Hinter der Theke einer verruchten, düsteren aber nichts desto trotz sehr stilvollen Punkrock-Kneipe, steht ein leicht gezwungen lächelnder Mann. Er trägt ein halbaufgeknöpftes, rotes Hemd mit Umschlagmanschetten. Es ist bereits spät. Andere Lokale haben bereits seit Stunden geschlossen. Die Schweißperlen auf seiner Stirn scheinen den unzähligen und scheinbar unersättlichen Gästen des kleinen Etablissements geschuldet. Nervös knetet er sein Geschirrhandtuch durch, als wäre es die Kehle Adolf Hitlers. So, als wüsste er nur zu gut, dass der Frieden nur von kurzer Dauer sein wird.
Da passiert es auch schon: Ein Gast nähert sich, wankend von der Toilette kommend, unaufhaltsam der Theke. Das Gesicht des drahtigen, nicht sehr hoch gewachsenen Mannes hinter dem Tresen verzieht sich augenblicklich zu einer hasserfüllten Fratze, wie sie nicht einmal Dieter Degowski zustande gebracht hätte. Der Gast artikuliert lallend ein dennoch klar verständliches "Zwei White Russian und einen Sekt mit Eis". Mit einer blitzartigen Vorwärtsbewegung, die man dem smarten, jedoch bereits ergrauten Barkeeper gar nicht mehr zugetraut hätte, schnellt er nach vorne. Die nächste Einstellung zeigt ihn Nase an Nase mit seinem Gast. Seine Lippen formen ein psychotisch hell klingendes "What?", während seine Augenbrauen sich abwechselnd und scheinbar unwillkürlich auf und ab bewegen. Der Gast wiederholt sichtlich verunsichert seine Bitte, ergänzt durch ein Fragezeichen. Auf die Cocktail-Karte hinter sich an der Wand deutend, antwortet der Mann hinter der Theke: "Dude. Forget this card. Forget, what the girls told you to bring. But never, never forget what I am telling you now: There is beer, and there is beer. Okay?" Nach einer gespenstisch lang scheinenden Pause, in der sein gütiges Lächeln, mittlerweile völlig entspannt wirkend, wieder zurückgekehrt ist, fragt er unvermittelt und mit einer hochsympathischer Heiterkeit in der Stimme: "So, what can I do for you, friend?".
Der Gast, dessen Mimik offensichtlich versucht, eine geschwenkte, weiße Flagge darzustellen, bestellt ohne weiteres Nachdenken drei Biere. Der Besitzer des Ladens bestellt sich, gut gekleidet am Tresen sitzend, bei dieser Gelegenheit, breit grinsend, auch noch ein weiteres Bier. Unmittelbar neben ihm bestellt anschließend ein verwegen aussehender Punkrocker jenseits der 30 Lenze lautstark Jägermeister und verlangt, dass der Lautstärkeregler trotz der späten Stunde noch ein wenig nach rechts gedreht werden solle. Schließlich wären das gerade die ANGRY SAMOANS und man solle sich mal nicht so mädchenhaft anstellen. Während alledem sitzt in einer der hinteren Sitzecken ein ansonsten gut aussehender, junger Mann mit Kinnfotze und gelangweilter Mine. Er kommt gerade von einem DJ-Job, wo er bis vor kurzem noch mit Dub, Reggae und allerlei elektronischer Beatmusik eine gänzlich andere als die hier anwesende Klientel bei vorzüglicher Laune gehalten hat. Er trinkt, fragt sich, wer all diese Penner um ihn eigentlich sind, und zeichnet dabei scheinbar gedankenverloren obskure Dinge auf die Rückseite seines Bierdeckels. Während die Sonne vor der Tür langsam aufgeht, fährt trotz des schlechten Wetters bereits ein professionell ausgestatteter Radrennfahrer an unserer kleinen, seelenfangenden Kneipe vorbei und schüttelt ungläubig den Kopf, als ihm ein sich vor der Tür herumdrückender Pulk von Punks zu verstehen gibt, dass die letzte Runde im Inneren wohl immer noch nicht ausgerufen wurde.
