Punkrock aus Schweden ist recht bekannt und viele Leute aus der ganzen Welt mögen und verehren die vielen verschiedenen Bands und Spielarten. Generell hat Musik einen hohen Stellenwert in der schwedischen Gesellschaft, wo eine Vielzahl an Programmen in den Schulen angeboten, wo Proberäume und Auftritte gefördert werden. Es ist kein Wunder, dass es viele erfolgreiche Pop- und Rockbands aus Schweden gibt.
Diejenigen unter euch, die mit der Materie des Sammelns von Punkrock-Platten-vertraut sind, wissen, dass es in Schweden Ende der Siebziger Jahre unsagbar viele Punkbands gab. Die meisten davon waren zu diesem Zeitpunkt allerdings außerhalb der Landesgrenzen kaum bekannt. Es war mehr die zweite Welle der schwedischen Punkbands, die mit ihrem sehr brutalen Hardcore-Punk weltweite Aufmerksamkeit auf sich zogen. Um 1982/83 erschufen diese schwedischen Bands einen neuen Stil, den sie selbst als „Kängpunk“ bezeichneten, der in unseren Breitengraden eher als „D-Beat“ bekannt ist. Gruppen wie ANTI CIMEX, AVSKUM, CRUDE SS, BEDRÖVLERZ, RÖVSVETT, ASOCIAL, HEADCLEANERS, HUVUDTVÄTT, TST, THE BRISTLES und DISARM waren diejenigen, welche die Lunte an der D-Beat-Bombe anzündeten. Der darauf entstandene Flächenbrand brachte uns in der Folgezeit weitere herausragende Bands, die teilweise noch schneller und aggressiver spielten, wie MOB 47, PROTES BENGT, TOTALITÄR, FILTHY CHRISTIANS, FIRST DEGREE MURDER und andere mehr. Auf der anderen Seite gab es allerdings auch immer schwedische Bands, die einen wunderbar coolen, hypermelodischen Punkrock spielten, welcher unter der Bezeichnung „Trallpunk“ firmiert, beispielsweise ASTA KASK, EBBA GRÖN, KSMB und SÖTLIMPA. Seit dem Ende der Achtziger Jahre tauchen überall in Schweden immer wieder gute neue Bands auf, die einen weiten Rahmen von coolen Punkrock-Stilen abdecken, die unsere niedrigen Bedürfnisse bedienen und den Launen unserer simplen Gemüter schmeicheln. Für dieses Special haben wir aber ausschließlich Bands der härteren Gangart interviewt.
Texte
Der Slogan „Punk ist mehr als nur Musik“ begleitet die Szene beständig seit den Achtziger Jahren. Es ging nicht nur darum, ausschließlich Spaß zu haben und Bambule zu machen, denn ansonsten hätten die Interessierten auch Metaller, New Waver oder Psychobillys werden können. Der sowohl politische als auch sozial- und gesellschaftskritische Aspekt in der Themenauswahl für die Texte der Hardcore-Punk-Bands war und ist bis heute ausgesprochen wichtig. Aber um welche Themen ging es den schwedischen Bands damals speziell in den Texten?
Jugga, MOB 47: Also, das war der schwierigste Part. Wir sind der Meinung, dass alle „Parteipolitik“ scheiße ist, so wie es TOTALITÄR bereits besungen haben. Wir wollten den Leuten, die in den Regierungen an der Macht sind, mitteilen, dass sie Mist sind und zur Hölle fahren können. Und das taten wir in einem Musikstil, den diese Leute sich wahrscheinlich nie anhören werden. Aber verdammt, das ist genau die Art, wie wir uns ausdrücken können.
Tomas Jonsson, ANTI CIMEX: Am Anfang ging es in vielen Texten darum, wie unfassbar und verrückt Kriege sind, weil wir uns damals mitten im Ost-West-Konflikt befanden. Später haben wir angefangen, über unsere eigene Situation zu singen. Man kann sagen, wir haben Songs über unsere Gefühle angesichts der täglichen Probleme geschrieben. Wir haben immer versucht, die Texte so zu formulieren, dass wir aus unserer eigenen Sicht Sachen beschreiben, in denen die Zuhörer sich aber selbst wiederfinden konnten, mit ihrem eigenen Leben. So dass sie das Gefühl bekamen, es wäre ihre eigene Geschichte.
