Ohne die STOOGES wären wir alle nicht hier! Die STOOGES haben in den 60ern schon Punkrock gespielt, und damit meine ich nicht jenes als Sixities-Punk bezeichnetete verschärfte Beatgejohle, sondern Punkrock! I wanna be your dog - Selbstzerstörung als Lebensziel, scheiss auf Peace and Love - Search & Destroy. Iggy Pop als Godfather (Grandfather?) des Punk zu bezeichnen ist wohl nicht übertrieben, es gibt wohl kaum einen der 77er Punkheroen, der nicht The Ig als Haupteinfluss hatte. MUDHONEY, NEW BOMB TURKS - ohne Iggy hätten diese Bands wohl nie das Licht der Welt erblickt (um nur ein paar zu nennen). Selbst heutzutage, nachdem der Mann schon einiges an seichter Musik produziert hat, ist der weltweite Respekt in der Szene unübertroffen. Und womit? Mit Recht!
Angefangen hat die Geschichte am 21.4.1947 in Muskedo/Michigan, wo Freund Iggy als James Newel Osterberg geboren wurde. Er wuchs auf in einer Wohnwagensiedlung an der US 23 in der Nähe von Ann Arbor. Der Vater war Lehrer, die Mutter Sekretärin. Die ersten musikalische Sporen verdiente er sich ab 1963 in einer Collegeband namens THE IGUANAS wo er seinen Künstlernamen verpasst bekam, später in einer Band namens THE PRIME MOVERS, zunächst als Schlagzeuger. Von den IGUANAS existiert eine 1966 erschienene 7" ("Mona"/"I don´t know why"), für die so mancher Plattensammler wohl seine Seele verkaufen würde. Bei den Proben hing oftmals ein Typ namens Scott Ashton rum: "Elvis Presley looking character- real tough guy, good fighter and shit like that."
Iggy zeigt ihm wie man Drums spielte und lernte seinen Bruder Ron (Gitarre) sowie einen weiteren Polytoxicomanen namens Dave Alexander (Bass) kennen. Es war 1967 und die wichtigste Band des Universums war geboren. Live traten sie zum ersten Mal im März 1968 im Grande Ballroom in Detroit auf. Die erste LP wurde 1969 von John Cale of VELVET UNDERGROUND-Fame für Elektra produziert. Bereits 1966 hatten sich Iggy und die Andy Warhol-Blase mit V.U., Nico und Konsorten bei einem Filmfestival in Ann Arbor kennengelernt. Das in vier Tagen in New York aufgenommene Album enhält 8 Stücke, darunter die millionenfach gecoverten Evergreens "No fun" (z.B. SEX PISTOLS), "1969" und "I wanna be your dog". Die höchste Chartnotierung wurde bei Platz 106 notiert. Die Band begründet ihren legendären Ruhm also nicht auf millionenfachen Plattenverkäufen. Die STOOGES begeistern bzw. schockten zur gleichen Zeit das Publikum mit spektakulären Auftritten wie z.B. beim Midsummer Night´s Rockfestival in Cincinnati 1970, welches landesweit von NBC übertragen wurde, eins der ersten rockpalastartigen Events überhaupt. Außer den STOOGES traten Alice Cooper, TRAFFIC etc. auf. Iggy verbrachte die meiste Zeit des Auftrittes in der Crowd, divete rum und zum Schluß beschmierte er sich mit Erdnußbutter - eine geile Liveshow für den verdatterten Fernsehkonsumenten 15 Jahre vor MTV. Zu sehen gab es Ausschnitte dieses Spektakels neulich in einem Iggy Pop-Special auf Arte.
Im Laufe des Jahres wurde die zweite LP aufgenommen, wieder produziert für Elektra, diesmal von Don Galucci (Keyboard-Player der seinerseits recht legendären KINGSMEN). Der steigende Drogenkonsum machte sich in einem zunehmend psychedelischem Sound bemerkbar. Als zusätzliches Bandmitglied spielte Steven McKay Saxophon. Hier finden sich sieben Stücke, darunter die Klassiker "Loose", "TV eye" und "Dirt". Als Single wurde "Down on the street" b/w "I feel alright" ausgekoppelt. Die beiden Alben sind relativ problemlos noch erhältlich, allerdings nur als CD-Rereleases.