"Working in bars, hanging round in bars, getting thrown out of bars ..." Meine Damen und Herren, Punketten und Punker, Snobismus-Freunde rund um den Globus: Willkommen im Universum von STEAKKNIFE, denen wir angesichts der Veröffentlichung ihres neuen Albums "Parallel Universe Of The Dead" ein paar Fragen gestellt haben.
Wenn es ums Plattenmachen geht, sind STEAKKNIFE alles andere als Radrennfahrer, sondern eher Lahmärsche. Warum verging seit der letzten Platte so viel Zeit?
Lorenzo: Wie Einstein so schön sagt, ist Zeit relativ, und was dem einen lang vorkommen mag, erscheint anderen eher wie ein Wimpernschlag. Und außerdem sind sieben Jahre angesichts des Alters des Universums nun wirklich ein Klacks.
Marc: Es gibt eben auch andere Dinge außer Punkrock, was man meistens so ab 30 merkt ...
l.demon: Nach meinem Wiedereinstieg 2002 hat es natürlich erst mal etwas gedauert, sich einzugewöhnen, einen gemeinsamen Nenner zu finden und neue Songs zu schreiben. Als wir dann soweit waren, hat sich Mr. Mondial die Schulter ausgekugelt und die Band lag ein Jahr auf Eis. Ende 2005 waren wir wieder soweit, aber Hell G hat sich beim Fußballspielen den Finger gebrochen und der Studiotermin musste wieder verschoben werden. Zusätzlich wollten wir, um Geld zu sparen, die Gesangsparts selbst aufnehmen, was uns aber nicht so recht gelungen ist. Das hat die Aufnahmen noch mal um ein halbes Jahr verzögert. Die Hellsten sind nicht immer die Schnellsten ...
Überhaupt: 16 Jahre, vier Alben ... Absicht oder Zufall?
Lorenzo: Gegenfrage: Mit welcher Zahl lässt sich diese Reihe logisch fortführen? 1995, 1997, 2000, 2007 ...
l.demon: Absicht! Alle vier Jahre: EM, WM, Olympia, STEAKKNIFE-Pladde.
Nach langen Jahren bei Nois-o-lution seid ihr jetzt bei Rookie. Wie kommt's? Alte Familienbande?
l.demon: Klar! Ich kenne Jürgen seit fast 20 Jahren, Lee kennt ihn noch länger, der Tüp ist Punk-Rock wie kein anderer und macht ein exzellentes kleines Label. Nois-o-lution waren nicht mehr überzeugt von uns, was zu Gesprächen mit einigen anderen Labels führte, darunter auch Rookie Records. Letztendlich hat unser freundschaftliches Verhältnis zu Jürgen den Unterschied gemacht.
Lorenzo: Auch, aber vor allem Jürgens gute Kontakte ins Ausland und die Aussicht, endlich einmal einen Auslandsvertrieb am Start zu haben und nicht immer nur durch Deutschland zu touren.
Hell G: Zudem war es uns schon lange ein Dorn im Auge, dass Arne von Nois-o-lution Bayern-Fan ist.
Man fühlt sich bei manchen Songs auf angenehme Art und Weise in die "God Pill"-Ära zurückversetzt. Liegt das an der Rückkehr der Gitarre von Lurchi Demon, oder wollte man generell wieder einige "Back to the roots"-Stücke dabeihaben?
Marc: Das sehen und hören wir eigentlich nicht so, aber wenn du das sagst, dann liegt es wohl in erster Linie an gesunder Ernährung, viel frischer Luft, regelmäßigem Stuhlgang und mindestens zwei Litern Wasser am Tag!
Wer ist der besungene "Brainboy"? Bush? Stoiber? Stefan Raab?
Lee: Anyone but you ...
Lorenzo: ... hältst du die etwa für schlau?
Was unterscheidet die neue Platte im Wesentlichen von der "Plugged Into The Amp Of God" und wie sind diese Unterschiede entstanden?
Marc: Wofür wirst du denn eigentlich bezahlt? Für Teil eins der Frage bist doch du als Musikjournalist zuständig ...
