Im Auftrag der Erhaltung ehrlicher und wertiger Tonkunst machte ich mich Mitte Juli nach Gravelands auf und folgte mit mutiger Mine der Einladung der Grabräuber THE SPOOK in ihre dunklen Gemäuer – ein Areal, das erstens noch nicht viele Leute zuvor betreten hatten und zweitens wohl nur die wenigsten wieder lebendig verlassen dürfen. Ich hatte Glück und wurde nach gut zweieinhalb Stunden ohne bleibende Schäden und mit keinem Tropfen Blut weniger entlassen. Okay, den Schaden hatte ich schon vorher, bleibend von dem Besuch sind allerdings die ersten Eindrücke des Debüt-Albums „Some Like It Dead“, welche meine Reise vollstens entlohnten. Ohne zu viel vorwegnehmen zu wollen: Mit diesem Longplayer werden die Horrorfilm-Liebhaber ihren ohnehin schon großen Fankreis um ein Vielfaches bereichern, verleihen sie dem ein wenig angestaubten Punkrock-Genre doch neuen Biss. Ein Prädikat, das bislang – mal abgesehen von den unangefochtenen Königen SMOKE BLOW – den meisten Formationen vorbehalten blieb.
Wie schon die letztjährige Vorgänger-EP „Fright Night“, erzählt auch der Full-Length-Debütant vom Leben in der SPOOK’schen Heimat und spinnt die Geschichte Gravelands’ gekonnt fort. Kaum eine Facette bleibt unangetastet, so dass man nach dem Hören der insgesamt zehn Tracks wirklich alles über den Ort und dessen Bewohner in Erfahrung gebracht hat. Nicht genug, denn „Some Like It Dead“ ist natürlich kein Hörspiel geworden, sondern hüllt die schwarzhumorigen Texte in ein Gewand, welches sich von dem des kurzweiligen Vorgängers abhebt und den seit jeher schon exzellenten Grundsound um variantenreiche Nuancen erweitert. Ganz klar: THE SPOOK lassen sich mit ihrem neuen Baby auf keinen Stil beschränken, sondern servieren eine kunterbunte Mischung aus knalligem Punk, kräftigem Rotzrock und harmonischen Sounds, die sogar bei dem, den Longplayer abschließenden Stück „The Untold Story Of Gravelands, Karloffornia“ durch Gebrauch einer zwölfsaitigen Akustikgitarre locker-flockiges Country-Feeling aufkommen lassen. Eine Stilvielfalt, die nicht unbeabsichtigt war, wie Sänger Lou Gosi erzählt:
„Ich denke, eine Entwicklung hin zur Eigenständigkeit sollte bei keiner Band ausbleiben, und ich kann mir den Schritt zu unserem nächsten Album sogar noch größer vorstellen. „Some Like It Dead“ sollte ein wenig reifer und facettenreicher klingen, und das ist uns laut den ersten Meinungen außerhalb der Band gelungen. Auf dem Album findest du neben vielen rockigen Stücken auch einige ruhige Songs und sogar einen Country-mäßigen Track, der die Reise nach Gravelands abrundet. Wir haben bewusst etwas weniger Punk einfließen lassen und uns eher am Rock’n’Roll orientiert. Die Songs erzählen vom Leben in Gravelands und sollen vor allem Spaß vermitteln; wir sind ja schließlich keine Band der Sorte IMMORTAL, die sich und ihre Musik bitterernst nimmt. Musikalisch wollten wir den Leuten ebenfalls etwas Besonderes bieten und die Scheibe nicht auf drei Akkorden oder zwei Rhythmen aufbauen. Die Leute sollen Freude an der Musik haben und bei jedem einzelnen Instrument hören, dass eine Menge innerhalb eines Songs passiert.“
„Wobei man anmerken muss, dass das Album insgesamt absolut rund geworden ist“, meldet sich der Keyboard spielende Neuzugang Terence Tula zu Wort, welcher schon seit den 30er Jahren sein Unwesen treiben soll und nebenbei für Backingvocals verantwortlich zeichnet. „Es braucht also niemand mit Gospel oder ähnlichen Klängen zu rechnen, hehe.“
Laut Gitarrist Ross Feratu wollte man weg vom Schweinerock, welcher der Band zwar in den Anfangstagen noch sehr am Herzen gelegen hatte, doch seit Verbreitung der Schweinepest letztendlich lieber zu den Akten gelegt wurde.