Andreas, TOTALITÄR: Wir schrieben über aktuelle politische Geschehnisse, die uns interessierten und oftmals anwiderten. Wir waren Kinder des kalten Kriegs, die aber nicht in die Fußstapfen der meisten damaligen Anti-War-Bands treten wollten.
Gunnar, AVSKUM: In den frühen Achtziger Jahren haben wir viele Themen und Inhalte von den D-Beat- und Anarchopunk-Bands übernommen, wir haben also Texte über Kapitalismus und Krieg geschrieben, inspiriert von Bands wie DISCHARGE, VARUKERS, KAAOS und CRASS. Ich habe erst vor kurzem gemerkt, dass es auch möglich ist, über eigene Lebenserfahrungen zu schreiben, was die Texte wesentlich persönlicher als auch kraftvoller gestaltet. Ich bin jetzt über fünfzig Jahre alt ... so gesehen bin ich in dieser Hinsicht ein Spätzünder.
Svegis, THE BRISTLES: Wir hatten politische Texte über die abgefuckten alltäglichen Dinge als auch über die Zukunft geschrieben. Das waren definitiv keine bedeutungslosen „Bla Bla Bla“-Texte.
Per Thunell, PROTES BENGT, FILTHY CHRISTIANS: Wir hatten typische Punk-Texte, denke ich. Gegen Faschismus und Nazis, gegen Tierversuche, gegen den Krieg, gegen Apartheid. Wir traten für die Menschen und für Tierrechte ein!
Löken, RÖVSVETT: Wir hatten einige humorvolle Texte, aber auch viele sehr ernsthafte, in denen es um Religion, Armee, Krieg, Polizei, Punk, Arbeit, Freunde, Familie und Politik ging. Wir wollten Spaß haben und nicht immer alles total ernsthaft angehen, da wir der Meinung waren, das würde den Alltag und das Leben generell noch langweiliger machen. Es kommt immer darauf an, wie du dich im Moment fühlst und wie du bestimmte Themen aktuell betrachtest.
Fredda, BEDRÖVLERZ: Unsere Texte waren grundsätzlich anti-rassistisch, gegen den Krieg und gegen Tierversuche. Und gegen Nazis!
DO IT YOURSELF
Welche Relevanz hatte DIY für euch in den Achtziger Jahren?
Andreas, TOTALITÄR: Es war damals natürlich sehr wichtig. Wir hatten eine ganze Zeit lang ein Fanzine zusammen und wir wussten, dass nie irgendein Plattenlabel irgendetwas für unsere Band tun würde. Wir wollten Platten rausbringen, Konzerte organisieren und noch viele andere Sachen mehr, wobei wir wussten, dass wir das alles selber machen müssen. Und es hat Spaß gemacht!
Poffen, TOTALITÄR: Ich stimme dem zu, was Andreas gerade gesagt hat. Des Weiteren waren zu der Zeit die Verbindungen zu anderen internationalen DIY-Bands, Labels und Leuten sehr wichtig. Wir fühlten uns dadurch ein bisschen weniger isoliert, was wirklich berauschend war.
Gunnar, AVSKUM: Punk und DIY sind was für Narren, die denken, dass man nur so in einer Underground-Szene zusammenfindet, um zu versuchen, einen verfickten Unterschied darzustellen. Leider haben einige Anarchopunk-Organisationen die traurige Tendenz, dass aus ihnen eine Art Sekte geworden ist, wo jeder in die gleiche Einbahnstraßenrichtung denkt, spricht, sich anzieht oder agiert. Da ist kein Platz, wo du nur du selbst sein kannst. Solche Punk-Organisationen verhalten sich selbst wie religiöse Sekten, obwohl sie ursprünglich mit der Aussage angetreten waren, dass sie genau solche Gruppierungen hassen würden.
Fredrik „Fredda“ Brickman, BEDRÖVLERZ: Ich muss sagen, dass ich DIY schon immer sehr, sehr verehre und der Überzeugung bin, dass dies die Hauptsache bei Punkrock ist.
Tomas Jonsson, ANTI CIMEX: DIY bedeutet mir sehr viel! Ohne diesen Spirit hätte damals wohl kaum etwas funktioniert. Bis heute kannst du überall in Welt sehen, wie Leute aller Altersklassen diesem Weg folgen, die daran glauben, dass man alle möglichen Sachen machen kann, bei denen normale Leute niemals auf die Idee kommen würden, das zu tun.
