El Paso, the Middle East and more
Es wirkte so, als wollten SPARTA den Release ihres neuen Albums "Threes" vor Europa geheim halten. In aller Stille trennte man sich in den USA von Universal und brachte "Threes" dort auf Hollywood Records/EMI heraus. Eine Europaveröffentlichung war jedoch nicht in Sicht, Informationen über den Verbleib der Band auf einem für Europa zuständigen Label waren ebenso kaum zu bekommen. Und das war schade! Denn "Threes" ist ein abwechslungsreiches Indierock/Pop-Album, auf dem die Band zwar offensichtlicher denn je mit frühen U2-Einflüssen flirtet, auf dem sie aber ebenso tolle Rocksongs spielt wie die erste Single "Taking Back Control".
Nach den ersten beiden Alben, "Wiretap Scars" und "Porcelain", ist "Threes" ein Album, auf dem sich die Band ganz und gar von allem emanzipiert, was irgendetwas mit Emo zu tun hat. Entsprechend erfreulich war es, als Anfang diesen Jahres die Nachricht durchsickerte, dass Jim Ward (Gesang, Gitarre), Matt Miller (Bass), Keeley Davis (Gitarre) und Tony Hajjar (Drums) einen Europa-Deal mit Anti/Epitaph unterzeichnet hatten und "Threes" im Frühjahr auch hier erscheinen würde. Der aus dem Libanon stammende Tony Hajjar gab im Vorfeld des Give It A Name-Festivals Auskunft über die Labelpolitik der Band, seine Beziehung zur zweiten Post-AT THE DRIVE-IN-Band MARS VOLTA und einen denkwürdigen Film, der "Threes" in Form einer Bonus-DVD beiliegt.
Tony, die Bonus-DVD von "Threes" enthält "Eme Nakia". Ein Film, der dokumentiert, wie du in den 70ern mit deinen Eltern während des Krieges zwischen Syrien und dem Libanon aus dem Libanon in die USA geflohen bist, wie du in den USA aufgewachsen bist und den Tod deiner Mutter miterlebt hast. "Eme Nakia" zeigt in animierten und realen Sequenzen Szenen des Krieges, zum Beispiel einen Bombeneinschlag in das Haus eines Freundes. Wie gut erinnerst du dich an diese Ereignisse?
Ehrlich gesagt, erinnere ich mich nur sehr begrenzt an meine Zeit im Libanon - ich war damals ja gerade fünf Jahre alt. Am besten kann ich mich an die letzten Tage dort erinnern. Denn es waren Tage, in denen wir allen "Auf Wiedersehen" sagten. Mitten im Krieg fanden kleine Abschiedspartys statt und man versuchte, trotz des Krieges Spaß zu haben. Von damals gibt es ein Foto von mir, das mich mit meiner Familie auf einem Sofa zeigt. An diesen Moment erinnere ich mich sehr gut, was aber sicherlich daran liegt, dass ich dieses Foto habe. Weitere Erfahrungen aus dem Krieg habe ich im Wesentlichen aus Geschichten von meinem Bruder und meiner Schwester, die mir oft erzählten, wie sie aus der Schule kamen und auf dem Heimweg vor Panzern wegliefen. Oder an Bomben vorbei gingen, die nicht detoniert waren und im Boden oder Hauswänden steckten.
War es ein Anliegen von dir, diesen Krieg in "Eme Nakia" vor allem aus dieser persönlichen Perspektive darzustellen?
Oh ja. "Eme Nakia" soll zeigen, dass alle Kriege, die wir heute in den Nachrichten sehen, immer persönliche Tragödien bedeuten. Nur, dass wir die Nachrichten ausschalten und uns mit der Realität zum Beispiel im Irak nicht auseinandersetzen wollen, ändert gar nichts daran, dass dort zahlreiche menschliche Tragödien passieren. Dass Krieg auch immer das Leben vieler unschuldiger Menschen kostet, das ist eine zentrale Message des Films, für die ich diejenigen, die den Film sehen, hoffentlich sensibilisieren kann.
