SNAPCASE

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NewSchool-Direktor

Das Newschool-Urgestein SNAPCASE veröffentlicht sein viertes Album. „End Transmission„, so der Titel, bricht mit zuvor eingeschlagenen Pfaden, denn zu hören gibt es diesmal sogar düstere Pianoklänge, was man vor ein paar Jahren so nicht unbedingt mit dieser Band in Verbindung gebracht hätte. Ich treffe Frontmann Daryl Taberski auf Promoreise im Biergarten des Kölner Underground. Der Mann sieht müde und erschöpft aus, entpuppt sich aber als nettes, gesprächiges Gegenüber.

SNAPCASE gelten als eine der wichtigsten Bands im Bereich des Newschool-Hardcore, wenn nicht sogar als Gründer des Genres. Würdest du dem zustimmen?


Puh, das ist schwierig zu sagen. Als Leute mich das erste Mal mit diesem Begriff konfrontierten, konnte ich damit nichts anfangen. Wir fingen als Hardcore-Band an, die YOUTH OF TODAY und MINOR THREAT mochte, aber trotzdem nicht wie eine Kopie selbiger klingen wollte. Wir mochten auch HELMET und PRONG, die BAD BRAINS. Das waren also wichtige Einflüsse und wir wollten daraus etwas Einzigartiges schaffen. Und mit jedem neuen Album bemühen wir uns, diesen Weg der Eigenständigkeit zu verfolgen.

Der Promotext eures Labels Victory Records beschreibt euch als unglaublich einflussreich und wegweisend. Seht ihr euch selber als derart wichtige Band?

Das ist schwer zu sagen. SNAPCASE haben ebenfalls ihre Einflüsse. FUGAZI und QUICKSAND gehören auch noch dazu. Auch SICK OF IT ALL und später dann FAR. Wenn jemand uns als derart wichtige Band beschreibt, dann ist das natürlich ein großes Kompliment für uns. Wir sind einfach eine Band, die Platten aufnehmen will, die man sich auch in ein paar Jahren noch anhören kann. Es ist nicht unser Ding, irgendwann ganz groß rauszukommen, ein paar Hits zu landen und dann von der Bildfläche zu verschwinden. Schön wäre es, wenn beispielsweise ein Kind in zehn Jahren eine Platte im Laden kaufen will und der Verkäufer rät ihm zu einer unserer bis dahin alten Scheiben. Erst dann würde man auch merken, ob man wirklich so einflussreich und wichtig ist. Es wäre schön, wenn unser Werk auch in der Zukunft respektiert werden würde.

Ihr habt mal eine Split-EP mit BOYSETSFIRE aufgenommen und werdet demnächst mit ihnen in den Staaten touren. Kann man da von einer Freundschaft sprechen?

Ja, definitiv. Doch dass wir gemeinsam auf Tour gehen, liegt aber eher an der Tatsache, dass beide Bands neue Alben am Start haben.

Ihr seid auch auf dem gleichen Label gewesen...

Ja, aber BOYSETSFIRE sind nun auf einem Major. Auf dem gleichen Label wie CREED und DROWNING POOL, Wind Up Records heißt es.

Ihr habt bei der neuen Platte zum ersten Mal mit Brain McTernan zusammengearbeitet.

Ja, und er hat auch die Split-EP mit BOYSETSFIRE betreut und den Beitrag zum BAD BRAINS-Tribute. Brian ist unglaublich und hat ständig jemanden im Studio. Er arbeitete auch mit HOT WATER MUSIC, CAVE IN, THRICE, ENGINE DOWN und nimmt mit diesen Bands ständig fantastische Platten auf. Wir hatten sechs Wochen Zeit für unsere Aufnahmen, aber nach Ablauf der Zeit waren wir immer noch nicht fertig. Doch wir mussten raus, weil RECOVER sofort folgten. Mit ihnen arbeitete er eine Woche und wir kamen zurück, um noch mal zwei Wochen mit ihm zu arbeiten. Als wir raus waren, kamen am nächsten Tag sofort HOT WATER MUSIC vorbei, um ihre neue Scheibe einzuspielen. Da wir immer noch nicht fertig waren, mixten wir unsere Scheibe mir Michael Barbiero in New York City. Es war ziemlich witzig, dass wir uns gerade von ihm mixen ließen, er hat nämlich auch ‚Appetite For Destruction’ für GUNS N’ ROSES gemixt. Er ist schon etwas älter, aber sehr cool und nett.

Ich habe selten eine Band gesehen, die derart viel auf der Bühne springt und rennt. Würdet ihr sagen, dass ihr vor allem eine Live-Band seid?