Charlie Claesson, ANTI CIMEX: Punk ist DIY! Das ist ein großer, wichtiger Bestandteil des Punk, ohne den er nicht existieren würde.
Jugga, MOB 47: Um ehrlich zu sein, bedeutet DIY mir nicht allzu viel. Okay, wir haben uns um ein paar Sachen selbst kümmern müssen, anderenfalls hätten wir überhaupt keine Konzerte spielen können.
Per Thunell, PROTES BENGT, FILTHY CHRISTIANS: Zu diesem Zeitpunkt der Achtziger Jahre hatten die Medien und Plattenlabels kein Interesse, sich mit den Punk- und Hardcore-Bands auseinanderzusetzen. Der einzige Weg, etwas zu erreichen, war das Selbermachen. Wir haben die FILTHY CHRISTIANS/G-ANX-Split 7“ selbst herausgebracht. Und wir haben ein Fanzine und Compilation-Tapes gemacht. Zu schade, dass das Zine und Compilation-Tape nie veröffentlicht wurden. Ich denke Daniel hat immer noch das Master für das Tape ... Vielleicht bringen wir es ja jetzt noch heraus, in einer Auflage von fünfzig Stück oder so. DIY war und ist immer noch wichtig!
Löken, RÖVSVETT: Unsere erste Kassette haben wir 1984 selbst auf unserem Label RÖV-Tapes- in einer Auflage von 300 Stück herausgebracht. Danach kam 1985 unsere erste 7“ „Jesus Var En Tomte“ raus. ebenfalls auf RÖV Records in einer Auflage von 2.500 Stück. Später wurde diese 7“ als Reprint in Brasilien und Schweden noch einmal veröffentlicht. Unsere zweite 7“ erschien 1986, natürlich auch auf RÖV Records, wovon wir 2.200 Stück verkauften. So gesehen hatte DIY einen sehr großen Einfluss auf die schwedische Punkrock-Szene. Du musstest schon etwas selber machen, wenn du deine Musik veröffentlichen oder Konzerte spielen wolltest. Ob Poster, Aufkleber, Buttons, T-Shirts und so weiter, bis heute machen wir immer noch alles selber.
RECORD LABELS
Während der Achtziger Jahre gab es wenige Plattenlabels, die innerhalb der schwedischen oder internationalen Szene bekannt wurden. Oftmals brachten die Bands ihre Platten in Eigenregie heraus. Stellvertretend für die schwedischen Labels interviewte ich Peter Ahlqvist, der Anfang, Mitte der Achtziger Jahre die Band CRUDE SS begleitete und deren Platten herausbrachte. Später gründete er das Plattenlabel Burning Hearts, das weltweit bekannt wurde für seine Melodycore-Veröffentlichungen.
Peter Ahlqvist, Uproar & Burning Heart Records: Nun, alle anderen haben es getan, warum also nicht auch ich? Ich schätze, die Einstellung, von der du gesprochen hast, und die ganze Sache mit dem DIY waren ausschlaggebend. Und da es keine Labels gab, die an unseren Bands interessiert waren, mussten wir es damals selbst in die Hand nehmen. Ich habe die erste CRUDE SS-Single auf meinem Label herausgebracht. Das war die erste Vinyl-Veröffentlichung auf Uproar Records. Ebbe von CRUDE SS hat das Ganze finanziert, weil er einen gut bezahlten Job hatte. Ich habe sie dann veröffentlicht und tauschte und verkaufte sie. Ich habe ausreichend Vertriebswege für diese 7“ gefunden. Das eingenommene Geld floss in eine Nachpressung. Zuerst 1.500 und dann 500 weitere, glaube ich. Insgesamt etwa 2.000 oder 2.100 Stück. Dann beschloss ich, dass ich mehr machen wollte, und so folgten einige weitere lokale Bands, der „The Vikings Are Coming“-Sampler, RIF, HAPPY FARM, KAZJUROL ... Und auch einige Nachpressungen von MOB 47, PROTES BENGT und STREBERS. Dann wollte ich den nächsten Schritt machen und versuchte, den „Hardcore For The Masses“-Sampler zu machen. Der sollte eine Art Split-LP sein mit Coversongs von den zwei Bands, die mich damals am meisten beeinflusst hatten: DISCHARGE und MINOR THREAT. Ich habe ein paar Bands dazu gebracht, etwas aufzunehmen, aber dann ist das Projekt leider