Wie hast du vor deinem Hintergrund den Krieg zwischen Israel und dem Libanon im Sommer 2006 erlebt?
Ich stehe auf keiner Seite der Konfliktparteien. Aber mein allergrößtes Problem mit diesem Konflikt ist, dass der Libanon durch ihn wieder völlig zugrunde gerichtet wurde. Gut anderthalb Jahre vor der Auseinandersetzung mit Israel hatte das Land ja seine Freiheit erhalten, weil die USA und Frankreich Druck auf Syrien ausgeübt hatten, seine Truppen aus dem Libanon abzuziehen. In dem Krieg, vor dem meine Familie und ich geflohen sind, hatte Syrien den Südlibanon ja in kürzester Zeit erobert und die Region so lange nicht verlassen, bis USA und Frankreich Druck auf Syrien ausübten. Jedenfalls entstand unter dem Einfluss Syriens und des Irans im Libanon die Hisbollah. Und sie kann heute weiter existieren, weil beide Länder immer noch einen sehr starken Einfluss auf den Libanon haben, den kaum jemand in all seinen Details versteht. Zwar wird zuweilen eingewandt, dass der Libanon die Hisbollah ja duldet, das ist aber völlig falsch. Denn sie ist eine starke Institution geworden, die auf dem Einfluss Syriens und des Irans fußt. Sprich, gerade weil der Einfluss beider Länder auf den Libanon so stark ist, kannst du die Hisbollah nicht mal eben aus dem Land heraus befördern. Als die Hisbollah in 2006 nun die Entführungen machte, die der Grund für Israels Angriffe auf den Libanon waren, wurde der Konflikt öffentlich als ein Krieg zwischen Israel und dem Libanon dargestellt. Das traf nicht zu. Denn es war ein Krieg zwischen Israel und der Hisbollah. Die verheerenden Angriffe Israels auf den Libanon, die dieses Land einmal mehr zerstörten, hat wiederum dazu geführt, dass immer mehr Libanesen die Hisbollah unterstützen, weil ihr Leben von den israelischen Streitkräften zerstört wurde. Die Tatsache, dass die Libanesen ein an sich friedliebendes Volk sind, dessen Land erneut zu Grund gerichtet wurde, ist mein Haupteindruck von dem Krieg. Das macht mich betroffen.
Siehst du eine Perspektive für Frieden im Nahen Osten?
Nein, denn der Konflikt insgesamt, der Israel-Palästina-Konflikt einbezogen, ist zutiefst religiös geprägt. Keine Seite wird jemals klein beigeben.
Lass uns über "Threes" sprechen. Vorsichtig gesagt, gab es mit dem Album ein gewisses Label-Zickzack. Wie kam es zu alledem?
Es ist in der Tat eine komplexe Situation - und sie ist es nach wie vor. Also, in Mexiko und Kanada sind wir nach wie vor auf Universal, was wir auch so wollten. In den USA wollten wir allerdings nicht mehr länger auf Universal sein, denn in den USA hat Universal die Arbeit für "Porcelain" vollkommen vergeigt. Sie haben nicht vernünftig für das Album gearbeitet und uns darüber hinaus die ganze Zeit belogen. Als wir dann konzernintern von Dreamworks zu Geffen verschoben wurden, haben wir die vertragliche Option, ein drittes Album in den USA bei Universal zu machen, nicht genutzt. Ehrlich: finanziell war der Deal, den sie uns anboten, wirklich attraktiv. Aber wir wären nach unseren Erfahrungen mit "Porcelain" in den USA lieber auf gar keinem Label gewesen, als noch mal auf Universal. Entsprechend suchten wir dann nach einem Label, das in den USA mit uns arbeiten, uns für Europa aber freigeben würde. Hollywood Records ließ sich darauf ein und bisher sind wir wirklich glücklich mit ihnen. In Europa wollten wir in jedem Fall ganz weg von Majorlabels. Das lag daran, dass wir fürchteten, in Europa würde ein Major noch schlechter für uns arbeiten, als Universal in den USA. Entsprechend haben wir nach einem Indie gesucht, der die Kapazitäten und die Leidenschaft hat, SPARTA zu bearbeiten. Dass es seine Zeit gedauert hat, ein solches Label zu finden, ist der Grund, warum "Threes" hier erst so spät erschien. EMI hätte das Album hier zwar herausgebracht. Das wollten wir aus genannten Gründen aber nicht. Entsprechend ist es unsere Verantwortung, dass ihr mehrere Monate auf das Album warten musstet.
