In Hamburg gibt es SUPERPUNK. Damit hat Hamburg anderen deutschen Städten gegenüber einen entscheidenden Vorteil. Bereits seit dem Debut-Album "A bisserl was geht immer" geistert der Name SUPERPUNK nicht mehr nur noch durch die Hamburger Schulen und Kiez-Kneipen, sondern auch durch den Rest der bunten Republik. Mit regelmäßigem Live-Engagement festigten sich die fünf Herren aus der Hansestadt und München ihren Ruf als rauhbeiniger Haufen, der stets für eine gute Keule auf der Bühne zu haben ist. Spätestens aber nach dem Erscheinen des Nachfolgewerkes "Wasser Marsch!" steht nun fest, SUPERPUNK ist derzeit die beste Band der Stadt. Aus diesem Grunde erschien es mir ratsam, die Herren SUPERPUNK zum Interview zu bitten. So kam es, dass ich an einem geruhsamen Dienstagabend mit Lars Bulnheim (Gitarre), Carsten Friedrichs (Gesang und Gitarre) und Thies Mynther (Tasteninstrumente) in einer Eimsbütteler Tapas-Bar zusammentraf und versuchte, die drei ein wenig auszuquetschen.
Verbirgt sich hinter dem Namen SUPERPUNK eher ein Subjektiv oder ein Adjektiv?
Carsten: Ich würde jetzt eher Adjektiv sagen. Wenn man sich mal unsere frühe Phase anguckt, war es ein Adjektiv.
Thies: Man könnte sagen, früher war es ein Adjektiv, was später zum Subjektiv geworden ist.
Und was muss man tun, um diesem Begriff gerecht zu werden?
Carsten: Also im Anbetracht der Tatsache, dass dieses Heft auch Jugendliche lesen, sagen wir da lieber nichts zu.
Auf wie viele Leute trifft der Begriff, mal von den Bandmitgliedern abgesehen, denn zu?
Carsten: Das kann ich dir sagen. Erst einmal auf sämtliche Mitglieder der Band POTATO FRITZ, sowie auf einen ganzen Haufen Leute aus dem Freundeskreis.
Thies: Vielleicht aber auch sogar auf einige, die wir nicht kennen.
Carsten: Aber bekannte Leute, auf die das jetzt zutrifft, fallen mir da nicht ein.
Es ist also nicht allzu leicht, für jemanden zu behaupten, er sei superpunk?
Carsten: Wenn das einer von sich behauptet, so nehmen wir ihm das erst einmal ab.
In der Musikwelt ist es aber inzwischen doch eher so, dass die Leute, die den Namen SUPERPUNK hören, auch zuerst an die Band denken. Was ist das für eine Band?
Carsten: Wir haben uns vor etlichen Jahren aus Bock gegründet. Wir waren halt alles alte Kumpel und wollten Spaß haben, auf Partys ein paar Coverversionen spielen und so. Im Laufe der Zeit hat sich das dann aber immer mehr dazu verdichtet, dass wir auch Platten machen, auf Tour gehen und eine richtige Band sein wollten, die nicht mehr immer nur in Hamburg spielt. Das hatten wir ursprünglich gar nicht vor. Der Plan war eigentlich, für Getränke auf Partys zu spielen.
Mit was für Coverstücken fing es damals bei euch an?
Lars: CLASH haben wir gecovert.
Carsten: Irgendwelche R&B Stücke, diverse Instrumentals, Eddy Cochran und auch immer einige eigene Stücke, bis wir davon so viele zusammen hatten, die wir dann irgendwie auf Platte veröffentlichen wollten. Dabei entstand dann unser eigener Sound aus Spacken-Kram, Öppachen-Musik und Krach.
Vielleicht dann noch ein paar Daten aus der Bandgeschichte?
Carsten: Gegründet haben wir uns so um 1996 rum. Es gab etliche Besetzungswechsel. Da kam und ging ein ganzer Haufen, der zum Teil sehr unzuverlässig war. Deshalb auch die vielen Wechsel, quasi von Auftritt zu Auftritt. Manchmal sogar während eines Auftritts. Doch seit Ende 1998 spielen wir jetzt in dieser Besetzung. Dann kam 1999 unsere erste Platte "A bisserl was geht immer" raus und in diesem Jahr nun die "Wasser Marsch!".