gestorben. Zu dieser Zeit hatte sich Uproar zu einem Versandhandel entwickelt und ich importierte Schallplatten aus den USA und Großbritannien und handelte immer noch viel. Ich glaube, 1988 traf ich die Entscheidung, das zu beenden, da es eine Frage war, ob ich mich darauf einlassen und daran arbeiten sollte, es größer aufzuziehen oder nicht. Aber damals hatte ich weder das Geld noch den richtigen Fokus, um es zu tun. Auch Far Out Records, woraus später Startracks wurde, die von Stockholm aus arbeiteten, waren größer und hatten ihr eigenes Geschäft und einen größeren Kundenstamm, dazu auch noch einen eigenen Laden. Daher beschloss ich, die Sache ruhen zu lassen und nicht zu versuchen, weiter zu expandieren. Also habe ich meine Sachen abverkauft. Ich organisierte weiterhin einige kleine Konzerte, fing an, für die örtliche Musikorganisation zu arbeiten und setzte dort mehr meine Schwerpunkte. Uproar war auch eine Zeit lang ein Fanzine, von dem es vier Ausgaben gab. Und auch für KAZJUROL ging es weiter, die waren inzwischen Teil der wachsenden Metal-Szene. So kam ich in die Thrash-, Crossover-, Death-Szene und wurde ein Teil von all dem. „Hardcore-Leute wie Babs“, das war mein damaliger Spitzname, „sollten sich von echtem Metal fernhalten“, sagten MAYHEM damals in einem Interview mit Schwedens größtem Metal- und Underground-Magazin Close Up. Etwa zur gleichen Zeit begannen sie, anderen schwedischen Bands wie ENTOMBED gegenüber Morddrohungen auszusprechen. Ich fing dann an, die Konzerte im Rockborgen zu organisieren und Pläne für das Bergslagrocken Festival zu machen. Ich konzentrierte mich auf verschiedene Weise mehr auf das, was meinen Horizont ein bisschen erweiterte. Ich importierte zwar noch immer einige Schallplatten und verkaufte sie auf Konzerten, aber das war von da an eine Nebenbeschäftigung und der Name Uproar wurde zu Grabe getragen. Ich begann stattdessen, den Namen Burning Heart zu verwenden. Das war ein Fanzine, Management, Promotion – so ziemlich alles, was ich von da an machte. Und von da an ging es weiter. Ich weiß nicht genau, wann es anfing, so Anfang 1991, glaube ich. Der Name stammt von einem UNIFORM CHOICE-Poster, das sich auf der Rückseite eines UNITY-Albums befand. Aber all das betrifft bereits die Neunziger Jahre und ist eine andere Geschichte ...
WAS WURDE AUS DEN LEUTEN?
Andreas, TOTALITÄR: Ich treffe mich immer noch mit Poffen, Lanchy und ein paar anderen alten Freunden und nehme mit den Bands KRIG I HUDIK und SWINEHOOD auf. Ansonsten mache ich musiktechnisch nichts mehr. Ich arbeite, versuche, ein guter Vater für meine beiden Teenager-Kids zu sein, und widme meine Zeit meinem Lieblings-Fußballverein AIK als auch meinem geliebten Hund.
Lanchy, TOTALITÄR: Während ich damals bei TOTALITÄR spielte, war ich auch noch in anderen Bands aktiv. Hauptsächlich in unterschiedlichen Konstellationen mit Freunden und anderen Leuten aus Hudiksvall. Das waren Bands wie BRAINBOMBS, THE TEENAGE GRAVES und ENGÜRDETZ. Später war ich an Projekten wie KRIG I HUDIG, BREMEN, DESPERATE FIX und EXPLOATÖR beteiligt. Meine Hauptantriebsenergie habe ich mir immer aus der Musik gezogen. Melodien zu komponieren war meine stärkste Beteiligung, was TOTALITÄR betrifft.
Poffen, TOTALITÄR: Ich spiele immer noch in ein paar Bands beziehungsweise Projekten.Der größte Spaß für mich ist immer noch, Live-Konzerte zu spielen, auch wenn wir davon in der letzten Zeit kaum welche hatten, aber auch das Plattenaufnehmen. Einige andere Bands von mir sind KRIG I HUDIK, EXPLOATÖR, HUMANT BLOD, INSTITUTION, DISSEKERAD, MAKABERT FYND, DÖDA ÖGON und KATASTROF.