Ja, zweifellos. Ich denke, live zu spielen ist das Wichtigste für uns. Ich denke, dass Live-Shows ein wichtiges Element der Hardcore-Szene sind. Die Energie und das Chaos sind essentielle Bestandteile. Gleichzeitig entsteht ein Gefühl von Zusammengehörigkeit und die angenehme Nähe zum Publikum.

Ihr seid auf zwei Tribute-Samplern vertreten, habt von den MISFITS „She„ und von den BAD BRAINS „I„ gecovert. Warum ausgerechnet diese beiden Songs?

Weil sie so kurze Titel haben! Also bei den MISFITS war es so, dass die Songs, die wir gerne gecovert hätten, schon von anderen Bands belegt waren. Wir haben uns dann für ‚She’ entschieden, weil wir wussten, wie wir den Song verändern könnten. Außerdem fanden wir es gut, dass es einer der ältesten MISFITS-Songs ist, von 1977, glaube ich. ‚I’ von den BAD BRAINS ist auf ‚Rock For Light’ – und das ist eines meiner liebsten Alben der Band. Auch hier hatten wir ungefähre Vorstellungen, wie wir den Song verändern können, so dass er sich nach einem unserer Songs anhört. Allerdings muss ich zugeben, dass ich den Song wohl nicht mehr gehört habe, seit er veröffentlicht wurde.

Ihr hattet für die Artworks zu „Progression Through Unlearning„ und „Designs For Automotion„ den gleichen Maler engagiert. Der Typ ist aber nicht derjenige, der auch für HOT WATER MUSIC malt, oder?

Das stimmt. Lustigerweise sind die beiden aber beste Freunde, schon seit Schulzeiten. Unser Maler heißt Limbert Fabian und kommt aus Florida. Wir trafen auch beide gleichzeitig, entschieden uns dann aber für Limbert, weil wir seine Werke zuerst zu Gesicht bekamen.

Doch auf eurem neuen Album habt ihr nicht mit ihm zusammengearbeitet.

Wir wollten diesmal eine andere Gestaltung, ausnahmsweise mal keine Gemälde. Wir wollten mit Fotografien und Grafikdesign arbeiten. Eine Dame namens Jessica Cocoonys hat die Fotos gemacht. Die Fotos im Schnee sind Anfang Januar in unserer Heimatstadt entstanden. Ihr Bruder spielte übrigens eine ganze Zeit lang bei SNAPCASE und ist jetzt bei den HOT SNAKES, wo auch Leute von DRIVE LIKE JEHU und ROCKET FROM THE CRYPT mitmachen. Und ein Freund namens Quinn, der aus Buffalo kommt und jetzt in New York lebt, hat sich um die grafische Seite gekümmert.

Ich denke, dass eine Menge Leute „Progression Through Unlearning„ für euer bestes Album halten. Was, denkst du, werden sie von dem neuen Werk halten?


Das kommt darauf an, wie open-minded sie sind. Mag sein, dass wir einige Fans mit dem Album verlieren werden, doch genauso könnten wir neue hinzugewinnen. Ich denke, dass die harten Stücke auf dem Album die bisher härtesten sind, härter auf jeden all als es bei ‚Designs For Automotion’ der Fall war. Aber ‚End Transmission’ zeugt eindeutig von einer Weiterentwicklung. So haben SNAPCASE noch nie geklungen. Wir haben wirklich mit Sounds experimentiert, haben ganz neue Ideen ausprobiert. Das Album ist an manchen Stellen ungewöhnlich langsam und so atmosphärisch wie noch nie.

Habt ihr den Songs eine bestimmte Reihenfolge verpasst?

Die Songreihenfolge wurde hauptsächlich von Brian McTernan arrangiert. Wir hatten zwar unsere eigenen Vorstellungen, aber er wusste uns zu überzeugen, wie wir es besser machen könnten.

Worum geht es in den Texten?

Die einzelnen Texte greifen ineinander. Es gibt ein übergeordnetes Konzept über eine Gesellschaft in naher Zukunft. Es geht um Gefängniskultur und darum, dass die Weltenlenker immer mächtiger werden und, dass das Individuum in seinen Möglichkeiten immer eingeschränkter wird. Wir sind jedoch keine politische Band, sondern gehen Probleme innerhalb der Gesellschaft eher aus einer persönlichen Position heraus an. Unser Motto ist: Be true to yourself, be whoever you are, understand who you are – und dann erst solltest du dich politisch engagieren, weil das das geistige Fundament ist, auf dem man aufbauen muss.

Seid ihr eigentlich noch straight edge?

Ja, jeder in der Band ist straight edge, aber wir gehen damit nicht hausieren. Wir leben einfach so und denken darüber noch nicht einmal mehr nach.

Daryl, ich danke dir für das Interview.