Seit dem 11. September wird auf der Welt nichts mehr so sein, wie es mal war. Wie haben oder werden die Ereignisse in den USA SUPERPUNK verändern?
Carsten: Ich glaube, wir werden von nun an fettere, E.L.O. mäßige Produktionen hinlegen. Die muss man sich dann mit riesigen Kopfhörern über noch riesigere Stereotürme anhören, damit man besser draufkommt, weil das ist ja schon schlimm, eigentlich.
Lars: 11. September?
Textlich wird sich bei euch dadurch aber nichts verändern, indem ihr meint, nun auf diese Anschläge eingehen zu müssen?
Carsten: Es passieren so viele schlimme Dinge auf der Welt, da kann man ja nicht jedesmal einen Text zu machen. Das ist zwar alles schrecklich, aber Einfluss auf die Band muss das nicht haben.
Thies: Die STROKES haben "New York City Cops" von ihrer Platte runtergenommen.
Lars: Das ist eigentlich ein ganz harmloser Song. Der Text geht ungefähr so: "New York City Cops ain´t too smart", und so weiter. Die würden einem halt eine runterhauen, wenn man zu schnell gefahren ist.
Carsten: Dazu haben die ja jetzt gar keine Zeit mehr, wenn sie permanent im Gerümpel wühlen müssen.
Bleiben wir mal bei den Texten und kommen zurück zu euch. Woher nehmt ihr die Inspirationen zu euren Texten?
Carsten: Teils eigens erlebt, zum Teil aus Zeitungsmeldungen oder dem Fernsehen. Ich lese zum Beispiel immer gerne die Rubrik Vermischtes in der Zeitung. Und wenn da mal wieder eine verrückte Geschichte bei ist, versuche ich, daraus einen Song zu machen. Das klappt zwar nicht immer, aber manchmal schon.
Die meisten eurer Texte vermitteln eine gehörige Portion Wut. Woher stammt diese Wut? Der Phase der postpubertären Rebellion dürftet ihr doch inzwischen entwachsen sein.
Carsten: Aber wahrscheinlich gibt es dafür Gründe, warum man in der Pubertät rebelliert. Und diese Gründe verschwinden ja nicht dadurch, dass man älter wird. Darüber zu texten und zu singen ist ja eigentlich das Mindeste, was man noch machen kann. Dass man sich im Leben immer mehr anpasst, und sie einen, mal bildlich gesprochen irgendwann klein kriegen, bleibt ja nicht aus. Aber deswegen kann man doch noch über Sachen singen, die einem nicht passen.
Eure Texte handeln ja oft vom einfachen, kleinen Mann...
Carsten: Eigentlich über das Ideal des kleinen Mannes. Ich weiß gar nicht, ob es solche Leute überhaupt noch gibt. Aber es wäre beruhigend zu wissen wenn."
Stammt ihr denn selber aus dieser Gesellschaftsschicht, oder könnt ihr euch nur gut damit identifizieren?
Carsten: Ich glaube, man kann das heutzutage gar nicht mehr so sagen. Ich bin zwar kein Soziologe, aber Gesellschaftsschichten in Form von Arbeiterklasse und so gibt es heute gar nicht mehr. Es ist doch nur eine Frage des Bewußtseins, wozu man sich zählt. Es gibt ja auch gar nicht mehr diese große Masse an Fabrik- oder Hafenarbeitern.
Dennoch idealisiert und besingt ihr diese Figur aber.
Carsten: Es gibt ja auch immer noch genügend Leute, die von Lohnarbeit abhängig sind, die auch beschissen werden. Und da wiederum gehören wir dann ja auch zu, weil wir ebenfalls solche Lohnarbeit verrichten, um zu sehen, dass wir irgendwie über die Runden kommen. Wir sind schließlich nicht die, denen die Firma gehört, sondern die, die den Müll wegbringen.