Fredrik „Fredda“ Brickman, BEDRÖVLERZ: Nachdem sich BEDRÖVLERZ aufgelöst hatten, bin ich in eine größere Stadt namens Borlänge umgezogen. Das war bereits 1985. Ich habe mit anderen Bands weitergemacht. Mit ein paar anderen alten Leute haben wir die Punkband OGRÄS gegründet und eine 7“ und eine LP veröffentlicht. Danach habe ich studiert, um in der Jugendhilfe zu arbeiten, was ich auch ein paar Jahre gemacht habe. Später spielte ich in der Crust-Band FIRST DEGREE MURDER, mit der wir zwei Singles herausbrachten. Eine hatten wir DIY-mäßig selbst gemacht, die andere erschien beim Berliner Label Yellow Dog Records. Wir hatten für Yellow Dog noch eine weitere LP aufgenommen, die aus mir unbekannten Gründen aber nie erschienen ist. Dann hatten meine Frau und ich 1996/97 einen Tattoo-Shop eröffnet, den wir für gute 18 Jahre lang führten. Ich bekam aber ziemliche Rückenprobleme und musste mich einer Herzoperation unterziehen, daher musste ich den Beruf wechseln. Ich habe noch einmal studiert und wurde psychiatrischer Betreuer, was ich jetzt seit 2020 mache. Ich habe einen Sohn, der 23 Jahre alt und Teppichverleger ist, und ich bin immer noch mit meiner geliebten Frau zusammen, bereits seit 24 Jahren. Unsere Hochzeit war irgendwie ganz anders als bei traditionellen Paaren, da wir mit Punks und Bikern gefeiert haben. Seit 1994 war ich Mitglied in einem Motorradclub. Ich war in verschiedenen Clubs, aber keinem der großen, bekannten. Jetzt jedoch nicht mehr. Ich bin alt, arbeite viel, repariere unser Haus und beschäftige mich im Garten. Ich spiele auch in keiner Band mehr. Wir hatten es noch einmal mit den BEDRÖVLERZ versucht, hatten 15-mal geprobt, aber die Anfahrt zur Probe war mir einfach zu weit. Ich gehe aber immer noch oft auf Konzerte und liebe Festivals wie das Holidays In The Sun oder Rebellion. In Borlänge gibt es drei Clubs, wo regelmäßig Punkbands auftreten können, daher bin ich in einer glücklichen Situation. Hier noch ein paar Infos zu den anderen Leuten von den BEDRÖVLERZ: das erste Line-up bestand aus Fredda, Micke und Håkan, mit welchem wir das Demo beziehungsweise das Split-Tape zusammen mit ASOCIAL aufgenommen hatten. Håkan hatte uns dann verlassen und hat bei CRUDE SS gespielt. Er starb später leider bei einem Zugunglück. Neu zur Band kam Marko, der auch bei FEAR OF WAR war. Für eine Zeit spielte Christer bei uns, bevor auch er bei CRUDE SS einstieg und ebenfalls bei FEAR OF WAR spielte. Als ich nach Borlänge umzog und Marko immer noch in Fagersta war, stiegen ein paar Leute aus Borlänge bei den BEDRÖVLERZ ein, also Kjungen und später noch Veijo und Kari. Irgendwann 1986/87 löste sich die Band auf.
Per Thunell, PROTES BENGT, FILTHY CHRISTIANS: Also, ich spiele bis heute in Bands. PROTES BENGT haben pro Jahr so ein oder zwei Auftritte. Ich bin noch in einer anderen Band namens SEX DWARF, mit der wir ein paar 7“s, Split-7“s und 12“s herausgebracht haben. Wir sind durch Europa, die USA und Japan getourt. Wir hatten jetzt eine Tour an der Westküste der USA und Kanada geplant, aber Corona hat das zunichte gemacht. Ich organisiere immer noch Konzerte in Stockholm. Ola von FILTHY CHRISTIANS spielt mit mir zusammen bei PROTES BENGT. Daniel, der Drummer von FILTHY CHRISTIANS, ist in den Wald gezogen, wo er weiterhin Musik macht, wenn auch keinen Punk mehr. Die anderen beiden von PROTES BENGT, Åke and Chrille, sind natürlich weiterhin sehr mit MOB 47 beschäftigt. Als ich mit dem Beantworten dieses Interviews begann, habe ich realisiert, dass ich seit Ende 1984 in Bands spiele und Konzerte organisiere. Das sind jetzt 37 Jahre. Das werde ich wohl noch mein ganzes Leben lang machen.