Nicht weiter schlimm, rocken können die Weirdoz nämlich auch ohne Schwein. Schließlich scheint der kreative Overkill dem für ihre Spezies sehr fidelen Sextett förmlich in die Wiege beziehungsweise in diesem Spezialfall ins Grab gelegt worden zu sein. Mit nur einem Medium – der Musik – geben sich Lou, Ross, Terence, Karl Off (der zweite Gitarrist, welcher getreu dem Motto „Gravesleeping Is Not A Crime“ ein wenig verschlafen wirkend nach dem Interview zu uns stoßen sollte), Lester Vail (Bass) und Jack Ill (Drums) nämlich noch lange nicht zufrieden. Der Clip zum Titeltrack der EP wurde in Eigenregie und monatelanger Arbeit rechtzeitig zur Veröffentlichung von „Some Like It Dead“ fertig gestellt und fungiert auf der CD-Version als enhanced Bonustrack, während die LP-Käufer sich auf buntes Vinyl freuen dürfen. Erste Szenen lassen erahnen, dass kein Fan enttäuscht werden wird: Ein trashiges, mit großartigen Hooks unterlegtes Horror-Kurzmovie in bester Boris-Karloff-Manier.
Besonders froh ist Lou über den Support des People Like You-Labelchefs André, der die Band auch bei der Fertigung des Videos voll und ganz unterstützte: „André sah sich unsere ersten Ideen an und meinte: „Klasse, macht alles so, wie ihr es für richtig haltet. Das war wirklich großartig von ihm.„
Eine Situation, die bei einem größeren Label sicherlich wesentlich kompromissloser und hauptsächlich zu Vorteilen des Geldgebers entschieden worden wäre. Solche Gedanken werden sich die unterhaltsamen Genossen sicherlich irgendwann stellen müssen; spätestens, wenn „Some Like It Dead“ es der „Fright Night“-EP gleichtut und ebenfalls innerhalb eines Jahres komplett ausverkauft sein sollte.
„Wir hätten absolut keine Lust, solche Entscheidungen bei einem großen Label in die Hände anderer zu legen, weshalb wir auch jetzt schon totalen Horror davor haben, eines Tages bei einer anderen Plattenfirma in diese Situation zu kommen“, kommentiert Lou.. „Da verzichte ich lieber auf das große Geld und genieße uneingeschränkte Freiheit!“
In Gedanken an ein anderes Label, das vielleicht irgendwann THE SPOOK für sich gewinnen kann, ergänzt Lester: „Ich denke, es ist wichtig, dass man mit dem Label kooperiert, sich aber nicht bevormunden lässt. Wenn Labelmenschen sehen, dass eine Band eigenständige, gute Ideen hat, sollten sie unterstützend wirken und nicht aus kommerziellen Gründen den Riegel vorschieben. Von daher sehe ich der Sache also eher locker entgegen.“
Man merkt den Düsterheimern an, dass sie in ihrem Tun voll und ganz aufgehen, doch selbst die Arbeit am ersten Videoclip scheint den kreativen Grenzen der Truppe nicht vollends genügt zu haben, denn für Ende des Jahres haben die im wahrsten Sinne des Wortes als „Künstler“ zu bezeichnenden Akteure noch ein weiteres, außergewöhnliches As in der Hinterhand.
Geplant ist die Veröffentlichung eines eigenen Comics, der – ergänzend durch den Soundtrack „Some Like It Dead“ – den Schauplatz Gravelands um eine weitere Plattform erweitern soll. Einen eindrucksvollen Vorgeschmack gibt das Cover der aktuellen Scheiblette, welches – wie auch „Fright Night“ – von dem Zeichner mit dem mysteriösen und doch merkwürdig-femininen Namen Petra gefertigt wurde.