Welchen Tätigkeiten geht ihr denn nach, wenn ihr nicht gerade als SUPERPUNK unterwegs seid?
Carsten: Ich habe jahrelang solche Jobs gemacht wie Möbelpacker, im Obst- und Gemüselager, halt alles was so anfiel. Jetzt bin ich zum Glück in der Lage, dass ich durch SUPERPUNK ein paar Mark verdiene und Platten auflege, um damit Geld zu verdienen. Aber bis dahin habe ich immer nur Scheißjobs gemacht.
Lars: Ich bin abgebrochener Student, und bei mir ist Schmalhans Küchenmeister.
Thies: Ich mache nur Musik. Neben SUPERPUNK spiele ich noch bei STELLA und PHANTOM OF GHOST.
Carsten: Man sollte nun aber nicht glauben, dass das bei Thies ein lockeres Leben sei. Der sitzt wirklich achtzehn Stunden am Tag hinter seinen Geräten und macht Sounds und Beats.
Da wollte ich eh jetzt drauf zu sprechen kommen. Wie wichtig ist das Keyboard bzw. die Orgel für den Sound von SUPERPUNK?
Lars: Ich finde den Keyboard-Sound sehr wichtig, weil es uns abgrenzt von anderen Bands. Normalerweise würde man erwarten, dass zu unserer Musik einer so einen Hammond-Sound abliefert, aber Thies ist da halt anders.
Carsten: Das finde ich auch. Nur eine von den ganzen Gitarrenbands zu sein, das wäre mir einfach zu langweilig. Dadurch, dass Thies aber diese ganzen Keyboards und Geräte hat, kann man schon unglaublich viel mehr machen.
Thies: Man kann ja auch keine Streicher mit auf Tour nehmen. Und wenn wir unterwegs mal wieder viel Soul-Musik hören, entdeckt man da eine Orgel oder gar einen Orchestersatz, den man irgendwie nachstellen will.
Lässt sich das denn live auch umsetzen? Und wenn ja, wie?
Lars: Ja doch, halt nur ein bißchen minimalistischer.
Carsten: Thies hat aber auch schon eine ganz schöne Keyboard-Burg da auf der Bühne stehen. Zwar nicht ganz so wie bei EMERSON, LAKE & PALMER, sieht aber trotzdem sehr gut aus.
Musikjournalisten ziehen bei euch die abstrusesten Vergleiche. Sinngemäß war da von TON, STEINE, SCHERBEN auf Speed, BOXHAMSTERS bekifft oder DIE STERNE besoffen die Rede. Wo seht ihr euch denn selber am ehesten?
Carsten: Zu erst einmal sind das ja alles nur deutsche Bands, und anscheinend wird man hier, sobald man Deutsch singt, nur mit deutschen Bands verglichen, obwohl man vielleicht ganz andere Referenzen und ganz andere Einflüsse hat. TON, STEINE, SCHERBEN habe ich zum Beispiel zwar schon mal gehört, haben mich aber nie sonderlich interessiert.
Lars: Wir sind alle große Fans von klassischem Soul. Das ist etwas, wo wir uns viel eher mal etwas abschauen oder übernehmen.
Carsten: Unsere Einflüsse bestehen aus 99% JACKY WILSON und 1% aus dem, was du gerade aufgezählt hast.
Stören euch denn solche Vergleiche?
Lars: Gelegentlich schon. Inhaltlich ist der TON, STEINE, SCHERBEN Vergleich vielleicht noch vertretbar, aber musikalisch überhaupt nicht.
Thies: Außerdem stammen wir gar nicht aus dieser Zausel-, Hippie- und Hausbesetzerwelt, sondern aus einer ganz anderen Szene.
Ist die Hamburger Schule denn für euch ein Thema? In diese Schublade werdet ihr ja auch gerne reingesteckt.
Carsten: Auch hier nehme ich eigentlich für uns in Anspruch, dass wir da anders sind. Das sind zwar alles gute Bands, und es ist auch interessant, was die machen, aber eigentlich ist da alles anders. Das fängt bei unserem Auftreten an, über die Texte bis zu den Sounds. Ich finde, das unterscheidet sich in allen Punkten.
