SUICIDE MACHINES

Foto

Die einzig wahren Detroit Cobras

Was mich irritiert, ist, dass vor den Wahlen des amerikanischen Präsidenten 2004 eine wahre Welle politischen Bewusstseins durch die Punkrockszene ging. Nicht nur, dass von den „Rock Against Bush“-Samplern mehrere hunderttausend Einheiten verkauft wurden, so gut wie jede Band – von ein paar Trotteln, die sich conservativepunk.com verschrieben hatten mal abgesehen – betonte in Interviews, dass die Teilnahme an der Wahl wichtig sei, um das „Asshole“ namens Bush aus dem Oval Office hinaus zu bekommen. Fat Mike schüttelte John Kerry die Hand und ANTI-FLAG taten sich mit Michael Moore zusammen, um mittels ihrer Popularität die Szene zum Wählen zu bewegen. Soweit, so gut. Nach den Wahlen aber, sprich heute, scheint eine politische Haltung in den Hintergrund gerückt zu sein. Zwar ist das Thema Weltpolitik nach wie vor präsent, aber in meinen Augen kein so starker Trend wie 2004.

Eine Ausnahme bilden hier die SUICIDE MACHINES, die mit ihrem neuen Album „War Profiteering Is Killing Us All“ unmissverständlich die Bush-Administration angehen. Dabei ist es nicht so, dass das Quartett sich mittels einfacher Phrasendrescherei Gehör verschafft. Vielmehr bringen die Detroiter wütende, realitätsnahe Texte in dreizehn energischen Ska-Punkrock-Hardcore-Songs zum Ausdruck, die Gehirn und Tanzbein gleichermaßen anregen. Die Band, mit der man die SUICIDE MACHINES anno 2005 problemlos vergleichen kann, ist AGAINST ALL AUTHORITY. Man stelle sich diese, in meinen Augen beste Ska-Punk-Band seit OPERATION IVY, ohne Bläser vor und man hat die SUICIDE MACHINES, die seit ihrer Gründung 1991 neben einem Majordeal mit Hollywood Records auch mehrer Welttouren auf dem Buckel haben.

„Weißt du, über die Jahre hinweg hat sich eine Interviewfrage herauskristallisiert, die ich hasse“, lacht SUICIDE MACHINES-Gitarrist Dan Lucacinsky ins Telefon, während er seinen Wagen seelenruhig durch den Detroiter Straßenverkehr steuert. „Mich nervt es, wenn die Leute fragen, was das tollste Erlebnis auf Tour war. Das ist etwas Persönliches, das ich meinem besten Kumpel beim Bier erzähle, aber doch nicht einem Journalisten!“ Nun, diese in meinen Augen durchaus berechtigte Frage findet sich an diesem Abend zwar nicht auf meinem Fragenzettel, warum er aber gerade wegen dieser ausflippt, ist mir ein Rätsel. Sei es drum, mit den SUICIDE MACHINES sollte man sich ohnehin über interessantere Dinge als Tourerlebnisse unterhalten. Zum Beispiel über das neue Album der Band.

„Auf unserem letzten Album ‚A Match And Some Gasoline‘ haben wir zwar über Politik gesprochen, ich würde aber nicht sagen, dass es ein politisches Album ist. Auf ihm stehen persönliche Gedanken im Vordergrund, während wir auf ‚War Profiteering Is Killing Us All‘ Politik stark hervor heben“, lenkt mein transatlantischer Gesprächspartner die Unterhaltung auf das neue Werk seiner Band, auf dem sie sich auch musikalisch etwas anders präsentiert als auf dem Vorgänger-Album. „Richtig! Das neue Album ist sehr viel härter als ‚A Match ...‘. ‚War Profiteering ...‘ hat viele schnelle und harte Parts, was im Einklang mit den Texten der Platte steht. Denn ich denke, dass Texte und Musik auf unserem neuen Album eine gute, aggressive Einheit bilden.“

Die Wiederwahl von Bush und ein drohender Krieg im Iran – es ist viel passiert zwischen den beiden Alben und man könnte meinen, dass viele dieser Ereignisse dazu führten, dass die SUICIDE MACHINES noch politischer geworden sind, als sie vorher waren. Diese These wird aber von Dan Lucacinsky, zumindest teilweise, widerlegt. „Also, ich denke nicht, dass die Wiederwahl von Bush alleine dazu geführt hat, dass wir noch mehr politische Texte geschrieben haben als zuvor. Sicher, das war frustrierend und ich kann es kaum glauben, dass es zur Wiederwahl von Bush gekommen ist. Aber auf die Entwicklung unserer Texte haben darüber hinaus sehr viele weltpolitische Ereignisse Einfluss gehabt. Außerdem muss man sich klar machen, dass es heute sehr viel mehr Politisches zu sagen gibt, als vor der Wiederwahl der Bush-Administration. Denn vor zwei, drei Jahren hätte man sehr viel mehr sagen müssen, als gesagt wurde. Damals sprachen viel zu wenige über die politischen Probleme der USA. Wir haben damals, als das Thema Politik in der Szene beziehungsweise in der Gesellschaft unpopulär war, etwas darüber gesprochen. Bis heute hat sich die Situation gegenüber der von vor drei Jahren aber wesentlich verschlechtert. Was damals also schon schlimm war, ist heute noch schlimmer. Deswegen ist es uns wichtig, Politik ganz stark zu betonen.“

Solange die SUICIDE MACHINES ihre Meinung in so messerscharfe Ska-Punkrock-Hardcore-Songs wie „Capitalist suicide“, „All systems fail“ und „Bottomed out“ äußern, sollte das jedem nur recht sein. Mir jedenfalls hat lange kein Ska-Punkrock-Album mehr so gut gefallen wie „War Profiteering Is Killing Us All“. Hektische und aggressive Songs spielen die SUICIDE MACHINES hier, ohne dass sie dabei den Sinn für Melodien und tolle Ohrwürmer verlieren. Man darf nur hoffen, dass die SUICIDE MACHINES mit ihrem neuen Album schnell den Weg nach Europa finden, denn live macht die Band extrem Spaß!