SMALL STATE

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Der gestreckte Mittelfinger

Die Band aus dem Saarland ist auf eine ganz bestimmte Weise ein Phänomen: Mit „Low Expectations“ veröffentlichen sie nach mehr als zehn Jahren endlich wieder neue Musik und wagen dazu den Schritt, mit der Zeit zu gehen. Musikalisch sind sie sich zwar treu geblieben und können mit ihrer Mischung aus NO USE FOR A NAME und ANGELS & AIRWAVES begeistern. Untermauert von einer sympathischen DIY-Mentalität wagen sie es jedoch, Social Media für sich zu nutzen, auch wenn es auf den ersten Blick erst mal gewöhnungsbedürftig wirken mag. Im Interview erzählen Max und Carsten davon, was ihre Band auch nach so langer Zeit antreibt.

An wen richten sich die Mittelfinger auf dem Cover von „Low Expectations“?

Carsten: Das ging irgendwann mal los als bandinterner Gag. Wir kommen nach knapp zehn Jahren mit einer neuen Platte zurück, an die niemand wirklich irgendwelche Erwartungen hat. Das Artwork stand schon relativ früh fest und es hat sich gezeigt, dass es mittlerweile genug Adressaten für die Mittelfinger gibt. Sei es die Corona-Pandemie und die Tatsache, dass Kunst nicht mehr in dem Maße stattfinden kann, wie sie es eigentlich sollte. Oder solche Menschen wie Putin, denen man im Moment gar nicht genug Mittelfinger entgegenstrecken kann.

Wie wichtig war die Band für euch in den letzten Jahren? Schließlich liegt ja ein großer Zeitraum zwischen der aktuellen Platte und der letzten Veröffentlichung.
Max: Also ich sage mal so, SMALL STATE war nie eine Band aus Musikern, sondern aus Freunden. 2010 haben wir uns zwar eine Pause gegönnt, die wir aber 2019, also knapp vor der Pandemie, beendet haben. Wir hatten sogar ein paar gute Shows als Support von FACE TO FACE und ME FIRST AND THE GIMME GIMMIES gebucht. Carsten war frisch mit dabei und wir wollten einfach neue Sachen schreiben. Dass das definitiv neu klingen würde, lag vor allem daran, dass Carsten eine Textmaschine ist, die ununterbrochen starke Sachen hervorbringt. Auch musikalisch hat sich das super ergänzt.
Carsten: Für mich was das eigentlich eine absurde Situation, da sich meine Ex-Band gerade aufgelöst hatte und ich irgendwie ausgebrannt war. Da uns aber eine lange Freundschaft verbindet, hat es sich mit SMALL STATE direkt gut angefühlt.

Habt ihr euch im Zuge der Veröffentlichung der Platte auch darüber Gedanken gemacht, wie ihr die Leute nach eurer langen Pause abseits der Musik abholen könnt?
Max: Wir sind sehr aktiv bei Instagram und Facebook, was erst mal ein richtiger Kraftakt für uns war. Mirko von Uncle M hat uns da ein wenig unter die Arme gegriffen, und wir tun unser Möglichstes, viele Posts rauszuhauen. Vor allem Carsten ist da besonders hinterher und hält mich immer an, doch mal wieder etwas zu posten.
Carsten: Im Grunde zeigt sich hier auch unser DIY-Spirit: Wir sind für alle Dinge, die um SMALL STATE herum passieren, selbst verantwortlich. Wir buchen unsere Shows selbst, kümmern uns um das Design und dann eben auch zum Teil um die Promo. Dass das stellenweise nicht so einfach ist, vor allem für eine Band, die nicht gerade aus Teenagern besteht, ist für uns aber kein Grund, es nicht zu versuchen. Wir haben in den letzten Monaten viel gelernt und vor allem macht es uns Spaß, SMALL STATE unter die Leute zu bringen.

Steht der Spaß auch generell im Vordergrund?
Max: Ja, Spaß steht für uns als Band ganz oben.
Carsten: Klar sind wir auch in Netzwerken wie „Kein Bock auf Nazis“ und so weiter aktiv und vertreten auch ganz bestimmte Positionen. Musik ist für uns etwas sehr Persönliches und eine Grundlage dafür, gemeinsam eine gute Zeit zu haben. Das verkörpern wir als Band. Hoffentlich kann man das auf „Low Expectations“ auch hören.
Max: Es geht auch ein bisschen darum, dass wir uns selbst nicht allzu ernst nehmen. Unsere Umgebung jedoch nehmen wir total ernst. Wenn wir das Gefühl haben, wir müssen irgendwo eingreifen, dann machen wir auch die Klappe auf, weil es notwendig ist, dass viele Menschen laut werden.
Carsten: Wir sehen das auch in den Reaktionen der Hörerinnen und Hörer. Da gibt es Leute, die der Band schon sehr lange folgen, aber auch immer wieder neue Leute, die sich für die Band interessieren.
Max: Ja, wir sind anscheinend doch keine Altherren-Punkband.

Worum geht es auf „Low Expectations“?
Carsten: Es ist eine Platte geworden, die sehr viel Emotionalität mitbringt. Es geht aber auch um Verletzlichkeit oder Zerbrechlichkeit. Mentale Gesundheit spielt eine große Rolle. Da kommt auch das Gefühl innerhalb der Band wieder ins Spiel. Wir wollen uns zwar nicht großartig auf irgendetwas festlegen. Es kommt am Ende aber immer wieder auf Beziehungen und unseren Umgang miteinander zurück.
Max: Es ist nicht immer sinnvoll, zu jeder Sache seinen Senf beizutragen. Manchmal ist es auch hilfreich, erst mal zuzuhören, seine eigenen Schlüsse zu ziehen und dann irgendetwas einzubringen. Wie andere Menschen dann damit umgehen, kann man ja sowieso schlecht beeinflussen.
Carsten: Am Ende geht es auf der Platte auch um die Liebe zur Musik. Dieses Gefühl kann eine starke Verbindung erzeugen.
Max: Andererseits haben wir aber auch keinen Druck verspürt, unbedingt eine Platte aufnehmen zu müssen, die anderen gefällt. Das spiegelt sich ja auch im Titel wider. Drei von vier Mitgliedern der Band haben Kinder. Wir stehen mitten im Leben und wissen SMALL STATE als das zu schätzen, was es für uns ist.

Und das wäre?
Max: Wir sind eine laute Band von Freunden, die Musik machen, weil sie es wollen und nicht, weil irgendjemand es von uns erwartet.