"Threes" ist ein sehr vielseitiges und euer bisher vielleicht poppigstes Album geworden. Während ihr immer zugänglicher werdet, werden MARS VOLTA als zweite aus AT THE DRIVE-IN hervorgegangene Band von Album zu Album komplexer. Wie nimmst du diese auseinanderdriftende Entwicklung beider Bands wahr?
Hm, meine ganz persönliche Meinung - und ich weiß, dass ich damit recht alleine dastehe - ist, dass "Wiretap Scars" unser poppigstes Album ist. "Threes" ist in meinen Augen unser dunkelstes Album. Aber wie dem auch sei, bei SPARTA ging es uns immer darum, von Album zu Album besser zu werden. Songs zu schreiben, die sich von dem bisher Geschriebenen abheben und uns selber zeigen, dass wir uns musikalisch entwickelt haben. Ganz gleich, ob wir nun von einem Album zum nächsten poppiger oder härter werden. Dies treibt uns völlig unabhängig davon an, was MARS VOLTA machen. Ich verfolge ihr Schaffen auch ehrlich gesagt gar nicht so genau, wobei ich es auch gar nicht bewerten will. Ich bin nur darüber glücklich, dass wir als SPARTA Musik machen können und dass wir einige harte Zeiten überstanden haben.
Was genau meinst du mit harten Zeiten?
In der jüngsten Vergangenheit waren es die Labelprobleme, die wir mit Universal in den USA hatten, die Tatsache, dass unser Gitarrist Paul 2005 ausstieg, SPARTA zwischenzeitlich auf ein Trio zusammen schrumpfte und Jim überdies noch eine Auszeit von der Band nahm, ließ unsere Zukunft zwischenzeitlich sehr ungewiss erscheinen. Ich will jetzt nicht Mitleid erwecken, aber SPARTA war darüber hinaus doch auch immer die Band, die von der Presse und der Öffentlichkeit im Gegensatz zu MARS VOLTA eher belächelt wurde. Am Ende von AT THE DRIVE-IN waren wir die Rhythmussektion der Band, die Trottel im Hintergrund, die sich dann in einer neuen Band zusammengetan haben. Dabei war es gar nicht die Intention, dass gerade Jim, Paul und ich uns damals zu einer neuen Band reformierten. AT THE DRIVE-IN war damals aufgelöst, ohne Aussicht auf Neugründung. Und wir waren eben Freunde, die weiter zusammen Musik machen wollten. Es sollte und soll vollkommen losgelöst von AT THE DRIVE-IN sein und entsprechend nicht an dieser Band gemessen werden. Daher mache ich mir auch recht wenig Gedanken um Erfolg oder Ähnliches. Ich bin schlicht und einfach dankbar, dass wir es bis hierher geschafft haben und Musik spielen können.
Siehst du denn noch viel von AT THE DRIVE-IN in SPARTA?
Nur ein wenig. Eine gewisse Art, die AT THE DRIVE-IN inne wohnte, wird ewig in SPARTA und MARS VOLTA bleiben. Das muss denke ich auch so sein, weil AT THE DRIVE-IN für die Mitglieder beider Bands ein relevanter Lebensabschnitt war. Dennoch denke ich, dass dieser ATD-I-Touch, wenn du so willst, bei SPARTA immer geringer wird.
Lauri Wessel
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