STAATSPUNKROTT

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Punkrock für Erwachsene

Aller guten Dinge sind drei, das gilt auch für STAATSPUNKROTT, die mit der aktuellen Veröffentlichung „Choral vom Ende“ eine Album-Trilogie abschließen, die vor fünf Jahren mit „Phoenix Effekt“ begonnen hat. Damals zogen die Jungs aus Würzburg einen Schlussstrich unter ihre Deutschpunk-Phase und werden inzwischen in Besprechungen in einem Atemzug mit Bands wie MARATHONMANN, KMPFSPRT oder TURBOSTAAT genannt. Sänger Jänz Jensen und Gitarrist Oliver Sonntag haben absolut nichts dagegen.

Wo kommt ihr eigentlich her? Seid ihr eine Würzburger Band?

Jänz: Die Band hat aktuell zwei oder sogar drei Homebases. Zwei von uns sind aus Würzburg, Oli und ich. Unser Gitarrist Peter und Bassist Jakob kommen aus Leipzig und unser Schlagzeuger ist aus Karlsruhe. Und weil Würzburg quasi in der Mitte liegt, spielt sich hier das meiste ab. Wir starten auch von hier aus zu unseren Touren, haben hier unser Lager. Also ohne Würzburg geht gar nichts.

„Choral vom Ende“ heißt euer neues Album. Es ist der Schlusspunkt einer Album-Trilogie. Wie kommt man als Punkband im 21. Jahrhundert auf die Idee, eine Trilogie zu veröffentlichen? Für viele Bands ist sogar schon das Album als Format Geschichte.

Jänz: Es hat sich mit „Phoenix Effekt“ ergeben. Dieses Album war für uns schon ein musikalischer Neustart. Und gibt es ja auch schon eine ganze Weile und das Material vor „Phoenix Effekt“ unterscheidet sich wesentlich vom jetzigen. Inzwischen haben wir mit diesem Melodycore-Sound unseren neuen Stil gefunden. Und mit dem „Phoenix Effekt“-Album hatte sich eine Art Aufbruch als Überthema ergeben. Dann ist im Studio die Idee gereift, die nächsten drei Alben als Trilogie anzulegen. Auf „Phoenix Effekt“ geht es um Neustart und den Aufstieg des Phoenix, „Nordost“ hatte Aufbruch und Zuversicht als Thema und „Choral vom Ende“ behandelt dann Niedergang und Ende. Von daher waren die drei Alben thematisch ein geschlossener Zyklus, aber musikalisch insgesamt ein Neubeginn.

Für eine Punkrock-Band finde ich das Bild des Fabelwesens Phoenix sehr ungewöhnlich. Darüber singen eigentlich Hardrock-Bands, die sich auch mit Drachen, Rittern und bösen Hexen beschäftigen.

Jänz: Das Bild hat sich für uns gleichermaßen aufgedrängt mit dem Thema Neuanfang. Ich fand den berühmten Feuervogel mit seinen drei Stadien einfach sehr passend. Mir gefällt vor allem auch, dass es ein geschlossenes Bild ist, diese Idee vom immer wieder Aufstehen, Höhepunkt, Niedergang und wieder von vorne. Deshalb haben wir uns für den Phoenix entschieden.

Gibt es auch einen Bezug zu unserer Zeit und dem aktuellen Rechtsruck in Deutschland?

Jänz: Tatsächlich war diese schwierige Zeit sehr prägend für das Album. Wir haben ungefähr ein Jahr lang daran geschrieben. „Umrissmensch“ zum Beispiel, ein Lied über Flüchtlinge und Heimatlose, hat natürlich jetzt ziemliche Aktualität bekommen. Dass so ein Song jetzt so gut passt, sollte uns ja eigentlich mehr ärgern als freuen.

Oli: Ich denke, man hört dem Album an, dass es um Menschen geht, die innerlich zerrissen sind und unter Zukunftsängsten leiden. Viele Dinge auf der Welt sind gegenwärtig so ungewiss. Der Kapitalismus liegt in seinen letzten Zügen, die Frage ist nur, was kommt danach? Und das trägt auch zur Grundstimmung des Albums bei.

Jänz: Mir liegt auch der Song „Monokel für zwei Augen“ am Herzen. Da geht es um den Raubbau an der Welt, der mich sehr beschäftigt hat. Der „Earth Overshoot Day“ war für uns ein Riesenthema. Das ist der Tag im Jahr, an dem die menschliche Nachfrage an natürlichen Ressourcen die Kapazität der Erde für Reproduktion übersteigt. Der war 2016 so früh wie nie.

Ich empfinde das Album gar nicht als so finster. Das liegt wahrscheinlich an eurem kalifornischen Stil.

Jänz: Die Düsternis steckt natürlich vor allem in den Texten. Durch den California-Punk klingt es musikalisch natürlich recht fröhlich. Durch die Texte entsteht aber so eine Art Melancholie, die das Ganze trägt. Wir fühlen uns einfach in diesem California-Nineties-Punk zu Hause.

