SMALL STATE

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Realismus statt Illusionen

Die Saarländer SMALL STATE gibt es fast ein Vierteljahrhundert. Dass der Sound des Quartetts entsprechend von Bands aus ihrer Anfangszeit geprägt ist, versteht sich von selbst. Wir reden mit Bassist Carsten über die Band, ihre Einflüsse, und warum sie auf ihre alten Tage noch mal politisch geworden sind.

The Poorly Trained Professionals“ ist jetzt schon zwei Monate raus, es ist das zweite Album seit der Reunion. Ihr seid jetzt alle Ü40, und die Band ist ja mehr ein Hobby als eine Karriere. Was denn da so eure Ambitionen mit SMALL STATE?

Also ich glaube, der Ehrgeiz ist auf jeden Fall da, ja. Wir möchten natürlich schon, dass das so gut wie möglich funktioniert. Aber wir sind doch deutlich druckbefreiter und deutlich realistischer vor allem. Damals, mit den ersten Bands oder so, hast du gedacht, du veränderst die Musiklandschaft, indem du irgendwelche drei Töne aufs Band rotzt. Heute sind wir da deutlich realistischer. Es macht riesigen Spaß. Das ist im Endeffekt die Hauptsache. Wir waren jetzt auch auf einer kurzen Tour mit HOLLY WOULD SURRENDER und HEATHCLIFF. Und da merkst du auch im Zusammensein den Bands, wir sind alle Ü40, wir machen es alle als Hobby. Und die Ambitionen sind halt nicht mehr so die ganz großen. Natürlich versuchen wir immer mal auf eine Tour mit aufzuspringen oder eine coole Support-Show abzugreifen. Wir freuen uns natürlich auch riesig, wenn es ein gutes Review gibt zur Platte, wenn die Leute vielleicht auch irgendwie honorieren, was wir so getrieben haben in den letzten zwei Jahren. Aber es ist jetzt auch nicht mehr so, dass eine Welt zusammenbricht, wenn ein schlechtes Review reinkäme oder wenn es mal nicht klappt, sich auf einer Tour einzuklinken. Der große Druck, den wir uns vor allem selbst gemacht haben, ist weg. Das ist so. Mit einem gesetzteren Alter verschieben sich die Prioritäten auch allgemein. Du hast wahrscheinlich nicht mehr den großen Traum vom Rockstar, der weltweit tourt, sondern du siehst alles vielleicht auch ein bisschen realistischer.

Ohne das jetzt schlecht zu reden oder so, aber euer Sound ist jetzt auch nicht der hippe neue Scheiß. Es gibt zwar irgendwie diese neue Pop-Punk-Geschichte mit Bands wie NECK DEEP und so, die aber auch anders klingen.
Absolut, da hörst du ja wirklich einen Unterschied.

Da, wo ihr euch bewegt, schwingt ja schon eine gewisse Nostalgie mit. Das sind ja diese Bands der späten 1990er, frühen 2000er, deren Sound ihr da fahrt. Als ich die Platte eben noch mal kurz vorher gehört habe, dachte ich zwischendurch kurz, da hätten sich FACE TO FACE in die Playlist geschlichen.
Genau. Also ich meine, SMALL STATE werden ja auch nächstes Jahr 25 Jahre alt. Zwar hatte ich da jahrzehntelang keinen Anteil dran, aber wir sind schon ein Nostalgie-Act, wenn man es so sagen will. Wir wissen, wo unsere Wurzeln sind. Wir machen Musik, die zuallererst mal uns Spaß macht. Und wir wollen das auch gar nicht kaschieren oder verschleiern. Natürlich gibt es neue Facetten, die immer mal wieder dazukommen. Das kommt aber auch, glaube ich, einfach über die Hörgewohnheiten. Ich würde aber auch sagen, dass sich mit über vierzig die Hörgewohnheiten vielleicht nicht mehr im ganz großen Stil verändern. Also du hast ja schon so deine Favorites, die du auch nach weit über zwanzig Jahren noch magst. Ich würde jetzt auch zum When We Were Young Fest nach Las Vegas fliegen wollen, weil ich weiß, da gefällt mir jede Band, ob die noch gut spielen oder nicht. Aber es gibt für uns fast kein größeres Lob, als dass jemand sagt, das klingt wie FACE TO FACE. Die sind einer unserer größten und wichtigsten Einflüsse. Wie natürlich viele andere Bands aus der Zeit, NO USE FOR A NAME zum Beispiel. Wenn wir einen Song schreiben, passiert das einfach. Das ist eine natürliche Geschichte. Klar haben wir am Ende vielleicht zwanzig Songs zusammen, wo wir sagen, gut, Track sieben und Track neun, die klingen zu ähnlich. Dann wird einer davon gekickt, aber mehr ist es nicht.

Was dem 1990er-Skatepunk-Genre immer ein wenig anhaftete, war das Unpolitische. Klar, gab es Bands wie PROPAGANDHI und Aktionen wie „Punkvoter“ und „Rock against Bush“. Doch die meisten Bands haben sich vordergründig nicht wirklich damit beschäftigt. Ihr seid aber jetzt ein wenig politischer geworden, richtig?
Auf jeden Fall hätten wir uns das vorher gar nicht angemaßt, weil wir immer gesagt haben, okay, lasst uns die politischen Themen lieber aus der Musik raushalten. Wir haben vielleicht auch heute noch nicht genug Ahnung, aber wir haben zumindest einen Fühler, was richtig ist und was falsch. Ich glaube, diese Strategie, lieber den Mund zu halten, macht keinen Sinn. Je mehr Leute das Maul aufmachen und Dinge anprangern und versuchen, anderen Menschen zu vermitteln, wie es im Moment läuft, das ist auf jeden Fall falsch. Das ist tatsächlich neu. Das hat uns aber auch ein bisschen Überwindung gekostet.

Was war der Auslöser dafür?
Ich würde sagen, es gab gar keinen konkreten Anlass, aber da sind diese erschreckenden Ergebnisse, die die AfD hier einfährt, oder dass die USA tatsächlich kurz davor stehen, Trump wiederzuwählen. Das sind so zwei Punkte. Du sitzt da und fragst dich, wie viel blöder kann die Menschheit noch werden? Und dann kannst du irgendwann vielleicht auch nicht mehr ruhig sein. Ich gebe dir recht, in diesem Genre gab es zu einer gewissen Zeit wenige Bands, die ganz offensichtlich Dinge angeprangert haben. Wenn wir jetzt den Kreis ein bisschen erweitern, sind zuallererst mal PROPAGANDHI und NOFX nennen, die ja auch mit dazugehören, vielleicht auch noch RISE AGAINST. Da ist die Hoffnung, dass du trotzdem noch zwei, drei Leute erreichst, die sagen, das hat mich jetzt irgendwie zum Nachdenken gebracht. Wir würden uns aber niemals anmaßen zu glauben, dass wir einen AfD-Wähler wieder auf die gute Seite ziehen könnten, nur mit einem Song von uns. Niemals. Aber ein kurzer Moment des Nachdenkens hilft vielleicht manchmal auch. Es geht ja auch weniger darum, irgendwelche Leute überzeugen zu wollen, denn wenn du die nicht mal mit Argumenten bekommst, dann schaffst du es auch nicht mit einem Song. Sondern es ist vielleicht erst mal wichtig, sich selbst zu positionieren, und dass gewisse Sachen einfach nicht unwidersprochen bleiben. Ich mache mir aber keine großen Illusionen.