Aber es gibt auch Überschneidungen in eurer Historie mit TOCOTRONIC.
Carsten: Ja, Jan Müller, der Bassist von TOCOTRONIC, war Gründungsmitglied bei uns. Das war es.
Vielleicht hat der Vergleich auch was mit eurem Label L´Age D´Or zu tun. Das erste Album erschien ja noch auf dem kleinen Fidel Bastro Label. Was hat sich denn durch den Wechsel zu einer größeren Plattenfirma verändert?
Carsten: Bei Fidel Bastro konnten wir zum Beispiel zu Promozwecken hundert Platten rausschicken, die man sich vom Munde absparen mußte. Jetzt kann man das fünffache nehmen und alle bemustern, die man will. Außerdem mußte man sich das Geld für ein Video nicht mehr zusammenschnorren, sondern bekommt da einen Vorschuss. Für uns ist das schon besser jetzt, obwohl Fidel Bastro ein geiles Label ist. Aber dadurch, dass es nun mal klein ist, konnten die dort auch nicht soviel für uns machen.
Wie kam es denn überhaupt zum Wechsel der Plattenfirma?
Lars: Wir hatten die Platte aufgenommen, ohne zu wissen, wo die denn mal erscheinen sollte. Und da Fidel Bastro zu dem Zeitpunkt finanziell nicht die Möglichkeiten hatte, haben wir die Aufnahmen LADO vorgespielt. Die fanden das dann gut und haben die Platte rausgebracht.
Thies: Das ging dann auch ratzfatz und ist eigentlich schon so gelaufen, wie wir uns das vorgestellt hatten.
Und dann taucht in eurer Biographie auch noch das Label Apricot auf. Was hat es damit auf sich?
Carsten: Das ist ein Wiesbadener Pop-Label, welches die Vinyl-Version unseres ersten Albums rausgebracht hat.
Ist euch Vinyl sehr wichtig?
Thies: Mir ist Vinyl schon wichtig.
Lars: Für mich auch. Ich weiss gar nicht genau warum, weil schließlich das zählt, was aus den Boxen kommt. Aber schlussendlich kaufe ich mir doch immer lieber die Vinyl-Fassung, wenn ich was gut finde. Vielleicht, weil ich damit groß geworden bin.
Thies: Vinyl ist halt auch unserer Musik angemessener.
Carsten: Das ist halt schön Öppachen-mäßig.
Seht ihr euch denn so als Öppachen-Band?
Carsten: Wir hören halt gerne alte Musik. Nicht nur, aber viel. Somit ist Öppachen-Musik schon ein Haupteinfluß von uns."
Dann nennt doch mal ein paar Namen. Was für Öppachen-Musik hört ihr denn gerne?
Lars: Zum Beispiel so etwas wie die FOUR-TOPS.
Carsten: Die FOUR-TOPS sind eine meiner absoluten Lieblingsbands. Dann noch GENE CHANTLER, JACKY WILSON, SERGE GAINSBOURG...
Lars: Also Nothern Soul ist schon sehr wichtig. Überhaupt 60er Jahre-Tanzmusik. Wir spielen halt die schnelle Variante.
Thies: Ich höre darüber hinaus auch gerne elektronische Tanzmusik. Wobei ich es gut finde, wenn auf den eigentlichen Beat noch etwas draufgelegt wird, sozusagen das Spacken-Element. Dann bekommt das ganze gleich eine ganz andere Wirkung. Wenn man zum Beispiel alten Sound auf neue Beats legt, erhält es eine völlig andere Farbe. Mit so etwas rumzuspielen macht auch Spaß.
Was ist für die Zukunft von SUPERPUNK geplant?
Carsten: Wir schreiben erst einmal neue Stücke. Und wenn wir genug zusammen haben, nehmen wir eine neue Platte auf. Vielleicht im nächsten Jahr.
Dann hätte ich gerne noch zum Abschluss einen Ratschlag für den Alltag an unsere Leser.
Carsten: "a, wie wir immer sagen: Keep on keeping on. Yeah!
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