Die logische Steigerung liegt für die musikalischen Filmfreaks natürlich nahe: Den Soundtrack zu einem Horrorfilm zu schreiben. „Schön, dass du es ansprichst“, freut sich Lou enthusiastisch über diese Vorlage. „Das ist schon seit langer Zeit ein sehr, sehr großer Wunsch, der natürlich entsprechende Anfragen voraussetzt. Wenn uns jemand fragen würde, ob wir die Musik zu einem Film machen wollten – dabei will ich uns nicht einmal auf Rocksounds festlegen, sondern ich meine schon zur Szenerie passende Sounds, die die Intensität eines Films verdichten – wäre das absolut großartig. Terence Tula ist in dieser Hinsicht ein absoluter Freak, dem immer wieder die interessantesten Soundcollagen einfallen.“
Seit unserem letzten Gespräch zur „Fright Night“-EP haben THE SPOOK eine Menge Gigs absolviert, darunter eine erfolgreiche Tour mit den DICKIES, einige Clubshows und zuletzt das „With Full Force“-Festival in Leipzig, bei dem sie als erste Band des Festival-Sonntags um 13 Uhr die Bühne enterten. Keine leichte Aufgabe, zumal in der Nacht zuvor SMOKE BLOW dem Publikum bis sage und schreibe 4 Uhr in den Hintern getreten hatten und die meisten Besucher noch dementsprechend müde waren. Doch auch diese Aufgabe meisterten die Grabschänder problemlos und hinterließen eine halbe Stunde nach Beginn des Auftritts ein gar nicht mehr verschlafenes und begeistertes Publikum. Wenig verwunderlich, dass sich der vorzügliche Bandruf mittlerweile allerorts herumgesprochen hat.
Einige Spatzen trugen die Nachricht anscheinend sogar nach Großbritannien, denn einer der prominenten SPOOK-Anhänger hört auf den Namen Dani Filth und kreischt sich bei der ersten Black-Metal-Major-Band CRADLE OF FILTH die Seele aus dem Leib. Wer weiß, vielleicht wird ein gewagtes Package dieser beiden Bands ja irgendwann in UK auf Tour zu sehen sein. Profitieren würden davon alle Beteiligten, vor allem aber CRADLE-OF-FILTH-Fans, die dann endlich mal mit gescheiter Musik konfrontiert werden würden. All das steht noch in den Sternen, wohingegen eine für Herbst geplante People Like You-Tour, auf der neben THE SPOOK auch MAD SIN und THE BONES spielen sollen, wesentlich konkretere Züge annimmt.
Der lange Weg, welcher THE SPOOK von Gravelands auf deutsche Bühnen führte, wird also auch in den kommenden Monaten mit vollem Einsatz ausgeweitet und hoffentlich mit einem starken Vertrieb im Rücken den Bandnamen auch in anderen Ländern etablieren. Zurzeit nehmen sie zwei Songs („Skulls“, „Where Eagles Dare“) für eine MISFITS-Tribute-Compilation auf, die in unbestimmter Zeit auch hierzulande erscheinen soll. Ermüdungserscheinungen gibt es noch lange keine.
Im Gegenteil, wie Lester humorvoll, aber mit ehrgeizigem Unterton festhält: „Ich finde es persönlich sehr wichtig, dass ein gewisser Charakter hinter einer Band steht, denn wir planen unseren Erfolg ja bereits für die nächsten 30 Jahre, hehe. Im Ernst: Bands mit Charakter sind momentan leider Mangelware, und wenn man auf Teufel komm raus an die Macht kommen will, kann dabei nur eine Eintagsfliege rauskommen.“
PUDDLE OF MUD und allseits bekannte „Bands“ lassen grüßen. Lou bringt diese Thematik abschließend auf den Punkt: „Ich glaube, es ist wichtig, dass du dich mit einer Band von unten nach oben hocharbeitest und wirklich jede Etappe durchlebst. Wenn du von einem auf den anderen Tag von null auf Platz 1 gelangst, weißt du den Erfolg gar nicht zu schätzen, da du so gut wie nichts dafür getan hast.“
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