunter vorkommt, wirklich immer die beste Antwort?

Natürlich ist Gewalt nicht immer die Lösung! Aber es gibt in unserer Gesellschaft eben leider immer noch viele Menschen, die nichts anderes verstehen und nichts anderes können, als auf Gewalt mit Gegengewalt zu reagieren, und die darüber hinaus mit Vorliebe auf die Schwächeren losgehen. Und das ist falsch. Das muss man anprangern.

Was läuft noch falsch da draußen in der Welt?

Das Problem heutzutage sind all diese Dogmen und Ideologien. Und die Religionen. Ich bin Atheist und hasse daher alle Glaubenskonflikte. Für mich gibt es am Ende nur gute Menschen und Arschlöcher. Du kannst als Moslem ein Arsch sein, aber auch als Christ. Und ich hasse Menschen für ihre Dummheit, wenn sie darauf bestehen, dass sie immer recht haben und ihr Weg der einzig wahre ist.