Oli: Wir sind außerdem selbst eher fröhliche Menschen. Wir haben Riesenspaß an der Band. Egal, ob das im Bandbus hocken, ein Konzert spielen oder zu Hause an einem Song feilen heißt. Klar behandeln wir auch düstere Themen, denn in so einer schwierigen Zeit ist es schwer, durchgehend positive Texte zu schreiben. Total dunkle Musik zu machen, liegt aber nicht in unserer Natur. Und dieser Mix aus positiver Musik und düsteren Texten ist auf „Choral vom Ende“ echt gut gelungen.

Auf mich wirkt das Album auch wie der Abschluss eines Reifeprozesses. Frühe Platten von euch hießen „Reden ist Silber – Brüllen ist Gold“ oder „Ding Dong! Möchten Sie eine Punkband kaufen?“.

Jänz: Als ich mit der Band angefangen habe, war ich 17 Jahre alt. Da waren wir noch im Funpunk-Sektor zu Hause, haben lustige Texte geschrieben und uns selbst für wahnsinnig witzig gehalten. Damals haben wir straighten Deutschpunk gemacht. Als Zeitzeugnis sind diese Alben definitiv in Ordnung, aber über die Jahre ist die Band einfach gewachsen. Das merkt man natürlich an den Texten. Und bin sehr stolz darauf, dass die Band dieses Wachstum auch zugelassen hat. Das hat natürlich dann auch musikalisch vom rumpeligen Deutschpunk zu US-Punk mit deutschen Texten entwickelt.

Mit dem Stilwechsel habt ihr auch einen Labelwechsel vollzogen von Nix Gut zu People Like You. Warum war das der richtige Schritt für euch?

Jänz: Bei „Nordost“ waren wir labelfrei und haben das Album einfach selbst produziert. Dann sind wir mit der fertigen Platte auf Labelsuche gegangen. Und PLY hat relativ schnell Gefallen daran gefunden und sich gemeldet. Dann haben wir uns getroffen und gleich festgestellt, dass wir ähnliche Vorstellungen haben. Deshalb sind wir dort sehr zufrieden. Für diese Art von Musik, wie MARATHONMANN oder KMPFSPRT sie machen, sind PLY „the place to be“. Wenn ich aktuell nicht dort wäre, würde ich dort hin wollen. Das ist einfach eine Firma, die dir nicht reinlabert und weiß, was die Bands wollen. Das ist wirklich eine Partnerschaft auf Augenhöhe.

Spielt D.I.Y. für euch als Band noch eine Rolle? Ihr seid ja jetzt bei einem größeren Punklabel.

Jänz: Wir haben großen gestalterischen Spielraum. Wir haben die Platte aufgenommen und fertig abgegeben. Wir haben uns um das Artwork gekümmert, da hat auch keiner gesagt: Lass uns mal drüber reden! Das ist D.I.Y. mit jemanden hintendran. Ich denke, das ist immer noch die größte Punk-Attitüde, die du fahren kannst mit Plattenfirma.

Und der Rest? Musik ist ja eigentlich nur die Hälfte des Bandlebens ...

Jänz: Das Booking habe ich die letzten zwölf Jahre selbst gemacht. Mehr D.I.Y. im Konzert-Business geht also nicht. Denn am Anfang interessiert sich keine Agentur für dich. Wir arbeiten jetzt im ersten Jahr mit Leuten zusammen, die uns unter die Arme greifen. Auch vor dem Hintergrund, dass das Booking-Geschäft immer schwieriger wird. Vor allem was Festivals betrifft, hast du ohne Agentur fast keine Chance. So gerne ich alles selbst in der Hand habe, ums Booking habe ich mich nicht mehr geprügelt. Nach bald 400 Konzerten ist es für mich Mega-Luxus, einfach in den Tourbus zu steigen und ein Blatt zu bekommen, auf dem steht, wo wir hinfahren.

Womit bezahlt ihr eure Miete? Die Einnahmen durch STAATSPUNKROTT werden vermutlich nicht ausreichen.

Jänz: Unser Schlagzeuger Simon ist im IT-Bereich tätig, Oli arbeitet als Stagehand, jobbt in einem Backline-Service und legt auch als DJ auf. Unser Bassist studiert Komposition und ist in Leipzig am Jadeturm-Studio beteiligt. Ich selbst bin Lehrer und unser zweiter Gitarrist Peter ist Medienpädagoge, der geht also in Schulen und überzeugt die Kinder davon, nicht so viel Zeit am Handy zu verbringen.

Wie sieht das Jahr 2017 für STAATSPUNKROTT aus? Anfang März ist das neue Album erschienen. Was kommt dann?

Oli: Wir werden sehr viele Konzerte spielen, darauf richten wir gerade alle unsere Aufmerksamkeit. Die Tour läuft bis Anfang April quasi jedes Wochenende. Und wir wollen die neuen Songs möglichst gut präsentieren und natürlich auch mit dem Publikum intensiv interagieren. Danach geht’s im Anschluss gleich weiter mit dem Festivalsommer.

Jänz: Im Herbst wollen wir dann in den Städten spielen, die wir im Frühjahr nicht geschafft haben.