STAATSPUNKROTT

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Älter werden kann auch schön sein

Erwartungen unterlaufen, Überraschungsmomente kreieren – das sind sicher keine schlechten Ziele, vor allem nicht für eine junge Band. Das Lustige am Fall STAATSPUNKROTT ist, dass sie gar keine junge Band sind, und von gezielten Manövern des Austricksens ebenso keine Rede sein kann. Hier liegt es schlicht und ergreifend daran, dass ein paar Menschen als Teenager zusammenfanden, eine Menge Spaß hatten und beschlossen, einfach genau so weiterzumachen. Und da kommt nach einigen Jahren mit „Nordost“ der inzwischen siebte Release, der jemanden, der diese Band neu entdeckt, überraschen mag, wie auch Sänger Jens denkt.

Wenn man sich ältere Songs von euch anhört, klingen die ja doch sehr anders als das, was es jetzt auf „Nordost“ zu hören gibt. War das eher eine unbewusste Entwicklung?


Richtig! Wir fanden auch das nette Review in Ox #121 sehr treffend. Hier hieß es ja, dass keiner wohl verstehen wird, wieso sich eine Band STAATSPUNKROTT nennt, ganz ohne im Fun-Punk unterwegs zu sein. Die Erklärung ist in der Tat genau so simpel: Als wir die Band 2003 gegründet haben, waren wir gerade 17 Jahre alt und eben in genau jenem Sektor unterwegs. Exakt so klingen auch unsere ersten Veröffentlichungen auf Nix Gut. Der Wandel kam dann nach und nach – man wird eben älter und der musikalische Geschmack wächst quasi mit einem mit. Ich denke, das hat sich schon auf unserem letzten Nix Gut-Release angedeutet, hat sich damals über die EP fortgesetzt und mit dem Vorgängeralbum „Phoenix Effekt” waren wir dann endgültig bei dem angelangt, was jetzt als „deutschsprachiger Melodycore“ bezeichnet wird – eine Einschätzung übrigens, die uns sehr schmeichelt!

Habt ihr euch zwischendurch auch mal überlegt, die Band ganz neu aufzuziehen, zum Beispiel mit anderem Namen?

Sicher hat man das mal besprochen, da sich Musik und Name irgendwann schon etwas auseinander entwickelt haben. Es ist ja auch nicht erst seit „Nordost“ so, dass wir häufiger hören: „Ich hab ja bei dem Bandnamen erst gedacht, dass ... aber dann ...“ Da wir in unseren Anfangstagen aber recht fleißig waren, hatten wir zu diesem Zeitpunkt auch schon mehrere Platten auf dem Markt und sind sehr viel getourt. Dabei haben wir so unglaublich viel Gutes und Dankbares durch und mit dieser Band erleben dürfen, dass es uns irgendwie unehrlich vorkam, uns umzubenennen und so damit zu brechen. Natürlich entsprechen unsere alten Veröffentlichungen nicht mehr dem, was diese Band heute transportiert, dennoch hatte das alles zu seiner Zeit seine Existenzberechtigung. Diese Band ist eben auch ein Stück weit gemeinsam aufgewachsen und hat sich dabei menschlich wie musikalisch gemeinsam weiterentwickelt. Dabei ist alles, was bisher geschehen ist, ein Teil unserer Geschichte und so eben auch der Name.

Ihr veröffentlicht jetzt das erste Mal auf People Like You. Wie kam das?

Unsere Labelwechsel gingen eigentlich immer mit unserer musikalischen Entwicklung einher, so dass bei Nix Gut wirklich die Platten unserer „Deutschpunkphase“ erschienen sind. Die Trennung verlief damals sehr freundschaftlich, und nach einigen Zwischenstationen waren wir erst mal ohne Label, was uns in die komfortable Situation brachte, „Nordost“ komplett in Eigenverantwortung aufnehmen zu können. Wir wollten einfach unsere Vision der Platte umsetzen und zwar ohne dass uns jemand reinredet. Erst im Anschluss haben wir dann mit den Leuten über das vollständig fertige Werk gesprochen. Nach einigen Treffen hatte sich herauskristallisiert hat, dass bei den Leuten von People Like You sowohl die Chemie als auch die Vorstellungen von der Zukunft der Band stimmten.

Kannst du für uns „Nordost“ thematisch zusammenfassen?

Thematisch haben wir uns vorab kein Korsett anlegen wollen, aber am Ende ist es bei der Sinnsuche auf ein übergeordnetes Thema herausgelaufen, was auch der Kompass auf dem Cover symbolisieren soll. Auf dem Album ist das Finden des eigenen Weges das prägnanteste Thema. Dabei nimmt man zwangsläufig sämtliche Facetten mit, von den positiven Momenten, wie sie „Nordost“, „Atem“ oder „Meer aus Licht“ beschreiben, in denen man sich absolut frei fühlt, bis hin zu düsteren Augenblicken wie in „Hier stirbt deine Jugend”, „Flucht ohne Refugium“, „Ohne Schlaf“ oder „Generation S“, in denen man von Zweifeln fast aufgefressen wird.

Die Platte wirkt insgesamt nicht besonders politisch, was für die Art von Musik, die ihr jetzt spielt, nicht unbedingt typisch ist. Ist das für euch ein Gebiet, das nicht unbedingt musikalisch verarbeitet werden muss?

Nein! Die Aussage, dass Politisches nicht im Punkrock vorkommen muss, würde ich niemals guten Gewissens unterschreiben – ganz im Gegenteil. Auch auf „Nordost“ finden sich ja, allem voran mit „C4H10“, sehr politische Inhalte. Richtig ist sicher, dass sie bei uns weniger präsent sind als bei manchen Kollegen, da wir in den Texten auch viel Zwischenmenschliches und Emotionales behandeln. Das liegt bei uns zum einen daran, dass wir bemüht sind, gewisse Dinge möglichst so zu formulieren, wie sie bisher nicht schon zig Mal gesagt wurden sind, und dabei auch niemandem mit dem Holzhammer die Message ins Gesicht zu hämmern. Da ist ja auch vieles schon von Genrekollegen gesagt worden, und zwar gut. Zum anderen hat man Ende zwanzig gerade politisch doch recht differenzierte Ansichten entwickelt, so dass es oft schwerfällt, diese in der begrenzten Zeilenzahl, die bei Punkrock-Songs bleiben, so zu besprechen, wie es der Sache angemessen wäre. „C4H10“ war so ein Fall, in dem uns das leicht von der Hand ging, da uns das Thema „Fremdenfeindlichkeit“ aktuell sehr umtreibt.