Lorenzo: Aber um dir einen Gefallen zu tun: Die Platte heißt anders, sie hat ein anderes Cover, es sind andere Stücke drauf.
Marc: Und das liegt wohl daran, dass wir im Alter etwas wunderlich geworden sind.
Hat euch Guido Lucas echt wieder ins Haus gelassen? Bei meinem letzten Besuch dort zeigte mir der Chef das Loch in der Tür, das Lee beim letzten Mal da reingetreten hatte ...
Lorenzo: Na und? Eine bessere Werbung kann er sich doch gar nicht wünschen.
Hell G: ... und außerdem solltest du dir sein Studio mal jetzt anschauen!
Würdet ihr sagen, dass sich euer musikalischer Horizont über die Jahre verändert/verschoben hat? Welche Bands waren einst für euch wichtig, welche sind es heute - noch? Und welche kann man heraushören, welche nicht?
Lorenzo: Oh Mann, noch so'ne Frage ... Für mich waren und sind vor allem STEAKKNIFE wichtig. Natürlich findet jeder von uns auch andere und völlig unterschiedliche Bands gut, was unsere Ideen sicherlich beeinflusst. Und im Proberaum einigt man sich dann eben auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. Welche Bands man heraushören kann, sollen/müssen andere - sprich du - entscheiden. Wir stellen uns ja nicht hin und sagen: "Jetzt lasst uns mal ein Stück wie BLACK FLAG machen." Auf jeden Fall kannst du Shakira und Ronan Keating schon mal ausschließen.
l.demon: Mein musikalischer Horizont hat sich weder verändert noch verschoben, sondern erweitert. Wichtig waren und bleiben aber Oldschool-Bands wie BLACK FLAG, ANGRY SAMOANS, DEAD KENNEDYS, THE CLASH, MINOR THREAT, RAMONES, DEVO, MISFITS, REAGAN YOUTH und so weiter. Ob man das raushört oder nicht, ist mir ziemlich egal.
Von wem ist das famose Coverartwork und was ist die Aussage, die sich dahinter verbirgt?
l.demon: Das Artwork stammt von Nobody, einem Sprayer aus Saarbrücken. Ich hab ein paar Fotos von seinen Graffitis geschossen und den anderen präsentiert. Alle waren begeistert und Marc hat ihn ausfindig gemacht. Wir haben ihm eigentlich nur den Rough-Mix in die Hand gedrückt und den Titel vorgegeben. Er hat einige wunderbar kranke Skizzen abgeliefert, keine Ahnung was in seinem Kopf abgeht ...
Lorenzo: Welche Aussage sich dahinter verbirgt, können wir dir nicht sagen: wir sind schließlich Musiker und keine Kunstkritiker.
Was für Parallelaktivitäten habt ihr in den letzten Jahren gepflegt/neu aufgenommen/fortgeführt? Von einem "Paralleluniversum" spreche ich jetzt gar nicht ...
Hell G: Lee singt noch in einer anderen Band, die auch mit "S" anfängt.
Lee: ... und ich arbeite an einer Ratgeberreihe mit dem Titel: "It's Your Fault, Fuckhead".
Marc: Ich mache Essen und Filme, Hell G ist Gastromonopolist und Papa.
Lorenzo: Ich habe noch eine TRIO-Coverband - DIE FAHRT VON HOLZMINDEN NACH OLDENBURG - und übersetze ansonsten Filme für den Schlaukopfsender ARTE. Lurchi hat 53 Gitarren und spielt in jeder seiner Bands drei - bis auf eine: wie heißt die Band?
l.demon: Außerdem probe ich immer noch mit den Jungs von MUSTANG 666, allerdings trinken wir die meiste Zeit Bier und hören uns die Arbeitsanekdoten von unserem Schlagzeuger an. Mit meinem anderen Projekt PRIVATE PONY geht da ein bisschen mehr, wir werden demnächst unsere nächste CD - Arbeitstitel: "Darth Vader Abraham" - aufnehmen. Außerdem gibt's seit kurzem meine Pickelrock-Combo MÖFAHEAD wieder.
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