Im November 1971 war erstmal Schluß mit lustig, die Drogen hatten ihren Tribut gefordert, die STOOGES waren am Ende - der erste Split. Iggy zog angeblich nach Florida, um ein Programm aus Methadon und Golfspielen durchzuziehen. Doch bald schon ging es weiter: Im April 1972 trifft Iggy auf einer Party erstmals David Bowie, der den STOOGES einen neuen Plattenvertrag bei RCA vermittelt. James Williamson steigt als Gitarrist ein, Ron wechselt an den Bass. Dave Alexander fliegt raus und gibt im Laufe der Historie 1975 die Löffel ab - too much drugz´n´alcohol, er bleibt nicht der einzige Rock´n´Roll-Tote in der STOOGES-Geschichte. Auch Zeke Zettner (möglicherweise Namensgeber für die aktuelle Trash-Punk-Band ZEKE?), Roadie und zwischenzeitlicher Ersatz-Bassist zieht aus ähnlichen Gründen in die ewigen R´n´R-Jagdgründe ein. Songs wie "Death trip" waren also kein Scheiss, den sich irgendwelche gelangweilten Studenten ausgedacht haben. Im Oktober/November 1972 werden in den legendären CBS Studios in London die Aufnahmen zu "Raw Power" gemacht. Gemixt wird das Opus, das die Sechziger entgültig atomisiert, von Bowie, als Producer wurde The Ig himself gelistet. Nach längerem Hin und Her eben wegen der Mixes wird die Platte im Mai 1973 veröffentlicht, als Single-Auskopplung gibt es "Search & Destroy" b/w "Shake appeal". Bezüglich des Mixes scheiden sich bis heute die Geister; Puristen sind der Meinung, David Bowie hätte die STOOGES zu glatt gebügelt. Meiner Meinung nach eine etwas übertriebene Auffassung, es erinnert ein wenig an den Standpunkt mancher Budgetrock-Fans heutzutage, die sämtliche Platten oberhalb von TEENGENERATE-LP-Tonqualität als weichgespülten Teenie-Pop-Punk abqualifizieren (kleiner Scherz, Freunde!).
Für die Fans der harten Linie gibts seit geraumer Zeit die sogenannten "Rough-Mixes", als CD und 10" 1994 auf Bomp! erschienen. Bereits vorher waren die Aufnahmen als Bootlegs erhältlich, ich persönlich habe die Teile immer als Verarschung empfunden, da sich die Aufnahmen anhörten, als hätte jemand die Original-Scheibe zehnmal von Tape zu Tape ohne Dolby aufgenommen und dann auf Platte gepresst um Kohle zu machen. Insbesondere unsere froschschenkelfressenden Nachbarn taten sich in vergangenen Jahren mit der Herausgabe verschiedener STOOGES-Elaborate dieser Art hervor, die dem Fan Geld und Nerven raubten. Gewarnt sei hier vor den "Raw Mixes 1969 + 1970" der "STOOGES International Preservation Society" mit meiner Meinung nach gefakten Remixen der ersten beiden LPs. Abzuraten wegen Tonqualität jenseits von Gut und Böse außerdem "Live 1971" und "Live At The Whiskey A Gogo"(1973). Sind´s die STOOGES oder ist mein Staubsauger noch an?
Endgültig Feierabend war mit den STOOGES dann im Februar 1974 mit der letzten Show im Michigan Palace zu Detroit, nachzuhören auf dem Mitschnitt "Metallic K.O"., als Live LP 1976 auf Skydog erschienen. Teilweise wurden die Aufnahmen auch live in St. Louis bei einem Gig im September 1973 gemacht. Am Tag vor der Show hatte Iggy in einem Radiointerview eine verfeindete Rocker-Gang aufgefordert, ihm bei dem Konzert eine Schlacht zu liefern, was diese dann auch taten. Die Platte schließt mit "Louie Louie", Iggy verabschiedet sich mit den Worten: "Thanks to the person who threw that glass bottle at my head, you nearly killed me - you missed again, keep tryin´ next week." Ende der 80er kommt das Teil als "Metallic 2x K.O" als Reissue mit coolen Innersleeves (Iggy stoned und blutig im Würgegriff von Williamson in SS-Uniform!) wieder raus. Meines Wissens gab es vor kurzem einen erneuten Reissue als Do-CD mit zensiertem Artwork auf Jungle! Der interessierte Hörer findet hier alle Klassiker in leicht kruder, jedoch akzeptabler Soundqualität.