Tomas Jonsson, ANTI CIMEX: Ein guter Freund und ich haben WOLFPACK gegründet. Ich war zudem mit einem Projekt namens MOMENT MANIACS im Studio. Aktuell bin ich gelegentlich Gastsänger bei der Band ADRESTIA.
Charlie Claesson, ANTI CIMEX: Nach Cimex habe ich eine Pause eingelegt, weil ich in dem Jahr Vater wurde, als wir uns aufgelöst haben. Damals hatte ich sogar gedacht, dass es das gewesen sei für mich mit Musikmachen. Da lag ich schön falsch! Ich schätze, dass ich seitdem in ungefähr 15 weiteren Bands gespielt habe. Erwähnenswert ist, dass ich vier oder fünf Jahre bei DRILLER KILLER getrommelt habe, bevor sie sich aufgelöst haben. Zudem war ich zehn Jahre lang in einer Punkrock-Band namens TROUBLEMAKERS. Aktuell habe ich einige Projekte am Start wie BRING THE DRONES, PI$$ER und VENGEANCE BY PROXY. Dann gab es noch die D-Beat-Band WOLFHOUR, zudem spiele ich seit sechs Jahren Drums bei der alten englischen Band THE PARTISANS. Nun, ich kann sagen, ich war immer gut beschäftigt.
Löken, RÖVSVETT: Unser Sänger Jerker und ich, Bass, sind die Originalmitglieder von RÖVSVETT. Ortman ist jetzt zurück am Schlagzeug und zusammen mit Atti an der Gitarre bereiten wir gerade Songs für die neue, sechste LP vor. Aktuell ist die „Jesus“-LP als Kooperation von Just 4 Fun und RÖV Records erschienen, auf der es neu abgemischte Songs unserer ersten beiden 7“s zu hören gibt, plus einige Live-Tracks aus dem Ultra Huset von 1986. Auf der Platte finden sich insgesamt dreißig Songs, dazu haben wir noch einiges an Merchandise gemacht, also haltet die Augen auf.
Gunnar, AVSKUM: Ich spiele immer noch bei AVSKUM. Wir haben einen neuen Drummer, mit dem wir unseren Sound wieder in eine ziemliche Retro-Richtung gedreht haben. Wir hören uns heute mehr nach Achtziger Jahren an als in den Achtzigern selbst. Im Augenblick nehmen wir ein neues Album auf. Auf persönlicher Ebene habe ich angefangen, Schamanismus zu praktizieren, was sich auch auf die neuen Texte auswirkt. Ich bin stark beeinflusst von der Resistant Culture und ihrer unermüdlichen und wichtigen Arbeit daran, Themen wie die Rechte der indigenen Völker, Schamanismus, ihren Stolz und ihre Hoffnung in die Punk-Szene einfließen zu lassen. Wir hatten ursprünglich für Ende 2020 eine Tour im Mittleren Westen der USA geplant, die musste aber wegen der Corona-Situation verschoben werden. Ich freue mich schon sehr auf diese Tour und hoffe, dass wir sie bald nachholen können. Ich habe außerdem angefangen, ein paar persönliche Erfahrungen in meine neuen Texte einfließen zu lassen, wie zum Beispiel über die Wurzeln des Samen-Volkes, dem ich angehöre, oder darüber, ein Inzest-Überlebender zu sein. Ich denke und hoffe, dass unser neues Album „En Annan Värld Är Möjlig“, auf Deutsch: „Eine andere Welt ist möglich“, das bisher beste von AVSKUM werden wird.
Svegis, THE BRISTLES: Unsere Band gab es von 1982 bis 1985 und nach einer langen Pause fanden wir 2008 wieder zueinander und haben inzwischen auch wieder einige neue Platten herausgebracht. Wir spielen bis heute zusammen, hatten aber ein paar Line-up-Wechsel.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #158 Oktober/November 2021 und Helge Schreiber