Das Jahr ´73 sieht noch die Aufnahmen verschiedener Sessions, die eigentlich Demos zu einer nie veröffentlichten vierten STOOGES LP waren, so z.B. "I got a right", einer der großartigsten Punkrocksongs ever, dessen Intensität höchstens von einer Handvoll anderer Stücke des Genres erreicht wird. 1977, also zur Hoch-Zeit der damaligen Punkrockwelle in England, wird "I got a right" mit "Gimme some skin" auf der Flipside als 7" auf Bomp! veröffentlicht und trägt sicher dazu bei, den Ruhm von Iggy bei der damaligen Generation Punkrocker zu festigen und ihn nicht als "boring old fart" dastehen zulassen. Meines Wissens ist die Scheibe mehrfach wieder aufgelegt worden und nicht allzu schwer zu finden. Einen guten Zusammenschnitt der ´73er-Sessions bietet die "I´m Sick Of You!" LP, 1981 auf Bomp! bzw. in Deutschland auf Line erschienen. Es sei noch auf die Original-7"-EP selben Titels mit "Tight Pants" und "Scene Of The Crime" auf (wo wohl?) Bomp! Hingewiesen, erschienen 1977. Weitere Titel, zum Teil mit Überschneidungen, sind auf der "Rubber Legs"-12"-EP des New Rose-Label-Ablegers "Fan-Club" 1987 erschienen.
Die Kollaboration Pop/Williamson findet noch auf dem 1975 aufgenommenen Werk "Kill City" seine Fortsetzung. Auch diese LP erscheint erst 1977, da nach dem Feuerwerk von "Raw Power" der Herr Pop keiner Plattenfirma mehr profitverdächtig genug erscheint, zumal er ob seiner Drogeneskapaden seinerzeit auch nicht als der zuverlässigste Geschäftspartner galt. Hier zeigen sich etwas "entspannteres" Songwriting als auf den vorhergehenden Krachern. Immerhin haben sogar TURBONEGRO hier geklaut! Hört mal rein! Mein Exemplar ist 1982 auf Line erschienen, ich denke ganz so leicht findet man diese Scheibe nicht, aber irgendein Idiot wird´s schon auf CD wiederveröffentlicht haben.
Die Rockgeschichte geht weiter mit Aufnahmen 1975 mit David Bowie ("Turn blue", "Sell your love"), die auf den später erscheinenden erfolgreichen "Rock"-LPs noch mal auftauchen. Dann ist Iggy am Ende, völliger Zusammenbruch, Psychatrie in Los Angeles, Entzug. Mit Bowies Hilfe schafft er Ende der 70er dann die Kurve, die megabekannten LPs wie "The Idiot" (mit "China girl", später Millionseller in der Version von Bowie) und "Lust for Life" erscheinen. Man sollte Bowie also wegen seiner "schlechten" Einflusses auf Iggy nicht allzu böse sein, denn im Laufe der nächsten 20 Jahre erscheinen noch ein paar ganz passable Platten. Und wie man sich noch letztes Jahr persönlich überzeugen konnte, ist Mr. James Osterberg auf der Bühne noch unschlagbar und gibt auf jeder Tour zahlreiche STOOGES-Kracher zum besten. (Mit Sohnemann Eric in der Band!) Da können auch noch Generationen von TURBONEGRO, NEW BOMB TURKS und NASHVILLE PUSSIES nur ansatzweise drankommen!
Epilog: Where are they now? Iggy alive and well, schreibt Soundtracks für amerikanische Zeichentrickserien - grottenschlecht! Dieser Tage erschienen: sein neues Album. Ron Asheton: Nach STOOGES in THE NEW ORDER (nicht zu verwechseln mit dem JOY DIVISION-Nachfolger), später DESTROY ALL MONSTERS und in der Detroit All-Star-Band NEW RACE (mit RADIO BIRDMAN- und MC 5-Leuten); Scott Asheton: hat auch in THE NEW ORDER gespielt, tingelt zuletzt mit Sonny Vincent (THE TESTORS) durch die Gegend, ist mit diesem auf verschiedenen, gar nicht üblen Tonträgern zu hören, Punkrock halt. James Williamson: hat zuletzt mit Iggy auf der LP "New Values" (1979) gearbeitet; arbeitet derzeit als Aufnahme-Techniker in L.A., ist gerüchteweise auch in Silicon Valleys Computer-Industrie tätig.
Peter Ströcker
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